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Gaaaaanz langsam… „Bummeltechno“ nimmt weltweit an Fahrt auf – auch in Wiesbaden und Mainz

Von Nadine Kuhnigk. Fotos Mach mal langsam.

„Entspanntes und relaxtes Feiern“, das gefällt der 23-jährigen Kunststudentin Laura Seibert besonders gut an „Mach mal langsam“. Das Partyformat hat aus der weiten Welt den Weg nach Wiesbaden und Mainz gefunden und erobert nun von hier aus die Region. Die nächste Gelegenheit zum Miterleben gibt es am 24. November.

Es ist ein besonderer Sound, der diese Nächte ausmacht – Techno und House in Zeitlupe, grob gesagt, selbstironisch auch „Schneckno“ genannt. Genauer gesagt tauchen die Partygänger beim „Global Bummel Sound“ tief ein in elektronische Beats mit Folkloreeinflüssen. Es entstehen magische Klänge, Geräusche des Regenwaldes dringen aus den Boxen oder auch Vogelzwitschern. Laura Seibert begeistert sich über die Musik hinaus auch für das Gesamterlebnis. Da werden mal zu einem Regenwaldmotto 30 Kilo Bananen inszeniert oder das Publikum auch mal von einer Siebdruckstation überrascht, an der es T-Shirts und Taschen bedrucken kann. „Mach mal langsam“ steht nicht einfach für irgendeine Party, sondern für eine weitreichende Philosophie der Weltoffenheit und der Entschleunigung: Raus aus dem hektischen Alltag, ohne auf Tanzbarkeit zu verzichten.

Mit Musik Geschichten erzählen und berühren

„Bummeltechno ist ein musikalischer Trend, der sich seit ein paar Jahren in der Clublandschaft der Weltmetropolen wie Istanbul, São Paulo, Santiago de Chile, Buenos Aires oder Mexico City sehr erfolgreich etabliert hat“, klärt Janeck Altshuler über die Ursprünge des Phänomens auf. In Deutschland konnten Gäste dazu bis jetzt nur in Berlin und auf Festivals abfeiern: „Sonst wurde es nirgendwo angeboten, und genau das wollen wir ändern.“ Der 37-Jährige ist Mitglied des inzwischen sechsköpfigen Kollektivs mit DJs im Alter von 25 bis 40 Jahren, das hinter der Veranstaltungsreihe steckt.  „Das Besondere an unserer Musik ist, dass wir mit ihr richtige Geschichten erzählen und die Menschen mit unseren Sounds berühren wollen“, erklären sie, was sie vom DJ-Pult aus erreichen wollen.

Eddy Hernández aus Kolumbien gab den Anstoß, eine solche Partyreihe außerhalb von Berlin auf die Beine zu stellen. Im Frühling 2016 startete der Versuch in einer kleinen Bar in Wiesbaden: Das Feedback war mehr als positiv, eine neue Clubreihe war geboren. Natürlich spielen auch regionale Künstler auf den Veranstaltungen. Vor allem wird aber auf Acts aus ferneren Ländern, wie zum Beispiel der Türkei oder auch Brasilien gesetzt. „Viele unserer Gäste und Künstler reisen aus anderen Städten oder sogar aus anderen Ländern an, nur um mit uns zu feiern“, berichtet die Crew von der besonderen Anziehungskraft des neuartigen Sounds. Den Multikulti-Charakter verkörpern auch die Stamm-DJs:  Neben Eddy aus Kolumbien und dem griechisch-ukrainischen Duo Oriental Tropical sind dies Claus Fussek aus Kroatien und Sami alias DJ Danke mit anatolischen Wurzeln sowie der Deutsche Jonas Hühne. Als Siebter im Bunde hat Konstantin die Organisation übernommen.

Mittlerweile haben die „Mach mal langsam“-Macher, mit viel ehrenamtlicher Hilfe aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, mehrere Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet organisiert, auch zusammen mit anderen Kollektiven wie dem Fuchsbau, Peifensound und Schöne Töne. Regelmäßig bespielten sie das selbstverwaltete Haus Mainusch auf dem Campus der Uni Mainz, dem mittlerweile der Abriss droht. Auch die Planke Nord, wo „Mach mal langsam“ erstmals im Open-Air-Format ausprobiert wurde, ist Geschichte. Bei allen Schwierigkeiten, gute Locations zu finden, sind die Macher immer auf der Suche nach besonderen Orten: „Theater, Museum oder Bibliothek, nichts ist ausgeschlossen“. Ein besonders gutes Verhältnis pflegen sie zur Kreativfabrik. „Die haben uns einfach immer unterstützt“, erzählt DJ Janeck. „Bei unserem ersten Auftritt mussten sie sogar drauf zahlen und haben trotzdem weiter an uns geglaubt.“

Musik aus aller Welt – fern der Weltmusik-Klischees

Für die Zukunft wünscht sich das Team, noch mehr Menschen in den Bann zu ziehen. Mit einer Musik, auf die man sich einlassen muss: „Oft fehlt den Leuten noch das Verständnis für unsere Musik. Es ist alles noch zu neu.“ Auf Fremde wirke der Sound eher wie Chillout oder Downtempo aus den 90ern: „Oft wird gar nicht gesehen dass wir nicht einfach nur langsamen Techno spielen.“ Sie bezeichnen „Mach mal langsam“ als „neuen Weg, um die Menschen auf die schöne, bunte  Welt weit entfernter  Länder aufmerksam zu machen, ohne weltmusikalische Klischees zu bedienen.“ Ausverkaufte Partys und glückliche Menschen, die selig auch mal bis 11 Uhr morgens zusammen feiern, zeigen, dass Bummeltechno seinen Weg in die Ohren, Beine und Herzen findet. Wenn auch gaaaaanz langsam.

Die nächste „Mach mal langsam“-Party findet am 24. November in der Kreativfabrik statt.