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Der 360-Grad-Mann – Lothar „Loti“ Pohl überraschend verstorben: Musiklegende, Unternehmer, Gutestuer

Von Dirk Fellinghauer. Fotos Vincent Brod.

Es gibt diese Menschen, bei denen kommt man gar nicht auf den Gedanken, dass sie irgendwann auch mal sterben müssen. Lothar „Loti“ Pohl war so einer. Dass er nun, völlig überraschend, verstorben ist, klingt auch mit einem Tag Abstand nach der Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer verbreitete, unwirklich. Lothar Pohl war Wiesbadener Musiklegende, als Sänger der Kultband die Crackers und anderer Formationen. Er war aber auch Unternehmer, Gutestuer, und einfach ein genialer Typ.

„Ich muss euch, allen Fans und Freunden, die für uns alle unfassbare Nachricht weitergeben, dass unser guter Freund, unser lieber Kollege und seit 44 Jahren Sänger unserer Band Die Crackers, Lothar Pohl, in der vergangenen Nacht von uns gegangen ist“, schrieb Stephan Ohnhaus am Dienstagnachmittag im Namen der Band auf der Crackers-Facebookseite – und: „Lothar schien mir manchmal irgendwie fast sowas wie unsterblich, wie er durchs Leben gewirbelt ist, so voller Power und Elan.“ Tausende teilten die traurige Nachricht innerhalb kürzester Zeit, schnell füllten sich Kommentarspalten mit Ausdrücken der Trauer und Fassungslosigkeit, aber auch mit unzähligen Anekdoten von Fans, Freunden und Weggefährten.

Im Teenageralter Band gegründet – bis ins Rentenalter ihr Frontmann

Bekannt war Loti Pohl, und das weit über Wiesbaden hinaus, vor allem wegen der Crackers. Diese Band hatte er 1979, im Teenie-Alter, gemeinsam mit Johannes „Hansi“ Maloleszy, Stephan Ohnhaus, Peter Richter und dem ebenfalls 2023 verstorbenen Jürgen Weiner gegründet. Sie starteten durch, landeten im Radio, im Fernsehen und in den Charts, auf Konzertbühnen sowieso – und in den Köpfen und Herzen unzähliger Fans. „Wer seine Jugend in den 80er-Jahren im erweiterten Rhein-Main-Gebiet verbracht hat, der konnte die ersten drei Alben der Crackers auswendig mitsingen“, beschreibt Michael Caspari heute in einem wunderbaren Nachruf auf hessenschau.de, welchen Status die Wiesbadener Band in ihren Anfangsjahren hatte – und im Grunde nie wieder verlor.

Die Crackers, auch wenn dies auf den ersten Blick so scheinen mochte und wenn jeder Auftritt zum Abriss wurde – „Stecker rein und alle Knöpfe auf zehn, dann kann die tierische Post abgeh´n“ … – , waren immer weitaus mehr als eine bloße Spaßcombo.

So witzig wie relevant

In dieser Kapelle, wie sie sich selbst bezeichneten, waren exzellente Musiker am Werk, ihre auf vier Studioalben – „BRDigung“ (1981), „Kamikaze (1983), „Besser küssen“ (1995) und „Planet der Lackaffen“ (1993) – und auf unzählige Konzertbühnen gebrachten Songs, die Partykracher wie auch die Balladen, steckten voller genialer Texte.

„Klassenfahrt zum Titisee“, „Pornokino“, „Herr Kardinal, ham Sie schon mal“, „Nehmt den Jungs die Mäuse ab“ … Texte voller (Wort-)Witz, aber auch mit Relevanz. Wie Loti selbst sagte, haben die Crackers „schon immer über Themen gesungen und musiziert, die im direkten Kontext zu den aktuellen Headlines von Gesellschaft und Kultur standen“. Die aber auch über aktuelle Headlines hinaus über Jahre und Jahrzehnte ihre Frische bewahrt haben.

Auch jenseits der Jugend nie peinlich

Das zeigte sich bei den Comebacks nach den Auszeiten der Band. Auch längst jenseits des Teenageralters wurde das nie peinlich, was die nicht mehr wirklich jungen Jungs da veranstalteten. Es war eben Kult, machte den Musikern so viel Spaß wie ihren Fans und kam bis zuletzt – ob auf kleineren Bühnen, in Kerbezelten oder in der Brita Arena – authentisch rüber.

Neue Idee, neuer Erfolg – das „Schinderhannes“-Musical

Ein „Hit“ wurde auch Lotis jüngstes Projekt, das von ihm erdachte und mit den Crackers und zahlreichen weiteren Akteuren realisierte Rockmusical „Schinderhannes“. Ein ehrgeiziges Vorhaben, das „funktionierte“ und das im Sommer dieses Jahres auf mehreren Bühnen begeistert gefeiert wurde.

Palast Promotion gegründet und mitgeprägt

Nach der „ersten“ Crackers-Karriere und parallel zur späteren Zeit der Band war der gelernte Bankkaufmann Lothar Pohl auch – und ebenfalls äußerst erfolgreich – Unternehmer : Gründer und bis zum Ausstieg in Freundschaft Ende 2021 gemeinsam mit Michael Stein Geschäftsführer der Veranstaltungsagentur Palast Promotion, zuletzt gemeinsam mit Sheela Berigai rühriger Macher von „360 Grad Kultur – Die Erlebnisgestalter“.

