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Der große Check: Wiesbadener Filmfestivals – Die Stadt rollt mehrmals im Jahr den roten Teppich aus

Von Hendrik Jung. Illustration Jan Pieper. Archivfotos Dirk Fellinghauer.

Wiesbaden weist eine beachtliche Bandbreite an Filmfestivals auf. Ein Überblick.

Deutsches Fernsehkrimi Festival, 14. Ausgabe vom 6. bis 11. März

Nur selten stehen die Gäste des Caligari-Kinos mit Rollkoffern Schlange. Bei der langen Fernsehkrimi-Nacht jedoch sind für viele Fans Nackenhörnchen, Gummibärchen-Großpackung oder Kuscheldecke unerlässlich. Denn dann werden noch einmal alle zehn Wettbewerbsfilme am Stück gezeigt, in diesem Jahr zwei davon als Premiere noch vor der Ausstrahlung im Fernsehen. Das Festival bringt namhafte Prominenz nach Wiesbaden.

Unvergessen, wie einst Ulrich Tukur  gemeinsam mit seinem „Tatort“-Kollegen Miroslav Nemec ein wildes Spontankonzert im Rathaus-Festsaal gab und anschließend in der „Bodega“ an der Schwalbacher Straße versackte. Diesmal werden unter anderem der Wiesbadener Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, Heino Ferch, Berlinale-Jurypräsident und „Babylon Berlin“-Regisseur Tom Tykwer, Hannelore Hoger und die frischverlobte Désirée Nosbusch als Gäste erwartet.

Der kriminelle Branchentreff ist eine Veranstaltung des Kulturamts, wird aber von einem Team aus acht externen Hauptamtlichen unter Leitung von Cathrin Ehrlich organisiert. Das Budget liegt bei rund 118.000 Euro und beinhaltet Förderungen vom Hessischem Rundfunk, der HessenFilm und Medien GmbH sowie Sponsoren. Erstmals werden in diesem Jahr auch Krimi-Dokus, -Kurzfilme und -Serien gezeigt, wodurch die Zahl von rund 3.500 Gästen aus dem Vorjahr übertroffen werden könnte. Bereits am 4. März präsentiert Regisseur Christian Schwochow  alle sechs Folgen seiner Serie „Bad Banks“ gezeigt. Weitere Spielorte sind das Murnau-Filmtheater und das Museum Wiesbaden. Das Deutsche FernsehKrimi-Festival findet erneut als im Rahmen des „Wiesbadener „KrimiMärz“ statt, der seinerseits vom 1. bis 25. März Lesungen, Diskussionen und Gespräche mit Krimiautoren bietet. www.fernsehkrimifestival.de

goEast Festival des mittel- und osteuropäischen Films, 18. Ausgabe vom 18. bis 24. April

Mittel- und Osteuropa stehen im Fokus, wenn das goEast-Festival lockt. Mehr als 12.000 Gäste kamen im vergangenen Jahr und damit rund drei Mal so viel wie bei der Premiere 2001. Seitdem ist nicht nur die Zahl der Spielstätten in Wiesbaden auf vier gewachsen, sondern ein Teil der zuletzt mehr als 100 Filme läuft auch in Frankfurt, Darmstadt, Mainz und Gießen. Seit Anfang des Jahres ist ein 15-köpfiges Team unter der neuen Leiterin Heleen Gerritsen, die Gaby Babic nach sieben Jahren prägenden Wirkens ablöste, damit beschäftigt, für das Deutsche Filminstitut nicht nur die Werke selbst, sondern auch die dazugehörigen Filmschaffenden nach Wiesbaden zu holen. Denn zum besonderen Flair des Festivals gehören zahlreiche Filmgespräche nach der Projektion, sowie die abendlichen Diskussionen im Festivalzentrum (Casino-Gesellschaft) rund um die Wettbewerbsfilme aus den Bereichen Fiktion und Dokumentation. Das Porträt wird in diesem Jahr dem russischen Filmemacher Boris Khlebnikov gewidmet sein. Neu ist die Ausrichtung beim Open Frame Award, bei dem Projekte an der Schnittstelle von Film und Virtual Reality entwickelt werden sollen. Die neue Sektion Bioskop wird vermehrt Einblicke in mittel- und osteuropäische Filmkunst ermöglichen, deren Premiere bereits erfolgt ist. Durchhaltevermögen ist nicht nur beim Schauen und Diskutieren gefragt – bei wohl keinem Wiesbadener Filmfestival wird, gerne auch von Gratis-Wodka befeuert, so intensiv und ausschweifend gefeiert wie beim goEast. www.filmfestival-goeast.de

