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Der Freiheit auf der Spur: Theaterprojekt führt Publikum durch die Straßen Wiesbadens – Heute ist Premiere

80MinFreiheit_Staatstheater_3spVon Katharina Dietl. Fotos Kai Pelka / Sven-Helge Czichy.

Freiheitsexperten- und kämpfer spazieren – pünktlich zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung – durch die Stadt. Ein Theater-Parcours macht Bürger zu Hauptakteuren. Heute ist Premiere.

Was ist Freiheit? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Wann fühlen wir uns frei? Wird heute der Freiheitsgedanke von unserem Sicherheitsbedürfnis verdrängt? Wie geht man damit um, dass die Freiheit des Einen die Unfreiheit des Anderen bedeuten kann? Regisseurin Meret Kiderlen hat sich mit zahlreichen Fragen zum Begriff der Freiheit in ihrem Theater-Parcours „80 Minuten Freiheit“ beschäftigt, der vom Hessischen Staatstheater in Kooperation mit der Stabstelle Kulturerbe inszeniert wird – auf den Straßen unserer Stadt.

Während des Rundgangs werden immer wieder Originalerzählungen von Wiesbadener Bürgern eingespielt, die ihre Vorstellung von Freiheit und ihre persönliche Erfahrung damit in Privat- und Berufsleben schildern. Unter den ganz unterschiedlichen „Freiheitsexperten“ sind Juristen, die Betreiberin des Cafés „Anderswo“ im Westend, die in der DDR Flugblätter verteilte, oder die Rollstuhl-Basketballerin Britt Dillmann. Alle demonstrieren, dass man den Freiheitsbegriff erst durch eine Individualisierung mit Bedeutung aufladen kann. Ebenso wie eine Stadt erst ein Gesicht bekommt durch die Menschen, die in ihr leben. Ansonsten bliebe sie seelenlos – ebenso wäre Freiheit ein leeres Wort.

Akustischer Gedanken-Gang
„Gerade durch seine starke Variabilität bietet der Begriff die Chance, anhand von Assoziationen ein verdichtetes Netz an Freiheitskonzepten zu schaffen“, erklärt Kiderlen die Idee hinter dem von ihr als „akustischer Gedanken-Gang“ bezeichneten Stück. Lose eingebettet ist dieses in die „Woche der Freiheit“, die rund um den 25-jährigen Jahrestag der Wiedervereinigung in Wiesbaden stattfindet. Die Veranstaltungsreihe kann auch als Gegenpol zu den offiziellen Feierlichkeiten am 3. Oktober angesehen werden. Diese finden – aus lokalpolitisch heftig diskutierten und bis heute nicht abschließend geklärten Umständen – wider Erwarten nicht in der hessischen Landeshauptstadt statt, der die Austragung eigentlich turnusgemäß zugestanden hätte, sondern in Frankfurt.

„Wiesbaden hat aus der Not eine Tugend gemacht“, erklärt Dr. Thomas Weichel von der Stabstelle Kulturerbe, der auch selbst im Stück mitwirkt. Vielfältige Veranstaltungen sind konzipiert worden, die reflektiert der Frage nachgehen, was uns heutzutage Freiheit bedeutet. Auf diese Weise steht nicht nur die deutsche Wiedervereinigung im Zentrum, sondern allgemein der Begriff der Freiheit, der durch die aktuelle Flüchtlingsthematik nochmal stark an Bedeutung gewonnen hat. Neben „80 Minuten Freiheit“ finden vielfältige Vorträge, Zeitzeugengespräche, ein literarisches Europa-Symposion, Ausstellungen und Jugendaktionen statt.

_MG_0853(Auf)führung im 30-Minuten-Takt
Kennengelernt haben sich Kiderlen und Weichel im letzten Jahr bei Clemens Bechtels dokumentarischem Theaterstück „Die Träume der Armen – Die Ängste der Reichen“. Während damals die Bewohner Wiesbadens auf die Bühne kamen, kommt nun die Bühne quasi in die Stadt. Die Regisseurin, die in Gießen angewandte Theaterwissenschaft studierte, hat Wiesbaden, seine Einwohner und deren Geschichte zu ihren Hauptakteuren gemacht. Ausgangs- und Endpunkt des Rundgangs ist das Staatstheater, von dort wird der Zuschauer im 30-Minuten-Takt in Vierergruppen über Kopfhörer von Schauspieler Ulrich Rechenbach durch die Stadt begleitet und geleitet. Für den richtigen Ton ist Sounddesigner Rupert Jaud zuständig.

Durch Kiderlens Stück sieht das Publikum nicht nur den Freiheitsbegriff neu, sondern auch die Stadt Wiesbaden, indem sie ausgefallene Orte entdecken und deren Geschichte erfahren. Genauso kann durch die per Kopfhörer vermittelten Erzählungen eine andere Geschichte auf einen vertrauten Ort gelegt werden und dieser dadurch mit einem anderen Blick betrachtet werden. An vier Stationen trifft man auch auf einige der 16 erzählenden Mitbürger und vier Schauspieler. Doch keiner spielt dabei eine Rolle, jeder ist er selbst mit seiner eigenen Geschichte, die so spannend ist, dass sie keiner Fiktionalisierung bedarf.

Der Theater-Parcours findet vom 1.bis 11. Oktober statt, die Rundgänge starten mehrmals täglich ab 16 Uhr. Rund 300 Karten sind im Verkauf.  Alle Termine sind unter www.staatstheater-wiesbaden.de zu finden, das Programm zur „Woche der Freiheit“ auf www.wiesbaden.de/woche-der-freiheit.