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Exil-Perspektive Gestüt Renz: Walhalla e.V. hofft auf festes Domizil in der Nerostraße – GOP versetzt Ausschuss

Eine Idee, auf den ersten Blick so überraschend wie auf den zweiten Blick naheliegend und stimmig: Der Walhalla e.V. , seit der plötzlichen Schließung des Walhalla-Gebäudes im Januar heimatlos, möchte das bisherige Gestüt Renz in der Nerostraße als festes Exil-Domizil beziehen und bespielen. Die Pläne stellte Walhalla-Leiterin Sigrid Skoetz gestern im Kulturausschuss vor. Die Ausschussmitglieder waren von der Idee ebenso grundsätzlich angetan wie Kulturdezernent Axel Imholz, wollen aber vor einer Unterstützung der Pläne Fragen des Baurechts und die Zustimmung der Anwohner geklärt haben. In der gleichen Sitzung sollte laut Tagesordnung GOP als einer der zwei Bewerber sein überarbeitetes Konzept für die künftige Nutzung des eigentlichen Walhalla-Gebäudes am Mauritiusplatz vorstellen. Die Varieté-Unternehmer aus Bielefeld versetzten jedoch erneut die Wiesbadener Kulturpolitiker.

Sigrid Skoetz berichtete von guten Gesprächen mit Ralph Jerey, dem Eigentümer des Hauses, in dem in den letzten Jahren das „Gestüt Renz“ als Bar und Club beheimatet war, das aber eine lange Geschichte unter anderem auch als „Jazz House“ hat. Bekanntlich gab es seit Jahren Probleme mit einzelnen Anwohnern der Nerostraße, die vor Gericht landeten und schließlich im Februar zur endgültigen Schließung des Gestüts führten. „Ich würde dringend empfehlen, die Anzahl der Tanzveranstaltungen künftig gegen Null zu halten“, meinte Kulturdezernent Axel Imholz (SPD). Bedenken hinsichtlich einer Lärmbelästigung der Anwohner müsse bei einem Mieter „Walhalla e.V.“ niemand haben, erklärte Skoetz. Schließlich plane man „keine Disko“, sondern eine rein kulturelle Nutzung mit Kunst, Film, Konzerten, Performance, Theater. Sie habe aber bereits Kontakt mit den Anwohnern aufgenommen, um das Konzept vorzustellen, sich auszutauschen und mögliche Bedenken zu besprechen. Am 27. Juni ist ein Treffen angesetzt.

Treffen mit Anwohnern

Kulturdezernent Axel Imholz sagte seine grundsätzliche Unterstützung zu, führte aber Knackpunkte ins Feld, die zuerst geklärt werden müssten: „Der derzeitige Leerstand ist baurechtlich bedingt“, erinnerte er und meinte: „Als erste Stufe muss geprüft werden, ob die bisherigen Beschwerdeführer gegen den Gastronomie- und Diskobetrieb bereit wären,  eine andere kulturelle Nutzung zu tragen, ohne dass wir uns gleich wieder vor Gericht finden ohne Aussicht vor Erfolg.“ In diesem Punkt zeigte sich die Walhalla-Leiterin, auch nach ersten Gesprächen mit dem bisherigen Hauptbeschwerdeführer, optimistisch: „Er ist dafür und hat auch das Treffen am 27. Juni vermittelt.“

Die Mitglieder des Kulturausschusses reagierten angetan auf die neue Perspektive für das Walhalla, die auch eine spannende Perspektive für die Nerostraße wäre. Sie sprachen sich auch dafür aus, dass der bisherige Zuschuss in Höhe von 40.000 Euro für den Walhalla e.V., der in Form von Mietzahlungen direkt an die städtische WVV Holding als Eigentümerin des Walhalla-Gebäudes geflossen war, für einen möglichen Spielbetrieb im Gestüt Renz gewährt wird. „Wir gehen davon aus, dass dieser Zuschuss bei neuen Räumen auch gewährt wird,“ meinte Hartmut Bohrer (Linke/Piraten), der die Nachfrage nach dem Sachstandsbericht der Perspektiven für den Walhalla e.V. in den Ausschuss eingebracht hatte.

