Von Hendrik Jung. Fotos Projektteam Freiwilligentag.
„Ich bin mit einem weißen Blatt hin und mit einem Buch wieder rausgegangen“, blickt Janina Bergner auf ihren Einsatz beim Freiwilligentag vor fünf Jahren zurück. Obwohl sie seit ihrer Kindheit keinen persönlichen Kontakt mehr mit Menschen mit Beeinträchtigung gehabt hat, ist sie damals zum Apfeltag ins Christian-Groh-Haus nach Schlangenbad-Georgenborn gefahren. Dort leben fast dreißig erwachsene Menschen zwischen 25 und 70 Jahren mit geistigen und oder körperlichen Beeinträchtigungen. „Sie bleiben bis zum Lebensende bei uns und haben dann oft keine Verwandten mehr“, erläutert Regina Hacke, die Leiterin der Einrichtung. Deshalb sei man immer froh, wenn sich am Freiwillige finden, die bereit sind, ein bis zwei Mal pro Monat als Bezugsperson für eine Bewohnerin oder einen Bewohner wieder zu kommen, um mit ihnen spazieren oder ein Eis essen zu gehen.
Freiwilligentag mit Folgen: Sonderpädagogik statt Informatik
Bei Janina Bergner ist noch viel mehr daraus geworden. Sie hat in der Folge ihr Informatik-Studium, das sie nur gelangweilt habe, aufgegeben, um sich stattdessen für Erziehungswissenschaften einzuschreiben. Ihren Schwerpunkt hat sie dabei auf Sonderpädagogik gelegt. Nebenbei hat sie im Christian Groh-Haus gearbeitet, aber auch ihr ehrenamtliches Engagement beim wöchentlichen Ausflug ins Schwimmbad sowie während Freizeiten fort gesetzt. „Das Wechselspiel zwischen Theorie und Praxis fand ich gut“, blickt die 27-Jährige zurück. Noch bis Ende 2016 hat sie Freizeiten des Christian-Groh-Hauses begleitet. In diesem Jahr ist sie jedoch nach Rheinhessen gezogen und mit ihrer Abschlussarbeit beschäftigt gewesen. Sobald sie eine Stelle im sonderpädagogischen Bereich gefunden habe, wolle sie sich auch wieder in ihrer Freizeit engagieren. Die Teilnahme am Freiwilligentag hat ihr nicht nur klar gemacht, dass sie mit Menschen statt mit Maschinen arbeiten möchte, sondern auch ihr Interesse am Ehrenamt geweckt. Zu verdanken hat sie das einer Freundin, die damals an der Hochschule RheinMain studiert und den Freiwilligentag mit organisiert hat.
Studentisches Projekt
Seit 2009 wird dieser als studentisches Projekt in Kooperation mit dem Freiwilligenzentrum Wiesbaden ausgerichtet. In diesem Jahr gibt es mehr als 30 verschiedene Möglichkeiten, sich für eine soziale Einrichtung zu engagieren – unterteilt in „Aktiv-„; „Anpack-„ und „Knowhow“-Projekte. Bei Redaktionsschluss lagen 186 Anmeldungen vor, zahlreiche Projekte sind sichert, manche bereits ausgebucht.
An anderen Stellen sind jedoch noch Plätze frei oder gar die Durchführung gefährdet, weil noch Engagierte fehlen. Den Überblick gibt es hier – Spät-Entschlossene haben zum Beispiel noch die Möglichkeit, gemeinsam mit Geflüchteten in einer Unterkunft Gebrauchsgegenstände zu reparieren und in Austausch miteinander zu kommen (dies übrigens auch beim internationalen „Be Welcome“-Sommerfest des EVIM-Patenprogramms am 2. September auf dem Campus Klarenthal), bei einer Schnippeldisko im Klarenthal über das Schneiden von Gemüse hinaus Werbung für den Gebrauch des Stimmrechts bei den kommenden Wahlen zu machen oder mit pflegebedürftigen Senioren einen Ausflug zu unternehmen.
Neue Seiten im Buch des Lebens
Nicht für alle „Eintagshelden“ wird der Einsatz gleich den Lebensinhalt ändern, aber ein paar neue Seiten im Buch des Lebens könnten dabei durchaus beschrieben werden. „Am Ende haben alle Apfelkuchen gegessen, den sie gemeinsam gebacken haben. Egal, ob jemand einen Strohhalm zum Trinken gebraucht, im Rollstuhl gesessen hat oder Apfelkuchen nicht aussprechen konnte. Das war eine tolle Atmosphäre“, blickt Janina Bergner auf ihre Teilnahme zurück. Besonders geprägt haben sie auch die drei Monate, die sie daraufhin im südafrikanischen Kinderhospiz Löwenmut gelebt und gearbeitet hat. Dort hat sie gelernt, dass man nicht aufgeben sollte und auf die Stärken statt auf die Schwächen eines Menschen achten sollte. So wie bei dem kleinen Jungen, bei dem es hieß, dass er wegen einer Fehlstellung seiner Beine nie würde laufen können. Später ist er dort über den Hof gerannt. Ein kleiner Held, der die Hilfe von vielen anderen Heldinnen und Helden gebraucht hat. Und sei es nur für einen Tag.
Wer sich am 2. September spontan beim Freiwilligentag einbringen möchte, kann sich hier informieren, für welche Projekte noch Teilnehmer gesucht werden – und sich direkt online oder per E-Mail an info@eintagsheld.de anmelden.
Ich kann Janinas Bericht nur bestätigen. Einen Tag mal raus aus dem Büro und ungezwungen in eine ganz andere Welt eintauchen, öffnen einen die Augen.
Mein Weltbild war nach einem Tag Christian-Grohe-Haus um eine ganz neue Facette reicher.