Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Mary Goldfinger.
Was für ein nettes, kleines, schnuckeliges Atelier! Lena Müller hat es sich im Hinterhaus der Unteren Albrechtstraße 16 eingerichtet. Die junge Schneiderin hat eine ganz besondere Nische für sich ausgewählt: Sie entwirft und fertigt exklusive Dessous für Frauen an. Und das für jede Gelegenheit: Für die Hochzeit, aber auch für jeden Tag“, erklärt Lena Müller, die sich für ihr Label die Namen ihrer beiden Großmütter geliehen hat: „Ruth und Sofia Handmade Lingerie“ heißt ihr Atelier. Schon als Mädchen hat Lena Müller gerne genäht, später eine Ausbildung zur Herrenschneiderin gemacht.
Traditionell und modern
„Das war in einem sehr traditionsreichen Atelier in Frankfurt, wo ich alle traditionellen Techniken kennen gelernt habe“, erzählt sie beim Gespräch in ihrem türkis- und weiß gestrichenen, gemütlichen Arbeitsraum. „Ich wollte dann aber auch moderne Technik beherrschen und habe ein Studium der Bekleidungstechnik drangehängt“. Dass sie aber dann nicht in die Mühlen der Textilindustrie geraten wollte, war Lena Müller auch bald klar. Das hätte unter Umständen bedeutet, mit den ausbeuterischen Praktiken der großen Handelshäuser in Verbindung zu kommen, die gerade in den letzten Monaten durch verheerende Unglücke und unmenschliche Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt in die Schlagzeilen gerieten.
Lena Müller hat außerdem selbst erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, gut sitzende und optisch ansprechende Dessous zu finden – egal, ob man wie sie besonders zierlich oder eher üppiger gebaut ist. „Ein BH sollte nie kneifen oder drücken“, sagt sie. „Viele Frauen halten es so, dass sie, wenn sie nach Hause kommen, als erstes den BH ausziehen, um wieder Luft zu kriegen. Das ist doch furchtbar! So darf es nicht sein!“ Daher entwirft die Schneiderin gemeinsam mit ihren Kundinnen genau den BH, der wirklich passt.
Politisch korrekte Stoffe
Bei den Stoffen achtet sie auf die Herkunft: Bio-Baumwolle oder –Jersey sind ebenso im Angebot wie Seide und Spitze höchster Qualität. Farbe und Form sind keinerlei Grenzen gesetzt. Und Lena Müller hat auch kein Problem damit, dass eine Kundin ein Stück nachgeschneidert haben möchte, das sie anderswo gesehen hat, aber das ihr nicht richtig passen will. „In die Standard-Körbchengrößen passt sowieso kaum eine Frau richtig“, weiß sie. Daher nimmt sie sich auch drei Termine Zeit für jedes Wäschestück. „Ein Erstgespräch, dann die Anprobe und den abschließenden Termin, bei dem dann noch einmal geprüft wird, ob wirklich alles bequem sitzt“.
Der Aufwand bedeutet natürlich auch, dass diese Handarbeit ihren Preis hat. „So etwa 200 Euro kann man schon für ein Set aus BH und Slip rechnen“, sagt Lena Müller. „Dafür bekommt man aber wirklich sein eigenes Unikat“. Das können Basic-Dessous aus Baumwolle, aber auch raffinierte Spitzen-Seiden-Stücke sein. Und auch Frauen nach einer Brustoperation kann Lena Müller ihren individuell passenden BH anfertigen. Für Bräute stellt sie edle Korsagen mit Stäbchen her. Betont erotische Wäsche findet sich dagegen nicht im Sortiment. Zarte, seidenbespannte Bügel zeigen im kleinen Atelier, das mit liebevoll zusammengestellten Flohmarkt-Schneiderutensilien dekoriert ist, eine kleine Auswahl an möglichen Modellen.
Lena Müller bietet auch an, damit „Hausbesuche“ zu machen. „Ich mag diesen Begriff der Dessous-Party nicht, da entsteht gleich so ein bestimmtes Bild im Kopf“, sagt sie. „Aber wenn eine Frau einige Freundinnen einladen und mit ihnen zu Hause in aller Ruhe die Sachen anprobieren möchte, dann ist das natürlich möglich“. Auch bei einer Kosmetikerin fand bereits eine Präsentation von „Ruth und Sofia“ statt. Das läuft dann unter dem Begriff „Soirée de Lingerie“. Denn Eleganz ist die Devise, wenn die schönen Stoffe durch die Finger gleiten. „Ich möchte auch gar nicht unbedingt ein bestimmtes Frauenbild propagieren“, meint Lena Müller. „Es muss nicht immer ein Push-Up-BH sein, man sieht heute nur leider kaum noch etwas anderes“. Je nach Kundinnenwunsch entwirft sie Dessous, die „das, was man hat, schön zeigen“. Und seit dem Geschäftsstart November 2012 hat sie bereits viele Frauen verschönert. „Die typische Kundin gibt es dabei gar nicht“, sagt Lena Müller. „Es kommen Frauen jeden Alters und jeder Konfektionsgröße zu mir“.