Ausschuss bekräftigt Verantwortung für Suche nach festem Walhalla-Domizil

Sollte sich die Option Gestüt Renz nicht verwirklichen lassen, steht der Ausschuss zu seiner Verantwortung, dem Walhalla e.V. bei der Suche nach einem festen Exil-Domizil behilflich zu sein. Der stellvertretende Kulturamts-Leiter Jörg-Uwe Funk machte dazu jenseits der Gestüt-Idee wenig Hoffnung: „Im Moment sehen wir keine Alternative, wo wir etwas dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum unterbringen können.“ Dies sollte jedoch nicht das letzte Wort sein. „Drei Jahre Wanderschaft im Exil geht nicht. Uns obliegt die Pflicht, zu gucken, wo ihr unterkommen könnt“, bekräftigte Dorothea Angor von den Grünen. Sigrid Skoetz berichtete nach den Exil-Erfahrungen der letzten Monate, dass die Durchführung von Veranstaltungen an wechselnden Orten, wie seit Januar praktiziert, keine Dauerlösung sein könne: „Wir brauchen einen Raum, den wir ausgestalten können, damit der Walhalla-Spirit wieder entsteht.“ Im Gestüt Renz sei dies sofort möglich. dies habe auch eine bereits erfolgte Begehung mit dem Architekten ergeben. Im besten Fall könnte das „Walhalla im Exil“ schon in diesem Herbst den Spielbetrieb, der mit seiner Vielfalt, seiner Offenheit, seiner besonderen Qualität und seinem großstädtischen Geist Wiesbaden seit Januar spürbar fehlt, wieder aufnehmen.

Befremden über erneute GOP-Absage

Unklar bleiben derweil die Perspektiven für das eigentliche Walhalla-Gebäude in der Innenstadt. Der Punkt „Vorstellung Konzept Walhalla durch die GOP“ stand ebenfalls auf der Tagesordnung des Kulturausschusses. Wie bereits vor ein paar Monaten, sagten die Bielefelder Varietéunternehmer, die sich neben der mit Akteuren aus Wiesbaden, Hamburg und Berlin besetzten Gruppe der „Walhalla Studios“ um die Nutzung bewerben, ein zweites Mal sehr kurzfristig ab, ohne Angaben von Gründen. Bei den Kulturpolitikern im Ausschuss löste dieses Verhalten Befremden aus. Gabriele Enders von der FDP platzte schließlich der Kragen: „Wo ist denn hier die Transparenz? Wie ist das abgelaufen? Dürften wir mal etwas über die Hintergründe der Absage erfahren?“. Der Ausschussvorsitzende Hendrik Schmehl (SPD) hatte darauf keine Antwort und meinte lapidar: „Sie kommen dann zu unserer Ausschusssitzung im September – hoffentlich …“.

(ERGÄNZUNG, 14.06., 16 Uhr: Hendrik Schmehl (SPD), der die Sitzung als stellvertretender Ausschussvorsitzender leitete, erklärte, dass seitens GOP terminliche Gründe für die kurzfristige Absage angeführt wurden. GOP habe nicht zum zweiten Mal abgesagt und musste von der Tagesordnung genommen werden, sondern der Ausschuss habe GOP im April zur Mai-Sitzung eingeladen, woraufhin seitens GOP mitgeteilt worden sei, dass dieser nicht wahrgenommen werden könne, da die Einladung zu kurzfristig sei. )

(ERGÄNZUNG, 19.06.: Der Wiesbadener Kurier berichtete über Verwirrung rund um das Nicht-Erscheinen der GOP. Derweil hat GOP-Geschäftsführer Olaf Stegmann in einem Schreiben an die Kulturausschuss-Mitglieder sein Bedauern ausgedrückt und den Gang der Dinge so dargestellt:
„Sehr geehrte Damen und Herren, Wir nehmen Bezug auf die gestrige Sitzung des Kulturausschusses. Bitte richten Sie den Mitgliedern des Kulturausschusses, sowie allen anderen Anwesenden unser Bedauern darüber aus, dass dort vergeblich mit unserer Anwesenheit gerechnet wurde.

Allerdings möchten wir mitteilen, dass von unserer Seite keine Präsentation geplant war und uns nicht bekannt war, dass dies auf der Tagesordnung des Kulturausschusses stand. Wir wurden seitens Herrn Guntrum (SEG) mit Mail vom 27.04. angefragt, bei der Ausschusssitzung am 13.06. unser Projekt erneut vorzustellen. Wir haben bereits am 28.04.17 per Mail an Herrn Guntrum mitgeteilt, dass wir den Termin nicht bestätigen können. Seither haben wir keinen Kontakt mehr gehabt. Gern stehen wir zur Vereinbarung eines weiteren Gesprächstermins zur Verfügung. Diesbezüglich bitten wir dann um entsprechende Kontaktaufnahme.“)

(Dirk Fellinghauer/Foto Offert Albers)