Von Hendrik Jung. Fotos Kai Pelka.
„Vor Weihnachten haben die Menschen bis zur nächsten Straßenecke gestanden. Sie kommen aus einer Entfernung von bis zu hundert Kilometern hierher“, berichtet Ana Morar. Vor allem die rumänischen Fleisch- und Wurstwaren, viele ordentlich mit Knoblauch gewürzt, werden in ihrem kleinen Laden im Herzen von Dotzheim gerade von Kundinnen und Kunden, die eine weite Anfahrt haben, jedes Wochenende gleich kiloweise für die ganze Woche eingekauft. „Gustul de Acasa“, der Geschmack von zuhause, lautet der Name des Geschäfts, der gleichzeitig auch Programm ist.
Maismehl, Borsch und Steinsalz aus Siebenbürgen
Schwabenwein heißt etwa ein Cabernet Sauvignon aus dem Weinbaugebiet Banat. Fanta mit Traubengeschmack ist in Deutschland selten zu finden aber in Rumänien ausgesprochen beliebt. Und natürlich gibt es eingelegte Paprika, Gurken oder Blumenkohl. Hat die 52-jährige anfangs noch Sauerkraut im Geschäft selbst eingelegt, so verkauft sie heute eingeschweißte Kohlblätter, aus denen die Kundschaft dann die berühmten Krautwickel zubereiten können. Wichtig für die heimische Küche ist auch das Maismehl für die Polenta, der saure Borsch, der zum Kochen von Suppen verwendet wird, sowie das unraffinierte Steinsalz aus einer Mine in Siebenbürgen, mit dem beim Einlegen von Gemüse gleich noch Mineralstoffe zugesetzt werden.
Rund tausend Produkte bietet Ana Morar in ihrem Geschäft auf gerade mal 40 Quadratmetern Verkaufsfläche an. Die Ladengröße soll sich in Zukunft nach Möglichkeit erweitern, zumal der derzeitige Standort etwas versteckt liegt und auch die Parkplatzsituation nicht ideal ist. Gerne würde sie mit ihrem Laden in die Räume des ehemaligen russischen Supermarkts im Schelmengraben ziehen, doch bis jetzt bemüht sie sich vergeblich darum. Auf einer größeren Verkaufsfläche würde sie dann ein gemischtes Warenangebot anbieten, das auch die Vorlieben von Kundinnen und Kunden aus Russland, Polen und Deutschland bedient. Auch sie kommen zwar jetzt auch schon in den Laden, aber mit einem umfangreicheren Angebot wäre ihr Anteil an der Kundschaft sicher noch ausbaufähig. Bereits jetzt versorgt die Lebensmittelhändlerin auch russische Märkte wie Kliver in Wiesbaden-Biebrich. Rumänische Geschäfte beliefert sie gar bundesweit über ihren zweiten Laden, den sie vor rund einem Jahr in Hanau gegründet hat.
Eigenes Label in Planung
Schon bald sollen viele der Waren, die sie aus der Heimat importiert, bereits mit einem eigenen Label für „Gustul de Acasa“ ausgestattet, nach Deutschland angeliefert werden. Einmal pro Woche bringt ein ganzer Lastwagen dank getrennter Kühlsysteme sowohl Fleischwaren als auch andere Lebensmittel für sie nach Deutschland. Fünf Angestellte sind in der Filiale in Hanau beschäftigt, die auch Catering anbietet, zwei arbeiten in Dotzheim. Eine Erfolgsgeschichte für Ana Morar, die auch in Rumänien einst schon einen Laden und ein Restaurant geführt hat.
Bei Null angefangen
Vor vier Jahren ist sie mit der Familie, deren Kinder sie betreut hat, aus Spanien nach Flörsheim gekommen. Durch Zufall hat sie dann in Wiesbaden den Autoschlosser Alfred Ilinca kennengelernt. Er half ihr dabei, das Geschäft zu gründen und unterstützt sie auch heute immer gerne, wenn es etwas zu übersetzen gibt. „Sie hatte keine Chance, Geld bei der Bank zu bekommen. Also haben wir bei Null angefangen, mit dem Geld, das wir zusammenkratzen konnten“, blickt der 62-jährige zurück, der schon seit 1974 in Wiesbaden lebt. Trotz des vielfältigen Angebots des Marktes gibt es noch immer ein paar Dinge, die er aus der alten Heimat vermisst. Etwa den Geschmack von Tomatenpaprika. In einem größeren Laden würde er sich auch ein Sortiment mit rumänischen Spezialitäten bei frischem Obst und Gemüse wünschen. Selbst wenn er dann die riesige, den Laden dominierende Kühltheke, für die er vor drei Jahren hunderte Kilometer zu einer ehemaligen Metzgerei gefahren ist, noch einmal an einen neuen Standort schleppen müsste. Für noch mehr Geschmack aus der Heimat würde er diese Anstrengung gerne übernehmen.