Vor ein paar Wochen ist das Café Klatsch 30 Jahre alt geworden. Dazu ist im letzten sensor ein Artikel erschienen, der die Überschrift „Lebendige Utopie“ trug und eigentlich besser zu dem Schwerpunkt dieser Ausgabe gepasst hätte. Denn Utopien brauchen Räume, in denen über sie diskutiert werden kann, in denen sie ausprobiert werden können. Solch einen Laden gibt es auch in der Werderstraße. Die Rede ist vom Infoladen Linker Projekte, der seit 1988 existiert, und neben einem Tagungsraum, einer Küche und zwei kleineren Büroräumen auch aus einer Werkstatt besteht. Der Trägerkreis übernahm damals die heruntergekommenen Räume, die zuvor von den städtischen Gerichtsvollziehern genutzt wurden, und renovierte diese. Verschiedene linke Gruppen, – wie unter anderem die Rote Hilfe Wiesbaden, die Küfa (Küche für alle), Radio Quer sowie die Schachfreunde Stiller Zug, die aus Mitgliedern des Infoladens bestehen und in der Bezirksoberliga spielen – treffen sich dort.
Nun ist der Infoladen in seiner Existenz bedroht. Das Haus, in dem er beheimatet ist, hat einen neuen Besitzer. Und dieser hat den Mietvertrag zum Jahresende gekündigt. Alle Versuche, ihn doch noch umzustimmen, sind laut Infoladen fehlgeschlagen. Ende des Jahres muss er raus, neue Räume müssen dringend her. Ein etwa 50 Quadratmeter großer Tagungsraum sowie abgetrennte Räume für Gruppentreffen und Büroarbeit sollten es mindestens sein. Wer etwas weiß oder etwas spenden will, findet auf der Website www.infoladen-wiesbaden.de alle nötigen Informationen.
Es wäre wirklich ein Verlust für das Westend und für Wiesbaden, wenn diese Einrichtung keine neuen Räumlichkeiten mehr finden würde. Denn neben den politischen Arbeitsgruppen und den regelmäßigen Infoveranstaltungen bietet der Infoladen auch immer ein kleines, aber feines Kulturangebot, wie etwa das Café Che, die Küfa, die mittwochs veganes Essen gegen Spende anbietet, oder die Veranstaltungsreihe „Akustik im Hof“, die nichtkommerzielle Akustikkonzerte, Lesungen und Open Stages organisiert.
Hier zeigt sich aber auch, dass die Gentrifikation keinen Halt vor Wiesbaden macht. Denn nach einer Grundsanierung sollen daraus nach Auskunft der Noch-Mieter Gewerberäume werden. Die Räumlichkeiten lassen sich dann natürlich zu einem deutlich höheren Preis vermieten. Ähnliches soll auch mit den übrigen Wohnungen passieren. Diese sollen auf ein höherpreisiges Niveau modernisiert werden, immer dann, wenn ein alter Mieter auszieht. Wer sich die höheren Mieten nicht leisten kann, muss in ein weniger zentrales Viertel ziehen. Menschen mit mehr Geld ziehen ein, und mit ihnen ändern sich auch die Ansprüche an die Wohnumgebung. Die Gentrifikation nimmt ihren Lauf. Zumindest in diesem Punkt unterscheidet sich Wiesbaden dann nicht mehr von Berlin oder Hamburg.