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Es muss stimmen: Die Kurhausorgel und ihr Kurator

kurhausorgel-1_3spText und Fotos Rainer Eidemüller

„Wenn renommierte Organisten Edgar Krapp oder Gabriel Dessauer spielen, hört man, auch weit hinten auf der Empore sitzend, die Feinheiten – wie überlegt sie registriert haben und welches Klangspektrum damit gewonnen wird.“ Wohl niemand kennt die Saalorgel im Friedrich-von-Thiersch-Saal des Wiesbadener Kurhauses so gut wie Friedhelm Gerecke. Er ist als Kurator für die Stimmung, Pflege und Instandhaltung des Instruments verantwortlich. Ehrenamtlich, versteht sich. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des „Förderverein Kurhausorgel e.V.“.Heute muss die Orgel gestimmt werden. Morgen ist sie im Konzerteinsatz – und wurde seit über einem Jahr nicht mehr gespielt: Der Lichtwellenleiter zwischen Spieltisch und Orgel war defekt. Nun müssen die Funktion und Stimmung ausführlich geprüft werden. Es gibt also viel zu tun. Und vieles davon geschieht im wahrsten Sinn des Wortes hinter den Kulissen. Denn die Orgel erstreckt sich über vier Stockwerke hinter den metallenen Verkleidungen an der Stirnwand des prunkvollen Saales – unsichtbar für jene, die den Klang der Orgel später genießen sollen.

Das heutige Instrument wurde 1954 von der Firma Steinmeyer, einer der renommiertesten Orgelbauer überhaupt, neu eingebaut und zweimal erweitert. Eine Orgel besteht aus verschiedenen Registern, also Pfeifenreihen, die für einen bestimmten Klang zuständig sind. Diese können am Spieltisch individuell zusammengestellt werden. Die Saalorgel im Kurhaus hat 51 Register – und ist damit ein mittelgroßes Instrument. Aber: Viel wichtiger als die reine Größe oder Anzahl der Register sei der Raum für den Klang und damit die Qualität, erklärt der Fachmann: „Eine Orgel klingt immer mit dem Raum. Hier liegt der Nachhall bei drei bis vier Sekunden, das ist nahezu perfekt.“

Auf der Bühne am Spieltisch sitzt heute Arnold Junglass, Mitglied des Fördervereins und wichtiger Unterstützer als „Tastenhalter“ – damit die Orgel auch tönt, während die Pfeifen geprüft werden. Über Leitern und schmale Podeste gelangt Gerecke in die verschiedenen Stockwerke des Instruments. Es ist eng in der Orgel, das Holz knarzt unter den eigenen Schritten. An vielen Stellen wird es so eng, das man sich ducken muss oder gerade so durch eine Lücke hindurchzwängt, will man zu den verschiedenen Registern gelangen.

Ton für Ton zurück zum Wohlklang
Staub liegt auf den Pfeifen, die aus unterschiedlichen Materialien und in unterschiedlichen Bauweisen gefertigt sind. So kommt der Klang zustande, der verschiedenen Flöten, Pfeifen und Trompeten nachempfindet. Und eine Orgel zu einem so vielseitigen Instrument macht, das dem Organisten Freiheit und Individualität in der Wahl der Klangfarbe gibt. Mit dem Stimmgerät wird akribisch jeder Ton eines Hauptregisters, des Prinzipals, geprüft und nachjustiert. Nach einem Jahr der Ruhe hängen manche Töne, andere sind ordentlich verstimmt. So nimmt sich Friedhelm Gerecke Ton für Ton vor, um das Instrument wieder in Wohlklang zu bringen.

Eigentlich ist Gerecke Architekt. Aber er hat sich schon immer für Orgeln begeistert und spielt, seit er 13 Jahre alt ist. Zum Kurator wurde er eher zufällig: Aus Interesse am Instrument besichtigte und spielte er die Orgel. 1985 war das. Im Nebensatz hieß es damals, er könne die Orgel haben. Denn: „1986 sollte die intakte Orgel aus dem Konzertsaal eliminiert werden. Die qualitätsvolle Steinmeyer-Orgel aus einem Konzertsaal entfernen? Damit wäre ein ganzer Bereich der symphonischen Musikliteratur in Wiesbaden nicht mehr aufführbar.“ Also setzte er sich mit anderen für den Erhalt der Orgel ein – und wurde dabei auch ihr Kurator. Den Förderverein dazu gibt es seit November 2004.

Der Bedarf des Unterhalts eines solch komplexen Instruments gleicht dem einer großen Maschine. Es kann immer etwas kaputt gehen, andere Verschleißteile wie die Elektrik oder das Leder der Bälger müssen in Intervallen instandgesetzt werden. Alle 10 bis 15 Jahre steht eine Reinigung an. Ganz aktuell ist ein neuer Spieltisch geplant, da die Elektrik des alten defekt ist. Die Mittel für Erhalt und Pflege können neben Spenden und Eintrittsgeldern auch aus der Vermietung des Instruments kommen. Kürzlich veranstaltete die Mozart-Gesellschaft ein Benefiz-Orchesterkonzert zugunsten der Orgel, und natürlich mit der Orgel im Zentrum des musikalischen Geschehens. Der Geschäftsführer des Kurhauses, Markus Ebel-Waldmann, will der Orgel – der einzigen Kurhaus-Orgel Deutschlands – mehr Geltung verschaffen. So wurde sie in kurzer Zeit mehrfach vermietet, und es sind weitere Einsätze und Veranstaltungen geplant. Damit die Orgel zukünftig häufiger im Kurhaus erklingt.

Die Kurhaus-Orgel kann 2016 zu folgenden Terminen jeweils von 15 bis 18 Uhr besichtigt und gehört werden: 28. März (Ostermontag), 16. Mai (Pfingstmontag), 3. Oktober (Tag der Deutschen Einheit). Weitere Konzerte sind in Planung. Mehr Informationen zu Terminen und dem Förderverein unter www.kurhausorgel.de.

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