Vielfach aktiv

Musiklegende und Geschäftsmann war der Loti also, aber auch noch so vieles mehr. Radiomoderator, Stadionsprecher, Hymnenschreiber (für die SPD Hessen „Die Zeit ist reif“ im 2007-er-Wahlkampf, „Wir haben einen Traum“ für den SV Wehen Wiesbaden), „Wirtschaftsclub Frankfurt Rhein-Main“-Vorstandsmitglied, Hochschul-Dozent, Klimabotschafter, „Night of Music“-Beteiligter, Stadtfest-Miterfinder, Rudelsänger, Ukulele-Spieler (als einer von „zehn berühmten und berüchtigten Musikern“ der Formation The Stagies), natürlich auch Privatmensch, als solcher Hobbygärtner, Pilot, Reisender und seit kurzem stolzer Opa.

Loti war Rampensau und Menschenfreund. Er verstand zu genießen, ließ es sich gut gehen und teilte sein Glück – aber auch seine Sorgen um den Zustand der Welt und des Miteinanders – mit anderen, war vielfach ehrenamtlich engagiert. Er war Biebricher Bub und lebte zuletzt auf dem Land, draußen in Burgschwalbach, aber stets eng mit Wiesbaden verbunden und sowieso auf der Welt zuhaus´. Er war, so kann man in Anlehnung den Namen seiner Firma sagen, ein 360-Grad-Mann.

OB würdigt grenzenlose Kreativität

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende würdigt den Verstorbenen auf seiner Facebook-Seite als „ein prägendes Gesicht der Wiesbadener Kultur“ und erinnert auch an sein „ansteckendes“ großes Engagement für Soziales, etwa für die Rollstuhl-Basketballer der Rhine River Rhinos. „Vor allem aber waren es seine warmherzige Ausstrahlung und seine grenzenlose Kreativität, die ihn ausgezeichnet haben“, bemerkt das Wiesbadener Stadtoberhaupt in Erinnerung an „an unglaublich viele wunderbare Begegnungen.“

Rodgau Monotones erinnern an unglaubliche positive Energie

„Es ist zum wahnsinnig werden, aber wir kriegen ihn nicht zurück“, schreiben die Rodgau Monotones in ihrem Nachruf auf den Kopf ihrer „Schwesterband“ Crackers  („immer tempomäßig etwas schneller, gutgelaunt und jedes Mal am Start, wenn es drauf ankam“) – und erinnern an die Anfänge  – als die „Wiesbadener Fraktion“ Tanztees auf dem Neroberg veranstaltete – und an spätere Erlebnisse, Ereignisse und Anekdoten rund um die „Wiesbadener Institution“. Zum Beispiel, „als (Rodgau Monotones-Sängerin) Kerstin hochschwanger nur noch teilweise einsatzfähig war, sprang er ohne mit der Wimper zu zucken bei uns als Aushilfe ein, eine unglaubliche positive Energie, ein unheimlich weiter Horizont, eine unerschütterliche Selbstironie.“ Oder „als er 2018 bei unserem 40-Jährigen `Nessun Dorma´ sang, das gleichzeitig Verarschung und total ernstgemeint cool … halt Lothi.“

Palast Promotion dankt für Inspiration und Innovation

„Danke, für viele Jahre Freundschaft, Inspiration, Vordenken, Hilfsbereitschaft, Musik, Innovation, Erlebnisse, als Kollege und vieles mehr“, sagt das Team von Palast Promotion. Der Schock sitze noch zu tief, um angemessene Worte für den Verlust ihres ehemaligen Geschäftsführers Lothar Pohl zu finden. „Auch nach seinem Ausscheiden Ende 2021 hatten wir stets einen engen Kontakt zu ihm – Aus Freundschaft, als Teil der Night of Music und vor allem als Partner seiner Kulturprojekte, denen er sich nach seiner Palast Ära voller Leidenschaft hingeben konnte.“
Dieser Energiebolzen hatte noch richtig was vor
„Das Engagement für innovative Events, gelebte Kultur, soziale Projekte und die Musik zogen sich wie ein roter Faden durch sein Leben“, formuliert das Palast Promotion-Team treffend. Und nun ist dieser 360-Grad-Mann gestorben. Einfach so, nachdem er sich am Abend vor seinem überraschenden Tod noch auf Facebook – ironischerweise und auch irgendwie schönerweise – „mit Freude, oh ja“ an seine „allererste Musikproduktion – 1974“ – das „domizil Folkfestival in der Moritzstraße“ – erinnert hatte.
„Only the good die young“ ist man fast versucht, diesen alten Rock´n´Roll-Spruch zu bemühen. Und liest dann doch erstaunt (auch wenn es, wenn man 1 und 1 zusammenzählt, ja logisch ist), dass Loti tatsächlich schon 70 war. Nicht mehr wirklich jung, aber trotzdem noch kein Alter zum Sterben. Schon gar nicht für einen solchen Energiebolzen, der mitten im Leben stand und noch richtig was vorhatte.
„Entschuldigung für Alles!“ zitiert der Witzbold sich selbst in seiner (selbst-)ironischen Art auf seiner Homepage. Völlig ironiefrei kann der letzte Gruß an Loti natürlich kaum anders lauten als: „Danke für alles!“.

 

3 responses to “Der 360-Grad-Mann – Lothar „Loti“ Pohl überraschend verstorben: Musiklegende, Unternehmer, Gutestuer

  1. Ich kenne Lothar schon so lange , sein Bruder war meine Jugend liebe 🥰..
    ein Mensch verläst die Erde 🌍 und jetzt is er Weg 🌈

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