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Einstürzende Neubauten kündigen neues Album an – und sich selbst zum Konzert im Schlachthof

Dass die Einstürzenden Neubauten sich zum Konzert im Schlachthof am 17. Juni angekündigt haben, ist sowieso schon eine fantastische Nachricht. Es kommt noch besser: Die Band hat heute verkündet, ein neues Album mitzubringen. Zu ihrem 40-jährigen Jubiläum veröffentlicht die Band am 15. Mai hr neues Studioalbum “Alles In Allem“ auf dem bandeigenen Label. Das erste reguläre Studioalbum der Einstürzenden Neubauten seit 12 Jahren zeigt eine unvergleichbare Band, die ihre eigene Kategorie bildet, ihr eigenes Genre stiftet.

„Alles in Allem“ versammelt 10 Stücke, in denen es thematisch weitestgehend um die Erforschung des Topos ‚Berlin‘ geht. Ein Umstand, der sich erst im Prozess ergab: „Eine Song-gewordene, äußerst zynische Reflexion des Zustands der Hauptstadt schaffte es nicht aufs Album und hinterließ so ein Loch, um das herum sich weitaus differenziertere Auseinandersetzungen mit Berlin ergaben“. So wandert Blixa Bargeld durch Erinnerungen, durch Träume, montiert Fragmente – und doch geht es auch immer um die Gegenwart dieser ungreifbaren Stadt.

Das Cover des neuen Album „Alles in Allem“, das die Einstürzenden Neubauten am 15. Mai veröffentlichen.

In den einzigartigen Klang- und Textlandschaften der 1980 in Berlin gegründeten Gruppe offenbart sich so jene Zeitlosigkeit, die sich Blixa Bargeld, N.U. Unruh, Alexander Hacke, Jochen Arbeit und Rudi Moser stets erhalten haben: Durch ihre experimentellen Herangehensweisen ans Songwriting, die in vier Jahrzehnten entwickelten Instrumente und das kollektive Arbeiten klingt die Band in ihrer eigenen Zeitrechnung auffallend gegenwärtig.

Direkt das erste Stück „Ten Grand Goldie“ wird angekündigt als „ein Beispiel für die Innovationskraft, die dem Arbeiten der Neubauten innewohnt“: Blixa Bargeld rief weltweit einzelne Supporter der Gruppe an, jene kultische Fangemeinschaft, die seit 2002 durch alternative Finanzierungsmodelle die Unabhängigkeit der Band unterstützt, lange bevor Crowdfunding-Formate populär wurden. Die Supporter durften so auch am kreativen Prozess partizipieren, spendeten durch spontane Antworten auf Bargelds Fragen Fragmente des späteren Texts.

Fans im Entstehungsprozess involviert

Die Fans, organisiert im Neubauten-Forum neubauten.org, das gleichzeitig Archiv des umfangreichen Werks ist, waren überhaupt immer wieder involviert, hatten sie doch regelmäßigen Zugriff auf die Arbeit am Album, wurden über Live-Webcasts zugeschaltet, interpretierten und diskutierten die Songs untereinander und mit der Band. Belohnt wurden sie dabei nicht nur durch den Umstand, konkret am Schaffen ihrer Lieblingsband mitwirken zu können, sondern auch durch exklusiv für sie produzierte Singles. Außerdem erscheint parallel zum Album ein durch diese Zusammenarbeit beeinflusstes limitiertes Deluxe Boxset, das neben einem umfangreichen Buch und einer DVD mit AV-Material auch eine zusätzliche CD und LP mit sieben Stücken beinhaltet, die nicht auf dem Album erscheinen.

Schwieriger Zugang zu Schrottplätzen

Die Bedingungen haben sich durch diese neuen Ansätze also erneut verändert, ein Umstand, der auch in den Stücken hörbar ist. Doch nicht alle veränderten Bedingungen gefallen der Band. Der traditionelle Besuch der Schrottplätze etwa, um dort neue Gerätschaften zur Klangentwicklung zu finden, gestaltete sich schwieriger denn je. Bargeld: „Die lassen einen ja nicht mehr auf den Schrottplatz – allein schon versicherungstechnisch.“ So suchten sich die fünf Klangforscher andere Materialien. Für „Taschen“ etwa: einfache Reisetaschen, die sie mit Lumpen füllten, was einen direkten Bezug zu dem Stück aufmacht, in dem es in Anlehnung an Ghayath Almadhouns Gedichtband „Ein Raubtier namens Mittelmeer“ um das Ertrinken vor den Grenzen Europas geht. Für das titelgebende „Alles in Allem“ etwa spazierte Bargeld über einen Gang außerhalb des Studios und beschrieb die Assoziationen, die der abgeplatzte Belag am Boden in ihm hervorrief, was auch in einem der Webcasts dokumentiert wurde. So fanden „verkürzte Krokodile“ und „Plasmazellen ohne Kern“ Einzug in das Stück. „Am Landwehrkanal“ wiederum kommt für Neubauten-Verhältnisse ungewohnt schunkelnd daher, gemeint ist Rosa Luxemburg gemeint, dabei könnten die Verse „Wir hatten tausend Ideen / Und alle waren gut“ durchaus eine Selbstbeschreibung der Band seien.

Mit den neuen Stücken und dem umfangreichen Backkatalog gehen Einstürzende Neubauten auf ihre „The Year of the Rat“-Deutschland- und Welttournee – und werden am 17. Juni im Schlachthof Wiesbaden erwartet. (dif/Foto Mote Sinabel)

https://neubauten.org