Etwa drei Dutzend Wiesbadenerinnen und Wiesbadener haben sich am Donnerstagabend Hand in Hand auf dem Dernschen Gelände aufgestellt, um gemeinsam für Toleranz, Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt einzustehen. Es waren Mitglieder des Wiesbadener Bündnisses für Demokratie. Dieses wollte mit dieser symbolischen Aktion der für den kommenden Sonntag an gleicher Stelle geplanten Demonstration der Gruppe „Hand in Hand gegen Gewalt auf unseren Straßen“ aus Erbenheim anstatt einer Gegendemo ein bewusst positives Signal entgegensetzen – und sich „von der anhaltenden Instrumentalisierung des Verbrechens an Susanna F. in Erbenheim, von rassistischen Parolen und einer zunehmenden Verrohung der Sprache deutlich distanzieren“.
Bei brütender Hitze kamen, sehr kurzfristig und trotz Urlaubszeit organisiert, auf dem Dernschen Gelände unter anderem Vertreter von Politik und Parteien, der Kirchen, Arbeiterwohlfahrt, Volkshochschule, den Gewerkschaften und zahlreichen anderen Organisationen und Initiativen zusammen. Der Wiesbadener Magistrat war durch Sozial- und Integrationsdezernent Christoph Manjura vertreten.
Der evangelische Dekan Dr. Martin Mencke erklärte am Nachmittag: „Im politischen Streit um Zuwanderung hat sich der Ton in den Debatten verschärft, es werden rechtspopulistische Sprachmuster übernommen, die das gesellschaftliche Klima vergiften.“ Eine offene Gesellschaft, so Mencke, brauche den kritischen Diskurs und die Vielfalt der Meinungen. Dazu würde die Verbreitung falscher Fakten nicht dienen.
Was harmlos klingt, entpuppt sich als Hetze
Genau damit arbeitet die Gruppe, die bereits in Erbenheim demonstrierte und nun am Sonntag im Zentrum von Wiesbaden auftauchen will. Hinter der harmlos klingenden Bezeichnung „Hand in Hand gegen Gewalt auf unseren Straßen“ – eine Aussage, die sicher die meisten spontan unterschreiben könnten – kommt schnell unverblümte Hetze zum Vorschein, in erster Linie gegen Flüchtlinge. Was an den diesbezüglichen Behauptungen der Gruppe speziell zur Situation in Erbenheim dran ist, nämlich reichlich wenig, hat der Wiesbadener Kurier hier zusammengestellt. Auf dieser Seite wird zu den Demos aufgerufen, man könnte auch sagen, aufgestachelt. Man muss sich nur mal die Hashtags anschauen, mit denen hier „gearbeitet“ wird – die Palette reicht von Asylchaos, Überfremdung und Migrantenschwemme über Islamisierung, Nation, Lügenpresse und Patrioten bis zu Vergewaltigung, Mord, Verbrechen und natürlich Merkel muss weg -, um eine Ahnung zu bekommen, in welche Richtung bzw. aus welcher Richtung die Initiatoren unterwegs sind.
Eintreten für Vielfalt und Toleranz
Auch die Wiesbadener Arbeiterwohlfahrt stellt sich klar gegen alle undemokratischen und menschenverachtenden Strömungen. „Wir stehen hier deswegen Hand in Hand für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen, Hand in Hand gegen Hass und Hetze und jede Form von Rassismus“, sagte heute Elke Wansner, stellvertretende Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Wiesbaden. Als Bildungseinrichtung mit dem Leitbild „Bildung für alle“ ist auch der Volkshochschule Wiesbaden das Eintreten für Toleranz und Vielfalt ein großes Anliegen. „Mit unseren Angeboten und in unserer täglichen pädagogischen Arbeit stehen wir für Demokratie, eine Gesellschaft der Teilhabe und eine Kultur des Miteinanders und der Mitmenschlichkeit ein“, erklärt die stellvertretende VHS-Direktorin Annette Groth.
Andrea Baum, Geschäftsführerin von ver.di Wiesbaden mahnt, dass Bürger, Gewerkschaften, Politiker, Kirchen und Verbände dringend vernünftige Tatsachen im Umgang mit Problemen schaffen müssten: „Sonst arbeiten wir alle denen zu, die Verbrechen für ihre eigenen Interessen politisch nutzen.“
(Text/Foto Dirk Fellinghauer)
Hintergrund: Das Bündnis für Demokratie (Selbstbeschreibung)
„Im Wiesbadener Bündnis für Demokratie sind zahlreiche Organisationen, Verbände und Parteien und Akteure der Wiesbadener Zivilgesellschaft zusammengeschlossen. Sie bekennen sich zu freiheitlichem Denken und Handeln, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsvielfalt, Minderheitenschutz, wechselseitigem Respekt und gewaltfreiem Miteinander. Sie treten dafür ein, dass in der Stadt die Menschenrechte und freiheitlich-demokratischen Traditionen geachtet werden und dass neonazistischen, rassistischen und anderen antidemokratischen Gedanken und Ideologien nicht widerspruchslos Agitationsmöglichkeiten eingeräumt werden. Das 2013 gegründete Bündnis ruft ausschließlich zu friedlichen und gewaltfreien Aktionen auf, illegale Aktionen unterstützt das Bündnis nicht.“