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Alles ergibt sich – Probenbesuch bei Ida Flux / Diesen Sonntag Performance-Premiere bei Maifestspielen im NKV

Von Christina Langhammer. Fotos Kai Pelka.

Wiesbaden hat ein neues Performance-Ensemble. Probenbesuch bei Ida Flux – an diesem Sonntag zu erleben bei den Maifestspielen im Nassauischen Kunstverein.

Rund zwanzig Personen sitzen überall im Raum verteilt, als das Ensemble Ida Flux seine erste öffentliche Probe abhält. Auf dem Boden des art.ist in der Walkmühle große Perserteppiche, die vier Darstellerinnen sind in weiße Overalls gehüllt. Sie sehen aus wie Malerinnen – wäre da nicht ihr auffälliges buntes Augen-Makeup.

Mareike Buchmann, freie Performance- Künstlerin und Doktorandin der Kunstwissenschaft wie auch Gründerin von Ida Flux, hat das Ensemble im Rahmen der ersten Konzeptionsförderung 2022 der Stadt Wiesbaden gegründet. Sie erklärt, dass die Vorstellung aus drei Akten besteht. Dass alles improvisiert ist und sich entsprechend ergibt. Zur Einstimmung: eine Achtsamkeitsübung.

Stiller Blick nach innen

Alles wird still und jeder richtet seinen Blick nach innen, hört auf den eigenen Atem. Die Künstlerinnen setzen neben Tanz und Stimme auch Instrumente ein. Lina Hartmann sitzt mit ihrem Saxofon auf einem Hocker, Rebecca Pitter am Flügel im hinteren Teil des Raumes und Felicitas Baumann mit ihrer Geige zwischen den Besuchern. Stille. Dann erklingt ein Ton, Mareike und Lena beginnen mit statischen, einfachen Bewegungen. Es folgen kurze Melodien, die sich mit einfachen Tonfolgen abwechseln. Die beiden Tänzerinnen spielen mit Nähe und Distanz in der Mitte des Raumes auf dem Boden. Alles wirkt reduziert, fast geometrisch und minimalistisch. Die Tänzerinnen greifen in den Flügel, verformen die Töne, liegen auf dem Boden, um dann wieder in monotone Bewegungsabläufe zu verfallen.

Bizarres Spiel mit Klang und Tanz

Es wirkt bizarr, das experimentelle Spiel mit Klang und Tanz. Ida Flux ordnet sich dem Spektrum der Fluxus-Bewegung zu – gegründet in den 1960ern, um gegen die elitäre Hochkunst zu demonstrieren. Fluxus integriert als Aktionskunst Musik, Bewegung und Handlung und beinhaltet collagenartige, komponierte Geschehensabläufe. Es kommt dabei weniger auf das fertige Kunstwerk an und mehr auf die Idee, den Prozess dahinter. Ein Handywecker klingelt. Der erste Akt ist zu Ende.

Alles an diesem Abend scheint anders zu sein und nicht den Erwartungen klassischer Tanz-Performances entsprechend. „Das Thema ist die Stille“, erklärt Mareike Buchmann. Ist es dafür nicht sehr laut gewesen? Genau das sei die Frage, so die Performerin: Ob es leise sein muss, um Stille zu erleben. „Wir wollten innerlich still werden, um auf uns selbst und die anderen im Raum achten zu können. Bei einer Improvisation muss ich immer in Kontakt sein mit meinen Mitspielerinnen. Dafür brauchen wir eine innere Haltung der Stille und Achtsamkeit“, erklärt Lena Kunz direkt nach der Performance, als alle zum offenen Dialog eingeladen sind.

Schmatzen, Glucksen, Lachen

Im zweiten Akt wird geschmatzt, gegluckst, opernähnliche Gesänge wechseln sich ab mit Lachen, Gesprächsfetzen, Summen und Geräuschen, die die Münder erzeugen. Im dritten Akt darf das Publikum aktiv mitmachen. Die Darstellerinnen stellen ihren Herzschlag und ihre Atmung grafisch dar. Dies soll nun durch Geräusche vertont werden. Alle die mitmachen wollen, setzen sich gemeinsam auf den Teppich in der Mitte. Ein Summen und Vibrieren erfüllt den Raum. Geräusche, Pfeifen, Gesang, Quietschen, Schnaufen, – ein fröhliches Orchester an absurden Lauten.

Mit Konventionen brechen

Was Fluxus ist und wie man einen Zugang dazu findet, frage ich Mareike, die auch als Dozentin für Tanz arbeitet. Die Mittvierzigerin erklärt es so: „Fluxus ist spielerisch, es soll mit Konventionen brechen, es wirkt so leicht und verspielt, dabei geht es immer auch um komplexe Themen. Es soll ein anderes Denken und einen anderen Zugang zu Kunst schaffen.“

Besonders an der Arbeit im Ensemble gefällt ihr, dass sie das Publikum von Anfang an dem Prozess teilhaben lassen kann. Was die Performerinnen bewirken möchten? „Am schönsten wäre es, den Zuschauer in einen anderen Zustand zu bringen, ihn teilhaben zu lassen an unserem Zustand. Unkonventionell zu sein für eine gewisse Zeit.“

Im Rahmen der Maifestspiele will Ida Flux nun ein Nest bauen als Bühnenperformance – und in der Besetzung Felicitas Baumann, Mareike Buchmann, Lina Hartmann, Lena Kunz, Rebecca Pitter, Lara Regula gemeinsam mit dem Publikum künstlerisch herausfinden, ab wann man Teil von etwas ist und wie es sich anfühlt, ein Nest mit dem öffentlichen Raum zu teilen. Ein Zuschauer war tief berührt vom Erlebnis der Probe: „Ich konnte spüren, wie eng die Verbindung zwischen den Darstellerinnen war. Es war fantastisch, ich wurde sofort aufgenommen in diese Verbundenheit.“

Und was bedeutet Ida Flux? Mareike erklärt, dass Ida der Name ihrer Großmutter war, die sie nie kennengelernt hat, sich jedoch viel mit ihr beschäftigt hatte. Flux soll das Fließen beschreiben, das Fluide. „Wir müssen noch herausfinden, wer Ida Flux genau ist. Wie wir uns alle damit identifizieren können.“

„Stücke für Stille und Begegnung“ Performance, Premiere im Rahmen der Maifestspiele, Sonntag 7. Mai, 15 bis 18 Uhr, Nassauischer Kunstverein,  Wilhelmstraße 15, Eintritt frei. 

Das volle Programm und alle Infos zu den Maifestspielen hier.