Bereits vor fast 20 Jahren hat der Spielehersteller Nintendo mit dem „Virtual Boy“ den Versuch gestartet, ein virtuelles Spielerlebnis mit Hilfe einer Brille zu simulieren – und scheiterte kläglich. Mit „Oculus Rift“ könnte die Vision von der virtuellen Realität bald wahr werden. Die Brille, die zur Zeit noch in der Entwicklungsphase steckt, gehörte zu den „Stars“ auf dem diesjährigen, von sensor als Medienpartner präsentierten researching games BarCamp. Medienpsychologin Priscilla Haring aus Amsterdam hatte ein ein Exemplar zum Ausprobieren mitgebracht. Rund 40 Teilnehmer verschiedener Disziplinen waren aus ganz Deutschland und darüber hinaus zum dritten Jahrestreffen der deutschen Spieleforschung in der Jugendherberge in Wiesbaden gekommen, um sich in etwa 30 Beiträgen dem Thema Computerspiele zu widmen. Wie von den Organisatoren Florian Berger, Christian Roth, Steve Hoffmann und Denise Lengyel intendiert, fanden sich vor allem junge Spiele-Enthusiasten zusammen, darunter viele Doktoranden, die das BarCamp als Bühne zum Ausprobieren nutzten. Thematisch erfüllten die Vorträge von Design und Entwicklung, Pädagogischen Fragestellungen über Musik, Kultur bis hin zur Suchtproblematik den interdisziplinären, aber auch informellen Charakter des BarCamps.
„Kulturgut“ mit Zeug zum Zündstoff
Für seinen Vortrag erhielt jeder Referent ca. 25 Minuten. Ein knapper Rahmen, um die oft komplexen und vor allem interessanten Themen zu präsentieren, der angesichts der zahlreichen Teilnehmer jedoch mehr als fair war. Besonders ein Thema sorgte am ersten Tag für Zündstoff. Der Kulturwissenschaftler Christian Huberts griff die Prämisse „Computerspiele als Kulturgut“ auf. Mit dem Beschluss des Deutschen Kulturrats 2008 glaubte man zuletzt, die emotionsgeladene Killerspieldebatte beendet zu haben. Doch angesichts immer neuer Spiele, auch sogenannter „Killer-“Spiele, die Grenzen überschreiten und Tabus brechen, sollten Spieleforscher sich nicht mit dem Stempel „Kulturgut“ zufriedengeben, meinte Huberts, sondern ihn vielmehr hinterfragen und notfalls neu definieren. So erweiterte auch der Vortrag von Jutta Zaremba über Gender und Games die Vorstellung davon, welche kulturelle Sprengkraft Computerspiele und Spiele im Allgemeinen haben können. Unter anderem stellte Zaremba die Brettspielinstallation „Train“ der Amerikanerin Brenda Romero vor, bei der der Spieler möglichst viele gelbe Spielfiguren in Zügen unterbringen muss. Wenn er am Ende endlich den Bestimmungsort der Fahrt erfährt, fällt der Groschen: die Spielfiguren repräsentieren Juden, die der Spieler nichtsahnend auf den Weg in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht hat. Dass dieses Kunstprojekt für Furore sorgte, versteht sich von selbst.
Am Ende des ersten Vortragstages blieb viel, das es zu verdauen galt. Die anschließende Party mit Initiator Florian Berger als Herr elektronischer Musik wurde so zur Erlösung für die diskutierfreudige Runde, die sich ohne Zeitdruck leidenschaftlichen Diskussionen hingeben konnte. Doch auch der Gegenstand des BarCamps, das Spielen, kam nicht zu kurz. Über ein lokales Netzwerk konnten die Besucher anderen Spiele zum Download zur Verfügung stellen und gemeinsam eine Runde daddeln. Und an der Virtual Reality-Brille, die Priscilla Haring zum Testen anbot, bildete sich schnell eine lange Schlange Neugieriger. Dass Computerspiele keine Männerdomäne mehr sind, schlug sich auch beim BarCamp nieder. Designerinnen, Forscherinnen und adere spieleaffine Frauen waren ein selbstverständlicher Teil der Tagung. Christian Roths Fazit der 3. BarCamps fällt positiv aus, „Spannende Vorträge und eine große Bandbreite!“. Für die Zukunft hoffen die Organisatoren die Kapazität des Events von 80 Teilnehmern voll ausschöpfen zu können. Bei der steigenden Relevanz, die sich aus den Reaktionen auf das Jahrestreffen abzeichnet, ist das Ziel in greifbarer Nähe.
Eine Übersicht der Vorträge und die kollektive Mitschrift sind bereits im Archiv zu finden.
(Magdalena Aue, Fotos: researching games BarCamp)