Von Anna Engberg. Fotos Kai Pelka.
Romain Wyndaele (28) hat für sich die perfekte Balance durch Kombination mehrerer Jobs gefunden: Laufen, Modeln, Kaffee kochen – und mit all dem Geld verdienen. Eine Einkommensstrategie, die funktioniert. Der französische Sportler empfängt uns in einer stilbewusst eingerichteten Dachwohnung in der Kellerstraße.
Designerstück? Eigenbau!
Zwischen großen Monstera-Pflanzenkübeln auf einer weit ausladenden, weißen Couch vom hiesigen Möbelhaus nehmen wir Platz mit Blick auf die schicke Kaffee-Theke im Industrial Style. Romain serviert uns Espresso in dunkler Keramik. Border Collie-Hündin Shelby kuschelt sich derweil unter dem Couchtisch in Marmor-Optik zusammen – ein Designerstück, könnte man meinen. „Ich habe den aus Terrassenfliesen selbst gebaut“, erzählt Romain begeistert: „für 15 Euro pro Platte“.
Lieblingsplatz Kaffee-Bar
Romain Wyndaele kommt ursprünglich aus Nordfrankreich, lebte lange in Burgund und jetzt in Wiesbaden. Die Liebe hat ihn hierhergeführt. Auf insgesamt 70 qm wohnt er mit seiner deutschen Freundin Giulia. Das Paar teilt sich im Bergkirchenviertel zwei Zimmer plus Ankleide, Küche und Bad. Und das seit gut einem Jahr. Was er an seinem neuen Zuhause am liebsten mag? „Die Kaffee-Bar natürlich“, lacht Romain: „Sie ist auch das Einzige, was ich aus der alten Wohnung mithergebracht habe.“
Was er einmal werden wollte, wusste Romain als Teenager noch nicht: „Ich war immer der sportliche Typ“. Dem französischen Abitur folgten ein VWL-Studium und drei Jahre als Team-Manager eines Laufshops. „Parallel dazu wurde ich richtig gut im Laufen“, erinnert er sich. „Eigentlich wollte ich immer Trail Running in den Bergen machen“, gibt er zu: „doch ich fand Freude an der kurzen Strecke und habe mich deshalb darauf spezialisiert, erst einmal `fast on flat´zu werden.“
Training im Nerotal
Aktuell trainiert Romain rund zehn bis zwölf Mal pro Woche, meist 10 bis 12 km im Wald, gern im Nerotal. Oft dabei: Hündin Shelby. Vor gut drei Jahren gewann Romain die französischen Meisterschaften über 1500 Meter – der Höhepunkt seiner bisherigen Laufkarriere: „Direkt danach fand ich einen Sponsor und wurde fürs Laufen bezahlt“, erzählt er. Mit zunehmender Bekanntheit erhielt er Gelegenheit, Fotoshootings für Marken zu machen: „Das gefiel mir – bietet mir aber nicht genug Sicherheit und Abwechslung.“ Also habe er zusätzlich viel für Social Media getan. „Ich möchte zeigen, dass ich mehr als nur ein Sportler bin“, beschreibt er das Konzept seines Insta-Accounts mit aktuell gut 41.000 Followern. Beim Schnelllauf will sich Romain noch steigern – auf „richtig gute Zeiten“. Und dann auch die Langstrecke toppen. Seinen ersten Marathon hat er beim Berlin Marathon 2024 hinter sich gebracht. Und das direkt mit einer Werbekampagne für New Balance und Zalando kombiniert.
Tattoos brachten Model-Aufträge
Überhaupt: Romain kommt viel herum. Allein dieses Jahr war er zweimal im südafrikanischen Capetown, unter anderem für Decathlon und die Schweizer Laufschuh-Marke ON. „Mal sind es drei Shootings pro Monat, mal drei Monate keins“, erzählt er: „Trotzdem erziele ich mit dem Modeln übers Jahr gesehen mehr Einkommen als mit meiner festen Arbeit als Barista“. Inzwischen ist er auch nicht mehr an einen Sponsor gebunden.
Genau wie seine Karriere, so sind auch Romains Tattoos ein Gesamtkunstwerk: „Ich wollte schon als Teenager immer Tattoos haben, weil ich sie ästhetisch finde, aber meine Eltern haben es mir nicht erlaubt“, erinnert er sich und verrät: „Als ich 24 war, wurde mein Bruder Tattoo-Künstler, und wir legten direkt los. Das war gar nicht so leicht, denn ich bin sehr empfindlich und mag keinen Schmerz.“
Kaffeeliebe startete in Mainz
Zum Kaffee gekommen ist Romain, wie er berichtet, aus Liebe zum guten Geschmack. „Ich hatte noch nie eine Kaffeemaschine berührt, war aber regelmäßiger Gast bei UKIYO in Mainz und wollte mehr über guten Kaffee wissen.“ Durch learning by doing wurde er dort zum Barista – heute ist Romain Head Barista bei Maldaner Coffee in Wiesbaden, wählt für das traditionelle Kaffeehaus Bohnen für den Spezialkaffee aus, trainiert andere Baristas und assistiert bei Seminaren wie „Espresso Extraction Basics“ und „Latte Art“ in der Brew & Espresso-Bar in der Hellmundstraße. Auch bei Cupping Sessions ist er regelmäßig vor Ort in der Eventlocation und ehemaligen Rösterei anzutreffen – inzwischen röstet man nämlich in Darmstadt.
Traum vom eigenen Shop
Hat er Zukunftspläne? Eines Tages möchte Romain seinen eigenen Coffee Shop eröffnen – wenn seine Karriere als Läufer beendet ist. Wo? Da ist der Franzose noch ganz offen. Seine Freundin, die er bei ihrem Erasmus-Jahr in Frankreich kennengelernt hat, möchte Lehrerin werden. „Mal sehen, wo wir dann Fuß fassen“, sagt er und lächelt besonnen.