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Verborgene Welten: Lachyoga

Von Martin Mengden
Fotos Simon Hegenberg

Vor ein paar Tagen stand ich auf den Rheinwiesen in Mainz-Kastel und wartete auf eine Lachyoga-Leiterin. Ich wollte an einem so genannten Lachtreff teilnehmen. Ich wusste, mir stand eine der härtesten Prüfungen meiner bisherigen Einsätze bevor, denn ich sollte lachen, einfach so, noch dazu mit fremden Menschen.
Als die Leiterin, Gudula Steiner-Junker, kam, erzählte sie davon, was Lachen für sie so alles sei; das war ihre Art des warm up. Eine ihrer Aussagen blieb mir in besonderer Erinnerung: Lachen habe eine subversive Kraft, sagte sie. Ich verstand nicht. Dann ging es los. Ich verlor den Verstand.


Jetzt, einige Tage später, erinnere ich mich bruchstückhaft an Szenen der Lachorgie: Wie wir uns strecken und die Arme ausbreiten. Wie wir umeinander herum hüpfen und uns gegenseitig anpieksen. Und wie wir, ähnlich eines Käfers, der versehentlich auf dem Rücken gelandet ist, Kopf an Kopf und mit angezogenen Beinen auf dem Rücken liegen und uns sanft hin und her wiegen. Und dabei Lachen, natürlich.
Wir lachten keinesfalls, weil wir uns über etwas freuten; worüber wir lachten, war schlicht nicht auszumachen – wir lachten über alles und nichts. Anfänger wie ich lachen bisweilen auch aus Scham und Absurdität, aber das macht keinen Unterschied. Es ist egal, worüber man lacht. Wir lachten mal künstlich, mal echt, es pendelte stufenlos hin und her; das Authentische ließ sich vom Unauthentischen nicht mehr trennen. Irgendwann lachte man kopflos.
Warum? Aus Perspektive des Lachyoga ist diese Frage schlicht nicht relevant. Denn das Lachen beim Lachyoga dient der Aktivierung ursprünglicher, kindlicher Freiheit an einem Ort, für den der Verstand nicht zuständig ist. Jedenfalls habe ich das so verstanden. Das Lachyoga-Lachen lässt sich deshalb gut mit dem Tanzen vergleichen: Man tanzt, weil es Spaß macht und es macht Spaß, weil man tanzt. Was zuerst war, Ei oder Henne, lässt sich gar nicht sagen und ist auch unwichtig. Das Warum beantwortet sich damit sozusagen selbst.
Lachen also als Sedativum, als Realitätsflucht? Genau umgekehrt: Lachen als Tunnel ins Unbewusste, als Medium unter anderem ins Reich der Verdrängung: Man tritt ein, bringt etwas Brennendes mit und löscht es oben mit einem dümmlichen, infantilen Hahaha. Über das Erloschene kann man später noch nachdenken. Lachen als Teil von einer Kraft, die gar nichts will und stets das Gute schafft. In diesem Akt des Unverstandes liegt wirklich ein Funken Rebellion, denn hierin versteckt sich eine kindliche Auflehnung gegen das deterministische Moment des Erwachsenseins, gegen die so unreflektierte wie festgefahrene Konvention: So wird´s gemacht? So habe ich es immer gemacht? Echt? Hahaha! Urkomisch!
Und dann macht man es vielleicht anders.
Der beeindruckendste Teil des Lachens aber ist der empathische Teil. Beim Lachen sind wir alle gleich, wie nackend in der Sauna, und Freunde wie Fremde sagen gleichermaßen: ich verstehe dich nicht, aber du bist ok. Dazu passt, dass die Teilnehmer des allwöchentlichen Lachgelages auf den Rheinwiesen seit der Gründung 1997 noch von keinem Wiesennachbarn angefeindet wurden.

Den Ernst in den Blicken der Leiterin und auch der Teilnehmer empfand ich zunächst als seltsam. Mittlerweile sehe ich darin keinen Widerspruch mehr. Clowns sind eben so ernst wie Romantiker melancholisch sind.
Dann gab es da noch die eigentlich eindrucksvollste Übung des Lachtreffs: Wir liefen im Kreis, klopften unserem Vordermann unaufhörlich auf den Rücken und sagten mantraartig anerkennende Worte wie „gut gemacht! Toll! Super! Richtig gut!“.
Lachend und lobend, so lässt sich das Leben überstehen.

Lachtreff Mainz/Wiesbaden, mittwochs 19 Uhr, Rheinwiesen Mainz-Kastel, Höhe Eleonorenstraße 2, www.yogalachen.de

Martin Mengden, 27, Musiker, Flaneur und bekennender Jungjurist, öffnet in der Rubrik „Verborgene Welten“ Türen zu Wiesbadener Sub-Welten, durch die nicht jeder auf Anhieb gehen würde.