Er kam überraschend, und er blieb nicht lange. Der ukrainische Präsident stattete am Donnerstagnachmittag Deutschland, genauer gesagt Rhein-Main, ganz genau gesagt Wiesbaden, einen Besuch ab. Natürlich hatte Wolodymyr Selenskyj wichtige Gespräche zu führen, nahm sich während seiner etwa zweistündigen Visite in Erbenheim aber auch Zeit für mindestens ein Autogramm.
Nichts Genaues wusste (fast) niemand, als am Nachmittag die Meldung aufploppte, dass Selenskyi, der gerade noch in Oslo und davor in Washington war, überraschend im Rhein-Main-Gebiet eingetroffen sei. Recht rasch kam dann aber Licht ins Dunkel des aus bekannten Sicherheitsgründen unter höchster Geheimhaltung absolvierten Besuchs.
Nach der Landung auf dem Frankfurter Flughafen ging es mit Polizeieskorte über die A66 gen Wiesbaden – dort aber nicht etwa in die Stadt hinein, sondern geradewegs in Richtung der Clay-Kaserne in Erbenheim, Standort des Europa- und Afrika-Hauptquartiers der US-Armee. Auch die militärische Hilfe der Ukraine wird hier koordiniert.
Ein paar Dutzend Soldaten und Zivilisten winkten und jubelten dem ukrainischen Präsidenten zu, als dieser der Limousine entstiegen war und den ausgerollten roten Teppich entlangschritt. Seitens des Landes Hessens war der Protokollchef der Staatskanzlei, Dieter Beine, vor Ort. In der Kaserne traf der Überraschungsgast hochrangige Vertreter der U.S. Army und der NATO, allen voran General Christopher Cavoli.
Selenkij in Erbenheim: „Es ist wundervoll, hier zu sein“
Der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa und Afrika und NATO-Oberbefehlshaber (hier rechts im Bild) äußerte sich glücklich darüber, dem Präsidenten der Ukraine die von Wiesbaden aus durchgeführten Maßnahmen zeigen zu können. „Wir sind erfreut und fühlen uns sehr sehr geehrt, Sie hier bei uns zu haben – das werden Sie auch an den Reaktionen all der Menschen hier merken“, sagte der Gastgeber, Selenskyi erwiderte: „Es ist wundervoll, hier zu sein.“
Bilder und Videoclips auf offiziellen Internet- und Social-Media-Präsenzen Selenskyis zeigen diesen auf dem Gelände der Wiesbadener US-Army-Kaserne innerhalb und außerhalb von Gebäuden zusammen mit seinen Gesprächspartnern, beim Eintrag in ein Gästebuch und beim Gang im bekannten Sauseschritt. Auf einen Soldaten ging er zu und gab ihm ein Autogramm.
Über seinen offiziellen Instagram-Kanal ließ Selenskyi wissen, man habe in Wiesbaden die Aktivitäten der „Security Assistance Group Ukraine (SAG-U)“ besprochen, die vom US-Verteidigungsministerium mit etwa 300 in Wiesbaden stationierten Soldaten in Wiesbaden eingerichtet wurde, ebenso Logistik für Munition und die Auslieferung von Militärfahrzeugen. Er habe die Ehre gehabt, so der ukrainische Präsident, mit hier stationierten ukrainischen Militärangehörigen zu sprechen. Via X (ex-Twitter) sandte er von Wiesbaden aus fordernde Wünsche nach Washington – „Einmal mehr habe ich mich von der exzellenten Qualität der US-Militärhilfe für die Ukraine überzeugen können. Wir brauchen sie dringend für den Sieg!“, schrieb er – und äußerte die Erwartung, der US-Kongress werde bald den „entscheidenden Beschluss“ zustimmen, die Unterstützung fortzusetzen.
So wie er gekommen war, so verließ der Gast aus der Ukraine Wiesbaden auch wieder – über die A 66 in Richtung Flughafen Frankfurt, nächstes Ziel: (vorerst) unbekannt. In der Zwischenzeit hatte er durch Entwicklungen jenseits von Wiesbaden ein großes Ziel erreicht: Die EU hat heute den Weg für Beitrittsverhandlungen freigemacht. Diese Entscheidung bezeichnete Selenskyi in seinem auf das „Wiesbaden-Reel“ folgenden Post als „Sieg für die Ukraine und für Europa“. (Dirk Fellinghauer, Fotos Press Office President of the Ukraine)