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Künstler müssen raus: Kurzfristige Kündigung im Alten Gericht – „Verhandlungen mit Nassauischer Heimstätte in Endphase“

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Von Dirk Fellinghauer.

Bittere Nachricht aus der Moritzstraße: Dem Mieter des Alten Gerichts, der Agentur projekt 48, wurde überraschend  gekündigt – und damit rund 17 Künstlern, die in den seit Jahren ansonsten leerstehenden Räumen im „Duldungsstatus“ gearbeitet haben. Sie müssen Hals über Kopf ihre Ateliers räumen. Der Auszug ist in vollem Gange. „Wiesbaden verliert einen stillen und kreativen Spot der Kunst- und Kulturszene“, kommentieren die bisherigen Mieter das „Aus“ für ihre Wirkungsstätte mit einzigartigem Flair im denkmalgeschützten Gebäude. Grund für die kurzfristige Kündigung ist der Beginn der Abbrucharbeiten am ehemaligen Gerichtsareal für das Neubauprojekt der Hochschule Fresenius. Das übrige Gelände, inklusive des nun zu räumenden Alten Gerichts, will das Land Hessen an die Nassauische Heimstätte verkaufen. „Die Vertragsverhandlungen befinden sich in der Endphase“, teilt der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBHI, vormals Hessisches Immobilienmanagement) heute per Pressemitteilung mit. Das denkmalgeschützte Gebäude solle an die Nassauische Heimstätte „zeitnah geräumt übergeben werden“.

Zeitnahe Übergabe an Nassauische Heimstätte geplant

„Im Zusammenhang mit dem Beginn der Abbrucharbeiten auf dem Erbbaurechtsgrundstück kam es bereits seit dem 18.03.2016 zur Stilllegung der Stromversorgung auf dem Gerichtsareal, so dass eine gefahrlose Nutzung weiter Teile des Altbaus inklusive Keller ohne Licht nicht mehr gewährleistet werden kann“, begründet LBHI die kurzfristige Kündigung des Mietvertrags mit projekt 48. Auch die „zeitnah geplante Übergabe des Gebäudes an die Nassauische Heimstätte“ führen die Noch-Eigentümer ins Feld.

„Wir waren in guten Gesprächen“

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Sie verweisen auf die am 13.09.2012, damals mit der EBS, getroffene Vereinbarung, dass die Künstlerinitiative „das Gerichtsgebäude als Atelierfläche für Künstler und Ausstellungsfläche von Kunstwerken sowie Events vorübergehend nutzen darf, wobei mit der Initiative von Anfang an die kurze Kündigungsfrist von 48 Stunden vereinbart wurde.“ Diese Kündigungsfrist gab dem Projekt auch seinen Namen. Trotzdem kommt die Kündigung für projekt48 sehr überraschend: „Wir waren mit dem LBIH in guten Gesprächen über eine alternative Stromversorgung und es hatte den Anschein, als könnte das Gebäude weiter durch die dort tätigen Künstler genutzt werden“, zeigt sich Stefan Grötecke, Initiator und Betreiber von projekt48, enttäuscht über den unerwarteten Gang der Dinge.

„In Einzelfällen gab es Tränen“

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Zwecks Fristwahrung hat projekt 48 seinerseits alle Ateliers der dort arbeitenden Künstler unterschiedlichster Sparten sowie Musiker kündigen müssen. Derzeit finden die Räumungsarbeiten durch die Künstler statt. Die Ateliers werden geräumt und alle dort entstandenen Kunstwerke abtransportiert, Atelierausstattungen müssen an neue Orte verbracht werden. „Die Künstler bedauern zutiefst, dass eine für alle gute und produktive Zeit zu Ende geht. In Einzelfällen gab es sogar Tränen“, schildert Stefan Grötecke die Situation. Nach vier Jahren intensiver Nutzung durch einen Teil der lokalen Kunstszene unter der Leitung von projekt48 ist nun endgültig Schluss im Alten Landgericht. „Die denkmalgeschützte Immobilie mit ca. 7000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche steht dann bis zur endgültigen Nutzung voraussichtlich wieder komplett leer“, beschreibt Grötecke bedauerliche Aussichten für einen Ort, der zumindest bis zur Klärung und Realisierung einer künftigen Nutzung weiter hätte produktiv und kreativ genutzt werden können.

Künftige Nutzung wird noch diskutiert

Die Nassauische Heimstätte plante zunächst eine reine Wohnnutzung im Alten Gericht, die auch im Februar 2015 per „Letter of Intent“ von Hessens Finanzminister Thomas Schäfer, Wiesbadens OB Sven Gerich und Hochschule Fresnius-Präsident Botho von Portatius vereinbart wurde. Nach massiven Protesten und intensiver öffentlicher Diskussion gilt mittlerweile aber auch eine zumindest teilweise „teilöffentliche Nutzung“ etwa durch (Kreativ-)Gewerbe als möglich. Weiterhin aktiv ist zudem unter anderem die Initiative Haus der Stadtkultur.

Künstler auf der Suche nach Raum in Wiesbaden

Die nun heimatlosen Künstler des Alten Gerichts, Fotografen, Maler, Graffitikünstler und Vertreter anderer Kunstrichtungen, sind nun akut auf der Suche nach neuen Flächen für ihr Arbeiten. Bislang wurden Flächen von 15 bis 40 Quadratmeter je Atelier genutzt. Angebote von freien Flächen für bis zu 4 Euro/Quadratmeter, gerne auch zur interimistischen Nutzung, können bei projekt48 (stefan@groetecke.eu) abgegeben werden. „Es wird kein großer Wert auf die Ausbaustufe gelegt. Einfache Räume, Hallen etc. sind für die meisten Künstler ausreichend, nur hell sollten sie sein. Die Flächen können auch gemeinsam genutzt werden“, beschreibt Stefan Grötecke das Suchprofil und wirbt: „Solche Räume könnten auch und gerade von Unternehmen werbewirksam im Rahmen von CSR-Projekten zur Förderung der lokalen Kunstszene vergeben werden.“ http://galerie.projekt48.de/