Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka.
Wer einen Bonsai erfolgreich gezogen und gepflegt hat, müsse sich keine Sorgen um das Wohl seiner Seele nach dem Tod machen, so heißt es. Stimmt das so, dann ist für den Wiesbadener Wolfgang Hohensee ewiges Seelenheil quasi vorprogrammiert. Der Bonsai-Spezialist hat nicht nur einen, sondern zahllose Exemplare der kleinen Bäume geformt, gepflegt und vielen Liebhabern verkauft. Die Einfahrt zu seinem „Bonsai-Centrum“ ist nicht leicht zu finden, schnell ist man an der kleinen Nebengasse der Friedrich-Naumann-Straße vorbeigefahren. Doch wer diese hinunterfährt, entdeckt ein erstaunlich weitläufiges Gelände mit Gewächshäusern. Dort wohnt Hohensee auch mit seiner Frau.
Jeder Baum hat das Zeug zum Bonsai
„Sie hätten im Sommer oder Herbst kommen sollen“, sagt der Bonsai-Gärtner. „Da hätte ich Ihnen meine Laubbäume in ganzer Pracht zeigen können.“ Er packt sein Handy aus und zeigt Fotos von leuchtend roten Ahornbäumen. Die sind jetzt im Januar natürlich weniger dekorativ, doch auch ein „kahler“ Bonsai beeindruckt durch seine Form und die ästhetische Präsentation in der passenden Keramikschale. Und natürlich sind die Nadelbäumchen auch im Winter schön grün anzusehen. Prinzipiell, erklärt Hohensee, sei jeder Baum zu einem Bonsai umzuformen. Das geschieht allein durch den Schnitt der Zweige und Wurzeln und die Haltung in der Schale. Bei manchen Bäumen wie Trauerweide, Nussbaum oder Eiche sei es schwieriger, aber die Möglichkeit hat man bei jeder Baum- und auch vielen Straucharten.
Es sind keine besonderen Arten, sondern ganz normale Bäume, deren Setzlinge entsprechend gezogen werden, erklärt Wolfgang Hohensee. Hört man auf, den Baum als Bonsai zu pflegen, wächst er normal weiter und wird groß. Was es für die Pflege eines formschönen Bonsais hauptsächlich braucht, ist Geduld. Mehrere Jahre bis Jahrzehnte muss man warten, um ein richtiges Ergebnis zu erhalten. Viele der Bäumchen, die Wolfgang Hohensee verkauft, sind über 30 Jahre alt. Es gibt auch jahrhundertealte Bonsai in den asiatischen Ursprungsländern. „Das sind oft Einzelexemplare mit Namen, so eine Art „Blaue Mauritius““, zieht Hohensee eine Parallele zu wertvollen Briefmarken. Die gehören dann absoluten Liebhabern, die sie oft bei Spezialgärtnern pflegen lassen und nur regelmäßig besuchen.
Der Bonsai als Statussymbol
Ein Bonsai kann also auch ein Statussymbol sein – „ich habe einen Bekannten in Dubai, der die Ölscheichs beliefert“, sagt Hohensee. Das dortige Klima sei allerdings nicht wirklich gut geeignet, um die Waldbewohner zu pflegen. Auch im Zimmer fühlen sich Bonsai meist nicht wohl, weiß der Experte. Deswegen seien „Baumarkt-Bonsai“, die ohne weitere Anleitung verkauft werden und von vielen einfach ins Wohnzimmer gestellt werden, nach kurzer Zeit zum Tode verurteilt. Wer wirklich lange Freude an seinem kleinen Baum haben will, lässt sich von Wolfgang Hohensee in regelmäßig stattfindenden Kursen oder auch bei langen Gesprächen im Gewächshaus in die Kunst der Pflege einführen.
In erster Linie Männersache
Das seien in neun von zehn Fällen Männer, sagt der Experte – und oft erwächst die Idee zu diesem Hobby aus einem Film wie zum Beispiel „Karate Kid“, der ihm in den 90er Jahren einen richtigen Boom beschert habe. Zur Pflege gehören der fachgerechte Schnitt mit besonderen Werkzeugen und das Verdrahten von Ästen. Der Baum erhält so zum Beispiel mehrere Ebenen, oder kann so geformt werden, dass es aussieht, als sei er vom Wind in eine Richtung gepeitscht. Ganze kleine „Wäldchen“ lassen sich in den flachen Keramikschalen anpflanzen, oft bilden Steine dekoratives Beiwerk, und wer mag, kann auch kleine Buddhafiguren unter die Bäume setzen. Sogar Obstbäume – mit entsprechend winzigen Früchten – oder auch Rosensträucher lassen sich als Bonsai ziehen, sagt Wolfgang Hohensee, den wir bei unserem Besuch gerade vor einer mehrwöchigen Reise in die Ursprungsländer der Bäumchen antreffen. Dort wird er Nachschub für seine Kunden besorgen und sich Inspiration für eigene Kreationen holen. Denn Bonsaipflege ist eine echte Gartenkunst und wird als solche in fernöstlichen Ländern ernsthaft betrieben – vielleicht auch dem Seelenheil zuliebe. Das lässt sich im Garten ja unzweifelhaft finden.