„Bilderwerfer“ Open Air Filmfest, 21. Ausgabe vom 21. Juni bis 14. Juli 2018

Eins von zwei Wiesbadener Filmfestivals, das unter freiem Himmel stattfindet. Mit allem Risiko, das damit verbunden ist. Mal muss eine Vorführung im Vorfeld abgesagt werden, mal stellt ein plötzliches Gewitter die rund 15 ehrenamtlichen Festivalmacherinnen und -macher vor besondere Herausforderungen. Dementsprechend variiert die Zahl der Gäste auf der Reisinger-Wiese direkt gegenüber vom Hauptbahnhof pro Vorführung zwischen 500 und 2.000. Dass diese kein Eintrittsgeld zu zahlen haben, gehört zum Gründungsgedanken des Filmfests. Als die Vorgängerveranstaltung eingestellt worden ist und ein kommerzielles Format auf einem eingezäunten Gelände geplant wurde, hat sich der Verein Bilderwerfer gegründet. Zu etwa einem Fünftel wird dessen Veranstaltungsreihe vom Kulturamt unterstützt, der Rest muss aus dem Verkauf von Getränken, den Standgebühren anderer Anbieter oder durch Sponsoren erwirtschaftet werden. Zum Kult des Festivals gehört, dass die zwölf Hauptfilme, zu denen selten Blockbuster gern aber auch Dokumentationen gehören, jeweils von einem passenden Kurzfilm eingeleitet werden. www.bilderwerfer.de

SCHIFF Hafenkino, 6. Ausgabe vom 31. Juli bis 5. August 2018

Wenn man am Schiersteiner Hafen lebt und Kino liebt, kann man schon auf den Gedanken kommen, an dieser exponierten Stelle ein Filmfest unter freiem Himmel ins Leben zu rufen. Die drei Initiatoren des Schiersteiner Filmfestivals (SCHIFF) haben es 2013 getan. Mit wachsendem Erfolg. Im Vorjahr sind die Vorführungen erstmals komplett ausverkauft gewesen, und bei der Projizierung von „La La Land“ musste jeder verfügbare Stuhl herhalten, um dem Ansturm der Gäste gerecht zu werden. In diesem Jahr wird die Veranstaltung daher um zwei Tage verlängert, so dass nun sechs aktuelle Filme gezeigt werden. Seit dem Jahr 2016 gehört samstags und sonntags auch ein Street Food Market zum Programm, was außer einem abwechslungsreichen kulinarischen Angebot tagsüber auch für Kleinkunstveranstaltungen und ein Kinderangebot sorgt. Durch diese Kooperation steht die Veranstaltung, die allein im Filmbereich ein Budget im fünfstelligen Bereich erwirtschaften muss und keine Fördermittel erhält, auf einer breiteren Basis. Zum Hafenkino-Team gehört noch eine Handvoll Ehrenamtlicher sowie etwa ein halbes Dutzend Kräfte in der Gastronomie. www.schiffestival.com

Internationales Trickfilm-Wochenende, 20. Ausgabe vom 1. bis 4. November

Zum Jubiläum des Trickfilm-Wochenendes ist ein Programm mit besonderen Höhepunkten zu erwarten, die von den drei Veranstaltenden jedoch noch nicht verraten werden. Fest steht, dass Filmkritiker Joachim Kreck Jahr für Jahr hochkarätige Programme zusammenstellt, die sich aus Trickfilmen verschiedenster Machart zusammen setzen. Vor der Gründung der Veranstaltung sind diese ein Teil der ebenfalls nach wie vor existierenden Reihe „Filme im Schloss“ gewesen. Seit zwanzig Jahren werden nun Langfilme und Kurzfilmprogramme zu abwechslungsreichen Festivalpaketen zusammengestellt. Projiziert werden sie im Vorführsaal der Deutschen Film- und Medienbewertung im Biebricher Schloss. Dort finden zwar nur einhundert Gäste Platz, dafür profitieren diese von der dortigen erstklassigen Bild- und Tontechnik. Das passt zu der  Qualität der gezeigten Filme, unter denen sich stets auch preisgekrönte Arbeiten befinden. Gefördert wird das Festival durch die Stadt Wiesbaden sowie die HessenFilm und Medien GmbH. Die drei Organisatoren erhalten jeweils geringe Aufwandsentschädigungen. So international wie die Programme sind auch die Gäste, die zum Trickfilm-Wochenende in Wiesbaden begrüßt werden können. Welche das im Jubiläumsjahr sein werden, ist aber noch geheim. www.filme-im-schloss.de

