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Wiesbaden ist Schlachthof! Ein Glück, diese neue Halle

So viel Glück auf einem Haufen, das hat man – wenn überhaupt schon mal – schon lange nicht mehr so erlebt in Wiesbaden wie am Freitag: dem Tag der Einweihung der neuen großen und  – ein Glück, dass wir das uneingeschränkt verkünden können – großartigen Schlachthof-Halle. Schon bei der nachmittäglichen Einweihungsfeier mit geladenen Gästen überschlugen sich die Redner geradezu mit Lob. Beim ausverkauften Eröffnungskonzert am Abend war es ebenso schwierig, irgendjemanden zu finden, der irgendetwas auszusetzen hätte an der neuen Halle. „Wie geil ist das denn“, hatte SEG-Chef Andreas Guntrum auf seinem T-Shirt stehen und brachte damit die Stimmen des Abends auf den Punkt. „Ich bin Schlachthof“ stand auf dem Aufkleber, den er sich dazu geklebt hatte und der die Stimmung auf den Punkt brachte. Wiesbaden ist Schlachthof, dieses glückselige Gefühl durchströmte den Abend und die lange Nacht, und – und das war in den letzten Jahren und Jahrzehnten ganz und gar nicht selbstverständlich: Schlachthof ist Wiesbaden.

Vom Schmuddelkind zum Standortvorteil

Am Anfang also reichlich Reden. Der OB sprach – und kriegte sich, ganz anders als einst sein Amtsvorgänger und Parteikollege Hildebrand Diehl, der sich öffentlich für den Schlachthof schämte, gar nicht mehr ein in seinem Lob. Dieses galt der neuen Halle, natürlich, und allen, die für den Neubau, der im Zeit- und Kostenrahmen blieb, verantwortlich waren und sind. Sein Lob galt aber ganz ausdrücklich auch dem Schlachthof als Institution und seinen Machern. Der OB erklärte den Schlachthof zum Standortvorteil dieser Stadt – denkwürdig deshalb, weil der Schlachthof lange Zeit von weiten Teilen der Stadt(-politik) als so etwas wie das Schmuddelkind unserer Stadt gesehen und entsprechend behandelt wurde. Und heute? Werden locker Millionen locker gemacht, um eine neue Halle hinzustellen, die man getrost als „State of the Art“ bezeichnen kann und die dabei – und das ist vielleicht das größte Kunststück, das den Verantwortlichen gelungen ist – auf Anhieb das Flair hat, das auch die alte Halle ausmachte und dessen Verlust am meisten befürchtet wurde. Stattdessen: obwohl nagelneu, fühlt man sich mit dem Moment des Betretens wohl und zuhause, und entsprechend wurde bei der Öffnung am Abend von den Besuchern auch und völlig selbstverständlich jeder Winkel des weiträumigen Gebäudes umgehend in Besitz genommen.

Mega-Discokugel

Wären nicht überall diese besonders glücklich erscheinenden und ziemlich aufgeregten Gesichter gewesen, hätten sich nicht ständig und überall irgendwelche Leute strahlend in den Armen gelegen, man wäre kaum auf die Idee gekommen, dem allerersten Konzert, der allerersten Party in dieser Halle beizuwohnen. Glücklich und aufgeregt erschien auch die Band, die als allererste auf der neuen Bühne stehen durfte – die für diesen Anlass reaktivierten Ska-Punk-Soul-Helden von Frau Doktor, die mit Konfettikanonen vom Schlachthof-Team auf der Bühne begrüßt wurden und anschließend ein grandioses Konzert hinlegten. Ein weiterer Star des Abends war die megagroße Diskokugel, die aber – so verriet uns Booker Carsten – nur eine Leihgabe ist und im Dezember wieder abgehängt wird. Aber keine Bange, auch die künftigen Hängeobjekte dürften für beeindruckte Blicke und reichlich Gesprächsstoff sorgen.

Räucherkammer-Rettung 

Weitere glückliche Momente des Glücksabends: Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz überbrachte als Einweihungsgeschenk die Nachricht, dass ihr der Stadtkämmerer (aka OB) erlaubt habe, Haushaltsmittel so umzuschichten, dass die erforderlichen Maßnahmen für den Weiterbetrieb der derzeit zwangsgeschlossenen Räucherkammer ermöglicht wird. Großes Hurra für 80000 Euro!

Bürgermedaille für „den Hans“

Und riesengroßer Jubel für „den Hans“, der rund um den Schlachthof nicht nur fleißig Flaschen sammelt, sondern als gute Seele, Aufpasser, Vermittler und auf jeden Fall als Kultfigur fungiert – er wurde von Oberbürgermeister Helmut Müller auf die Bühne gebeten, er bekam aus den Händen des Stadtoberhauptes die Bürgermedaille überreicht. Und er korrigierte den OB, als dieser beeindruckt berichtete, der Hans habe, obwohl er keinen Computer besitzt, 1000 Facebook-Freunde: „Es sind 2000“, stellt der Hans klar und hielt – wie alle vom Schlachthof an diesem Abend mit witzigem Partyhütchen ausgestattet – eine kurze knackige Rede (und ging später am Abend wieder wie gewohnt seiner Hauptbeschäftigung nach). Ein Glück für künftige Künstler, die im Schlachthof auftreten werden, sind die Backstageräume, die so liebevoll und heimelig hergerichtet sind, dass sie den Charme von Ferienwohnungen haben.

The Blind Circus planen den geilsten Proberaum

Glücklich und offenbar genau wie das Schlachthof-Team mit frischen Motivationsschüben ausgestattet sind auch die Bands, die neue Proberäume in der ersten Etage beziehen durften. Wir trafen bei der Eröffnungsparty die Jungs der Wiesbadener Rock´n´Roll-Instanz The Blind Circus. „Drüben in der alten Halle hatten wir nie eine Motivation, etwas aus unserem Proberaum zu machen. Jetzt haben wir den Ehrgeiz, dass unser Proberaum der geilste von allen wird“, kündigte Gitarrist Ben Raumgestaltungsmaßnahmen an, die für Furore sorgen sollen. Später trafen wir noch Pressesprecher Hendrik an einer der drei gelungenen Bars und schwärmten von einem „fulminanten Auftakt“. „Genau das habe ich gerade in die Pressemitteilung geschrieben“, entgegnete er. Auch ein Glück, wenn sich Macher und Medien so einig sind.

Ein Glück für das Publikum ist, dass es von nun an endlos Gelegenheiten hat, diese großartige neue Halle zu erleben und in dieser Halle Großartiges zu erleben. Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz wagte gar die Prognose, dass der Schlachthof mit dem Potenzial der neuen Halle künftig dem Staatstheater den Wiesbadener Besucherzahlen-Thron streitig machen könnte. Gleich heute Abend  bietet sich Fans herausragender Livemusik  erneut Gelegenheit, die Besucherbilanz zu füttern. Dann geht es weiter im Eröffnungsmarathon mit dem Konzert von Calexico. Und: es gibt – anders als beim Eröffnungskonzert – noch Karten!

www.schlachthof-wiesbaden.de

Fotogalerie in Kürze auf www.facebook.com/sensor.wi

(Text + Fotos Dirk Fellinghauer)