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FALK FATAL und die Agoraphobie

Diese Stadt oder zumindest ein Teil ihrer Bewohner, ist agoraphob. Ausdruck dieser Agoraphobie ist es, jeden öffentlichen Platz, der kein Parkplatz ist, als Problem darzustellen. Denn ein Parkplatz würde verhindern, dass darauf Bänke errichtet, vielleicht ein Rasen gesät oder ein Bach offengelegt wird und sich dann Menschen darauf niederlassen und gesellig werden.

Anders kann ich es mir nicht erklären, warum ein gewisser Teil der Stadtbevölkerung solch ein Problem mit der Neugestaltung öffentlicher Plätze hat. Kaum wird eine solche angekündigt, hagelt es in den sozialen Medien abfällige Kommentare. Jetzt sind abfällige Kommentare ein Kernbestandteil sozialer Medien, so wie Trauben zu einem Riesling gehören. Doch die Verve, mit der diese Kommentare geäußert werden, wenn nur irgendwo eine neue Bank aufgestellt wird, erstaunt selbst Social-Media-Veteranen immer wieder aufs Neue.

Die Stichworte „Trinkerszene“ oder „Junkie-Treffpunkt“ fallen recht schnell, denn die Trinker und Junkies dieser Stadt warten auf nichts anderes als eine neue Bank, auf die sie sich setzen können. Dafür studieren sie die sozialen Medien und die lokalen Nachrichten nach neu aufgestellten Bänken, umgestalteten Plätzen und verabreden sich dann in geheimen Gruppenchats, um gemeinsam auf der neuen Bank ihren Korn zu trinken und sich das Haschisch in den großen Fußzeh zu spritzen.

Ich weiß natürlich, dass es in Wiesbaden, wie in jeder anderen deutschen Großstadt, eine Trinker- und Drogenszene gibt. Aber soll die Stadt Wiesbaden deshalb aufhören, öffentliche Plätze schön zu gestalten und Anreize zu schaffen, dass man sich auf diesen gerne aufhält?

Ja, der Versuch, den Platz der Deutschen Einheit aufzuwerten und so die Trinkerszene zu vertreiben, ist gescheitert. Ebenso wie das Alkoholverbot nicht für mehr Nüchternheit gesorgt hat. Aber vielleicht ist es schlicht die innenstädtische Lage und die Nähe zur Teestube, die den Platz seit Jahrzehnten zum beliebten Treffpunkt der Trinkerszene machen?

Es geht schließlich auch anders, wie der neugestaltete Sedanplatz zeigt. Jahrelang war er ein Schandfleck, den selbst die Trinkerszene mied. Bis auf einige Halter, die ihre Hunde den Platz als Klo nutzen ließen, wurde die Grünfläche von niemandem betreten. Erst die Initiative Kiezgarten sorgte dafür, dass der Platz belebt wurde. Dann kam der Umbau und mit ihm die typischen Unkenrufe. Nichts davon ist bislang eingetreten. Um die Tischtennisplatten tummeln sich die Spielwütigen, um den kleinen Brunnen lümmeln sich Menschen in den Liegestühlen und auf den Bierbänken sitzen Stadtteilbewohner und lassen bei einem Kaltgetränk den Tag ausklingen. Der Sedanplatz ist die belebteste Verkehrsinsel der Stadt und vermutlich auch die beliebteste. Ich finde es toll, dass dieser ehemalige Schandfleck – trotz der hiesigen Agoraphobie – diese Entwicklung genommen hat.

 

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