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Editorial März-sensor: Warum die Bürgersteige hochklappen …

Seit der Erfindung der Couch ist die Gesellschaft verloren.“ (Prof. Dr. Bazon Brock, Festrede 1. Hessischer Kreativwirtschaftstag, 16. Februar 2017)

Warum die Bürgersteige hochklappen,

wenn man auch die Rollgitter runterfahren kann, liebe sensor-Leserinnen und –Leser. So oder ähnlich könnte man dieses Bild interpretieren. Dieses Bild aus und von Wiesbaden. Es zeigt das – sehr überraschend, weiterhin und, wie sich die Dinge darstellen, dauerhaft – geschlossene Walhalla-Theater. Mitten im Zentrum von Wiesbaden. Mitten im Zentrum des Kultur-, Abend- und Nachtgeschehens.  Ein pulsierender, herausragender, wertvoller und wichtiger Ort Wiesbadens. Bis zum 27. Januar, als aus dem Nichts die Schließung und der abrupte Stopp des hier seit 15 Jahren laufenden Kulturbetriebs kam.

Natürlich nicht ganz aus dem Nichts, sondern auf Basis eines Brandschutzgutachtens. Dieses jedoch kam aus dem Nichts und listet Dinge und Zustände als Mängel auf, von denen sich einerseits manche seit Tag 1 der Bespielung, also seit bzw. schon vor der Übergabe an die heutigen Mieter, so oder ähnlich darstellen. Und zeigt andererseits „Beweisfotos“, die gar nicht mehr dem aktuellen Zustand entsprechen. Um mal zwei Beispiele zu nennen.

Noch Fragen? Ja, viele. Die Beantwortung gestaltet sich schwierig und zäh. Das Einfordern von Antworten muss und wird anhalten. Wir sind und bleiben dran. Und freuen uns in allem Ärger über die aktuelle Situation  ganz vorsichtig über die große Begeisterung, das Fieber geradezu, das die Vorstellung der alternativen Vision für den gesamten Walhalla-Komplexes ausgelöst hat. Zukunftsmusik der aufregenden Art. (Neugierig auf das „Walhalla Studios Wiesbaden“-Nutzungskonzept? Mail an hallo@sensor-wiesbaden.de, wir schicken es allen Interessierten gerne zu.)

Ein Schandfleck für die Stadt ist das Walhalla erst jetzt

Was heute angeht. Keine Frage ist, dass die Mieter der bisher bespielten Teile des gigantischen Gebäudekomplexes am wenigstens für die nun eingetretene Situation können. Im Gegenteil.

Ein wahrer Schandfleck für die Stadt ist das Walhalla erst jetzt, im geschlossenen Zustand. Und ein Jammer für die Mieter, die – abseits wohlklingender, zumindest bei manchen sicher durchaus gut, ernst und ehrlich gemeinter Solidaritätsbekundungen – mit der folgenschweren Misere allein gelassen, von manchen Beteiligten geradezu schäbig behandelt werden. Ein Jammer natürlich auch für von der Schließung betroffene Künstler und Veranstalter, für das Publikum sowieso. Gute Nacht, Wiesbaden, ist man – mal wieder – versucht zu sagen.

Gute Nacht, Wiesbaden, kann man – allerlei aktueller Hiobsbotschaften zum Trotz, gerade hat das Gestüt Renz in der Nerostraße sein endgültiges „Aus“ verkündet – in unserer Stadt aber weiterhin auch ganz positiv meinen: Weil man tatsächlich eine gute Nacht haben kann. Es ist jetzt nicht so, dass Nachteulen jederzeit wahllos durch die Gassen stolpern und von einer Kneipe oder Bar in die nächste fallen können. Man muss schon wissen, wo es langgeht, damit es abgeht. Dieser sensor hilft Ihnen auf die Sprünge.

In die Puschen gekommen sind schließlich unsere Rathaus-Politiker, die vor wenigen Tagen ihr Regierungsbündnis präsentiert und beschlossen haben. Was lange (ein knappes Jahr) währt, wird Rot-schwarz-grün. Ob es gut wird? Wir werden sehen. Es ist nun so, wie es ist. Zetern über Konstellationen und Positionen macht jetzt erst mal keinen Sinn mehr. Also: In grenzenlosem Optimismus allen alles Gute wünschen, losarbeiten lassen und dann die tatsächliche Arbeit bewerten. Schaut ihnen in die Augen, Wähler. Und auf die Finger.

Und ansonsten: Runter von der Couch! (Oder gar nicht erst rauf auf die Couch, denn ist man erst mal drauf, kommt man erfahrungsgemäß sowieso nicht mehr runter.) Spätestens, wenn Sie diesen sensor gelesen haben. Und erst recht jetzt, wo der Frühling kommt.

Dirk Fellinghauer, sensor-Street Potato

PS: Kein Scherz: Am 1. April feiern wir richtig! 5 Jahre sensor. Ich sag´ nur „Neontanzattacke“. Und will Sie, geschminkt oder ungeschminkt, alle im Kulturpalast sehen. Das wird garantiert eine gute Nacht, Wiesbaden!