Von Kea von Garnier. Fotos Tim Dechent.
Der Mensch mag´s grün. Diese Farbe assoziieren wir mit Hoffnung und Zuversicht. Kein Wunder also, dass es den homo urbanicus trotz Liebe zur schicken Stadtwohnung und dem Komfort des schnell erreichbaren Einkaufscenters an freien Tagen – oder auch nur in freien Minuten – ins Grüne zieht. Mit Butterblumen zwischen den Zehen und Schäfchenwolken am blauen Himmel lässt der Städter gern die Seele baumeln. Mal grillend, mal chillend, mit der Lieblingslektüre oder dem Federball-Schläger – wo man in Wiesbaden am besten liegt: wir haben’s getestet!
WARMER DAMM
Eingerahmt von der stilvollen Kulisse von Wilhelmstraße und Theaterfassade, bietet der Warme Damm ein Plätzchen für alle, die stadtnah und bequem entspannen wollen. Während in den sonnigen Abendstunden Anzugträger fröhlich mit schlenkernden Aktentaschen auf den knirschenden Kieswegen in den Feierabend eilen, ist das gepflegte Grün Meeting-Point der Jugend. Aisa, 15 und Sophie, 18, die den Warmen Damm vor allem wegen seiner zentralen Lage schätzen, kommen regelmäßig: „Sobald es warm genug ist, schauen wir hier vorbei. Eigentlich trifft man immer jemanden, den man kennt.“ Hier geht es um’s gesellige Zusammensein, darum, die Sonne zu genießen oder eine Runde Karten zu spielen. Verpflegung gibt es in der schnell erreichbaren City, eine behindertengerechte Toilette gegen 50 Cent an der Wilhelmstraße am Theaterparkplatz West.
Fazit: Brot für die Enten am Teich einpacken, im Kleeblatt-Urwald das Glück suchen und über Gott und die Welt philosophieren.
DÜRERPARK
Der romantische Park mit kuscheliger Wiese und dem plätschernden Bachlauf in seiner Mitte ist Anziehungspunkt für Familien, die mit den Kids zwischen Wiese und angrenzendem Spielplatz pendeln, aber auch für Singles, Pärchen und Cliquen. Das Dixieklo ist gewöhnungsbedürftig, aber immerhin vorhanden. Kinderlachen mischt sich mit idyllischen Gänseschnattern am See und dem Gekläffe herumtollender Hunde. Am Wochenende gibt es hier großes Picknickdecken-Patchwork und Tupperdosen in allen Formen und Farben mit allerhand mundgerechten Köstlichkeiten für den Nachwuchs. Anschluss finden hier Eltern und Sprösslinge spätestens, wenn der Spielzeugbagger von der Nachbardecke stibitzt wird. Neben den Joggern, die den Park unablässig geschäftig schwitzend umkreisen, verteidigen sich asiatische Kampfkünstler barfuß im Gras gegen unsichtbare Gegner. Schön nostalgisch: Wenn der Eismann vorfährt, versetzt sein Bimmelimelimm auch die Großen zurück in die Kindheit.
Fazit: Mary Poppins hätte ihre helle Freude! Entspanntes, pittoreskes Familien-Idyll, auch als Zwischenstopp auf dem Weg vom oder zum „Äbbelwoi Schmidt“ geeignet.
GRUNDWEG/MOSBACH
Zugegeben: Für Naherholung ist die Erich-Ollenhauer-Straße mit ihrem Plattenbaucharme nicht gerade bekannt. Trotzdem ist sie unser Geheimtipp unter den Liege-Erlebnissen. Wer am Park & Ride aus Bus oder Auto aussteigt, findet sich binnen weniger Gehminuten auf dem Grundweg zwischen grüner Wiese und blühenden Schrebergärten wieder. Hier gibt es Platz und Sonne satt, im Hintergrund gurgelt fröhlich der Mosbach und Großstadtlärm und Verkehrssmog sind im Handumdrehen vergessen. Nach dem ausgiebigen Sonnenbad führt ein Trampelpfad direkt in den Landgasthof „Maloiseaus Lohmühle“. Bei Sekt und Erdbeeren mit frischer Minze prickelt das Sommergefühl doch gleich noch mal so schön. Auch ein Ausflug in die wenige Meter entfernte Orangerie der Otzberg Kräuter Gärtnerei lohnt sich für Groß und Klein.
Fazit: Eine der eher weniger bekannten Liege-Ecken Wiesbadens, die sich durchaus zu entdecken lohnt. Sonnenmilch und Schirm nicht vergessen, hier ist Schatten rar.
RHEINUFER BIEBRICH
Der Geruch von Grillwürstchen zieht über die Wiese. Zwischen der Schiersteiner Brücke und der Bootshaus-Gaststätte liegt einer von Wiesbadens offiziellen Grillplätzen. Und das wird genutzt: Ganze Großfamilien verlegen den Abendbrottisch an den Rhein. Steaks, Spareribs und Tofuwurst grillen zart duftend auf dem Rost. Das nahe Wasser glitzert in der Abendsonne, Kind und Kegel genießen den Spielplatz, und der Grillmeister gönnt sich eine Pause beim Fußballspielen. Ab und zu zieht ein schwer beladener Kahn an einer Handvoll wartender Angler vorbei und verzückt die Enten am Ufer mit einem leichten Wellenspaßbad. Klo oder nicht Klo- das ist hier die Frage. Den Gerüchten im Internet sei hiermit ein Ende gemacht: Ja, die Rheinwiese verfügt über ein Dixieklo. Sogar mit Toilettenpapier. Angesichts der Anzahl Grillwütiger dürfte aber gerne noch nachgerüstet werden.
