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Der Blick hinter die Fassade: Boris Jacob und sein faszinierender Bilderzykus bei Kunst Schaefer

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Text/Fotos Jan-Markus Dieckmann.

Seine großformatigen Portraits blicken den Betrachter direkt an. Eine drastische Wirkung, die polarisiert, der man sich aber auch nicht entziehen kann. Wo liegen die Grenzen unserer Person? Sind wir durch die vielfältigen digitalen Medien bereits Cyborgs, die die eigene, physische Existenz nur noch als einen Teil ihrer selbst empfinden? Diesen Fragen geht Boris Jacob, der im Berufsleben Chefdesigner bei Opel ist, als Maler auf den Grund. Seine erste große Ausstellung zeigte er kürzlich in der Galerie Kunst Schaefer, die ihn fortan als Künstler vertritt.

Zwei Jahre lang arbeitete Jacob an dem Zyklus. Nach einer schwierigen Lebensphase öffnete sich ein neuer Blick auf sein bisheriges Werk. Also schnappte er sich den Pinsel und das erste Bild, das ihm in die Hände kam, und übermalte es. Es lagerte schon eine Weile, hatte gelebt und wies bereits ein paar Schäden auf. So reifte während des Prozesses der Titel der Reihe heran: „Fassaden“. Hinter einem medial perfekt inszenieren Äußeren schimmert doch immer noch der Untergrund, eine tiefere Schicht hervor.

Das Thema der Selbstwahrnehmung und auch Selbstdarstellung über die sozialen Netzwerke lag auf der Hand. Er ist Vater von Töchtern, die als „digital natives“ das virtuelle Ich auf Facebook und Co als vollkommen selbstverständliche Verlängerung der eigenen, körperlichen Person wahrnehmen. Dieser moderne Autismus, die Unfähigkeit, sich von Angesicht zu Angesicht mit einer klaren Haltung gegenüberzutreten und die teils extreme Ausdrucksform, zieht sich als roter Faden durch die Werke. „Ich bemerkte, dass dieses Thema gut zu meiner Malweise passt. Es liegt immer etwas darunter, wird aber nicht wirklich gezeigt“, erklärt Jacob. Das spiegelt sich auch in Titeln wie  „Avatar“, „Shitstorm“, „Selfie“ (ein Selbstporträt) oder „Profilbild“. Leerstellen und Risse lassen die echte Persönlichkeit durchscheinen, egal wie sehr man sich bemüht, eine perfekte Außenwirkung herzustellen. Das Außen und das Innen lassen sich in seinen Bildern nicht trennen, sie verschwimmen ineinander.

Befreiende Wirkung  

Das Malen hat für Jacob eine befreiende, wie er sagt fast therapeutische Wirkung. Man ist nur für sich, erschafft etwas, das ausschließlich aus einem selbst kommt und bei dem kein anderer mitzuentscheiden hat. Ein starker Kontrast zu seinem Beruf bei Opel. Dort geht es darum, etwas zu erschaffen, das auf möglichst große Zustimmung trifft und den Nutzen mit einem behaglichen Gefühl verbindet. Zum Design kam er ebenfalls über die Kunst. Das Malen und gerade das Abbilden faszinierte ihn. Sein Vater nahm ihn als Jugendlichen einmal mit in die Designabteilung der Firma, in der er arbeitete. Dort durfte Jacob bei der Arbeit über die Schulter schauen. „Wie stellt man Glas, Metall und die verschiedensten Oberflächen dar? Das hat mich fasziniert. Und das zeigten mir die Designer dort. Ich hatte mit vollkommen falschen Materialien gearbeitet, aber dafür schon ganz gute Ergebnisse produziert.“

Gesichter ziehen Jacob in ihren Bann, die realistische Darstellung und der körperliche Einsatz beim Malen sind Dreh- und Angelpunkt seiner Arbeit. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass er sich entschloss, seine Bilder öffentlich auszustellen? „Ich hatte meine Bilder immer in meiner Wohnung. Und immer wieder hieß es: das ist doch schade, wenn die einfach da rumstehen.“ Es folgten lange und intensive Gespräche mit seiner Frau, die schließlich das Heft in die Hand nahm und in alle Richtungen ihre Fühler ausstreckte. Am Ende half auch der Zufall. Er und Björn Lewalter, der Galerist, bei dem er nun fest aufgenommen ist, haben einen gemeinsamen Bekannten, der irgendwann bei Lewalter anklopfte. „Ich bin immer recht vorsichtig, wenn mir neue Künstler angetragen werden“, erzählt er. Der Katalog gefiel, also kam es zum zweiten Schritt. Der erfahrene Galerist besuchte den Künstler zusammen mit seinem elfjährigen Sohn. Auf dem Heimweg fragte er ihn, wie es ihm gefallen hatte. „Total toll, Papa, lass uns die Ausstellung machen“, war die Antwort. Somit war es beschlossene Sache und der Anfang der intensiven Zusammenarbeit. Nach dieser Ausstellung sollen noch viele weitere folgen.

Jacobs Bilder sind sehr persönlich. Seine Portraits zeigen sein engstes Umfeld, in erster Linie Familie. Immer wieder bekommt er die Frage gestellt, ob es nicht merkwürdig sei, etwas so Privates herzugeben. „Für mich ist etwas abgeschlossen, wenn ich ein Bild vollendet habe. Schließlich ist das aktuelle Bild auch immer das beste für einen selbst.“ Er geht nun mit einem gewissen Abstand, mit einem neuen Zugang und auf eine bestimmte Weise befreit mit neuer Energie zurück ins Atelier: „Im Moment merke ich, das ich ganz anders arbeiten kann, wenn ich nicht mehr tagtäglich von meinen Bildern umgeben bin.“

Maler und Designer

Boris Jacob,1967 in Stuttgart geboren und mit einer autistischen Schwester in der Familie aufgewachsen, lebt und arbeitet seit zehn Jahren in Wiesbaden. Er studierte Design und Kunst in Pforzheim. Seine Arbeit führte ihn unter anderem nach Salzburg, Köln, Dubrovnik, Turin, London, Barcelona, Detroit und zuletzt Melbourne Als „Chief Designer Advanced Design“ ist er mitverantwortlich für den neuen Opel GT, der kürzlich auf dem Automobilsalon in Genf vorgestellt wurde.

Mehr Informationen auf: www.boris-jacob.com ,  www.galerie-wiesbaden.de