exground filmfest, 31. Ausgabe vom 16. bis 25. November 2018

Es ist einfach legendär und nicht nur das älteste, sondern auch das umfangreichste unter den Wiesbadener Filmfestivals. Mit zehn Tagen Dauer ist es inzwischen die längste der Veranstaltungen, so dass 200 bis 250 Kurz- und Langfilme projiziert werden können. Auch hier wird dem Filmgespräch eine besondere Bedeutung beigemessen, in den vergangenen Jahren konnte Festivalleiterin Andrea Wink stets rund einhundert Filmgäste aus dem In- und Ausland in Wiesbaden begrüßen. Einige inzwischen weltweit renommierte Regisseure haben hier Deutschland- oder Europa-Premieren gehabt. Den zehn Organisatorinnen und Organisatoren, von denen acht ehrenamtlich aktiv sind, steht ein Budget von 225.000 Euro zur Verfügung. Jeweils 50.000 Euro davon werden von der Landeshauptstadt Wiesbaden sowie von der HessenFilm und Medien GmbH beigesteuert. Von der Stadt kommen darüber hinaus noch 4.000 Euro für Preisgelder. Von Anfang an wird bei der Auswahl der Filme großer Wert auf Arthouse-Produktionen gelegt, um ein Alternativprogramm zum Angebot kommerzieller Kinos zu bieten. Dabei ist es zur Tradition geworden, dass eine Festivalreihe einen besonderen Länderschwerpunkt in den Fokus nimmt. In diesem Jahr hat man dafür, nach der Türkei bei der letzten Ausgabe, die Philippinen ausgewählt. Bespielt wird neben Caligari und Murnau-Filmtheater auch der Kulturpalast. www.exground.com

Natourale, 1. Ausgabe vom 29. November bis 2. Dezember

Ende des Jahres soll die „Natourale“ die Filmfestival-Bandbreite der Landeshauptstadt nochmals erweitern. Die rund 30 Ehrenamtlichen, die daran unter Regie des Ehepaars Andrea-Eva und Andreas Ewels beteiligt sein werden, haben sich auf die Fahne geschrieben, internationale Natur- und Tourismus-Filme im Murnau-Filmtheater zu zeigen. Das überraschende Themengespann wurde gewählt, „da eine nachhaltige Kombination der genannten Bereiche immer wichtiger für die moderne Gesellschaft wird.” Das Festival ist nicht nur für Dokumentationen und Spielfilme offen. Bei den fünf geplanten Kategorien, in denen Preise vergeben werden sollen, werden auch kreative Werbespots berücksichtigt. Aktuell planen die Veranstalter davon aus, dass zehn preisgekrönte Arbeiten sowie Sondervorstellungen mit spannenden Gästen zu präsentieren. Das neue Festival geht aus der „NATURfilmNACHT“ im Murnau-Kino hervor. Während diese meist ausverkaufte Reihe vor allem Naturdokumentationen aus deutscher Produktion ein Forum bietet, ist das neue Festival nun international ausgerichtet. Prominente Gäste werden sowohl aus der Naturfilmszene als auch aus der Tourismusbranche erwartet. www.natourale.de

Homonale, 20. Ausgabe 18. bis 21. Januar 2019

Die Filme, die beim ersten Festival im Jahresreigen im Caligari gezeigt werden, behandeln lesbisch, schwule, trans*, bi und inter*-Themen. Angesprochen werden sollen damit jedoch keinesfalls ausschließlich Menschen aus dieser Szene. Seit Beginn ist Akzeptanz die große Überschrift der jeweils elf Filme. Ausgewählt werden daher stets Arbeiten, die für ein großes Publikum interessant sein können. Manchmal gelingt es sogar, für das Kinder-Programm des Caligari einen Film zu finden, der zur Ausrichtung des Festivals passt. So wie bei „Die wilden Hühner und die Liebe“, in dem ein Coming Out thematisiert wird. Die Homonale ist ins Leben gerufen worden, als bei den Vorbereitungen für eine Veranstaltung zum Christopher Street Day im Jahr 1999 der Wunsch nach einer kulturellen Veranstaltung aufgekommen ist, die eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung und dadurch Verständnis für die Situation anders Liebender ermöglicht. Seit dem Jahr 2001 gehört das Festival regelmäßig zum Jahresprogramm des Caligari. Denn das ehrenamtlich arbeitende Kernteam von fünf Leuten macht zwar Filmvorschläge und schreibt die Texte für die Ankündigungen. Veranstalter ist jedoch das Caligari selbst, das auch das finanzielle Risiko trägt. www.homonale-wiesbaden.de