Fazit: Auf jeden Fall Grillbares einpacken, spätestens nach fünf Minuten stellt sich der Heißhunger ein. Und Augen auf bei der Platzsuche: Brennnesseln und Distel-Gefahr!
KURPARK
Der 1852 angelegte Kurpark und seine Wiesen sind so, wie eine alte Dame sein kann: Elegant, gepflegt und freundlich. Inmitten von Azaleen, Rhododendren und hohen Kastanien bietet der Park Liegewiese satt. Vor dem meditativen Anblick des rieselnden Springbrunnens basteln zwei Mädchen Gänseblümchenketten, ein verliebtes Paar turtelt unterm blühenden Magnolienbaum. Na gut, ein bisschen Wiesbadener Klischee muss sein, da wird schon mal ein Windhund spazieren geführt und frischgebackene Väter in pastellfarbenen Polohemden trumpfen auf mit einem farblich passenden Bugaboo-Kinderwagen. Aber auch junge Menschen trinken hier gern ein Feierabendbier, wie Flo (23), der oft und gern mit Freunden herkommt, Musik hört und dem gepflegten Müßiggang nachgeht. Exklusiverer Hunger lässt sich bei Käfers im Biergarten stillen, sonn- und Feiertags auch mit Livemusik. Für 50 Cent gibt’s Toilettenmöglichkeiten in der Parkmitte, auf der Seite zur Parkstraße.
Unser Fazit: Mit dem Fahrrad zum Park radeln (innerhalb ist das Radeln untersagt), Beststeller zu Ende lesen und anschließend auf dem Kurparkweiher eine Runde Bötchen fahren.
REISINGER ANLAGE
Eine Stadt, in der man direkt vom Bahnhof aus auf eine Liegewiese stolpert – toll! Wer mag, kann sogar bis in die City marschieren, fast ohne Asphalt zu berühren. Da können Städte wie Frankfurt mit seinem berühmt-berüchtigten Rotlicht-Viertel von träumen! Aus der Bahnhofstraße je nach Gelüsten Eis, Kebap oder Pizza mitnehmen, das entendominierte Wasserbecken umrunden und rauf auf die Wiese! Ahhh, herrlich….doch, Moment! Leider wurden wir bei unserer Recherche von zwielichtigen Gestalten mit beeindruckendem Bizeps und noch beeindruckenderen finsteren Blicken als Kripo-Beamte beschimpft. Da sich die Schar dieser fragwürdigen Beobachter nicht abschütteln ließ, verweilten wir weniger lang auf dem Grün, als angedacht.
Fazit: Gefahrlos empfehlen wir auf jeden Fall die Sommerwiese für Kinder und das OpenAir-Kino im Sommer, hier dürften genug soziale Kontrolle und obendrein Toilettenmöglichkeiten vorhanden sein.
„LUFTI“ UNTER DEN EICHEN
Ja, das Gras, das unter den strumpflosen Füßen kitzelt, ist schon was Feines. Warum dann eigentlich nicht gleich ganz hüllenlos den Wind auf der Haut spüren? Das geht im Lufti, dem nostalgisch anmutenden Luft- und Sonnenbad Unter den Eichen mit Fünfziger-Jahre-Charme. Neben dem FKK-Bereich auf dem 34.000 qm umfassenden Gelände in der Platter Straße 200 ermuntern Tischtennisplatten, Bocciabahn und Badmintonfelder zu körperlicher Ertüchtigung. Und wem dabei zu warm wird, der kühlt die erhitzten Füße im Kneippbecken ab. Neben kulinarischer Verpflegung bietet das in den 1920er Jahren eröffnete Lufti mit seinen Umkleidekabinen, Duschen und (auch Behinderten-)Toiletten das Rundum-Sorglos-Paket der Liegewiesen in Wiesbaden. Da sind die 2 Euro Eintritt (für Kinder 50 Cent) auf jeden Fall zu verschmerzen. Unter dem alten Baumbestand findet sich immer ein schattiges Plätzchen und Familien schätzen besonders Spielplatz und Planschbecken.
Fazit: Komfortabel, abwechslungsreich und geeignet für Jedermann: Unkomplizierter kann Liegen kaum sein, in den Sommermonaten täglich von 9 bis 20 Uhr.
„Verpflegung gibt es in der schnell erreichbaren City, eine behindertengerechte Toilette gegen 50 Cent an der Wilhelmstraße am Theaterparkplatz West.“
Klingt wirklich großartig. Vor allem, weil die meisten doch irgendwann entweder am Teich ins Gebüsch gehen oder in das Kurhaus. Ich kenne niemanden, der die UFO-Toilette am Parkplatz genutzt hat.
Wir haben unser Büro in der Taunusstraße und nutzen daher sehr gerne den Nerotalpark für Spaziergänge und zum entspannen – leider wird dieses Kleinod der Stadt Wiesbaden samt seinem sehenswerten Kunst- und Baumbestand mit keinem Wort erwähnt.