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Schlachthof trotz(t) Corona: Veranstaltungen vorerst wie geplant – Erster Fall in Wiesbaden, Minister frei von Panik

Der Schlachthof will auch in Corona-Zeiten volles Haus (hier bei der Eröffnung der neuen großen Halle 2012) und beste Stimmung zulassen.

Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos).

Es war nur eine Frage der Zeit. Die erste Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in der Landeshauptstadt Wiesbaden ist heute bestätigt worden. Der Patientin geht es gut. Die Verunsicherung in Sachen Corona ist auch in der Wiesbadener Bevölkerung groß. Von offizieller Seite setzt man in Hessen und Wiesbaden darauf, jeder Panikmache so gut es geht den Wind aus den Segeln zu nehmen. Und mit dem Schlachthof hat heute eine der größten und publikumsstärksten Veranstaltungsstätten in der Landeshauptstadt klargestellt: „Vorerst finden alle Veranstaltungen statt wie geplant.“

Die infizierte Frau Jahrgang 1967 war zusammen mit ihrem Ehemann mit grippalen Symptomen aus dem Grödnertal in Südtirol am 29. Februar nach Wiesbaden zurückgekehrt. Die Testung des Ehemannes ist umgehend erfolgt. Die Eheleute befinden sich in häuslicher Quarantäne und stehen mit dem Gesundheitsamt im engen Kontakt. „Die Symptomatik ist rückläufig und es geht den beiden gut“, teilt die Stadt mit.

Veranstaltungen absagen? Minister und Experten plädieren für Einzelfallbetrachtung

Hessens Sozialminister Kai Klose (Mitte) informierte am Montagnachmittag über die Lage rund um „Corona“ in seinem Ministerium zusammen mit der Direktorin des Instituts für Virologie der Uniklinik Frankfurt, Professorin Sandra Ciesek, und dem Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, Professor René Gottschalk.

Von offizieller Seite setzt man in Hessen und Wiesbaden darauf, jeder Panikmache so gut es geht den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bei einem Pressegespräch heute Nachmittag ging Sozialminister Kai Klose gemeinsam mit  der Direktorin des Instituts für Virologie der Uniklinik Frankfurt, Professorin Sandra Ciesek, und dem Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, Professor René Gottschalk, spürbar auf Distanz zur aktuellen Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, generell sämtliche Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern oder Teilnehmern abzusagen. Unisono plädierten die Drei für eine differenzierte Betrachtung und Einzelfallentscheidungen und ließen durchblicken, dass sie die Durchführung und damit den Besuch von Veranstaltungen derzeit nicht grundsätzlich als gefährlich einschätzen. Sie verwiesen auch darauf, dass mit einem generellen Verbot von Veranstaltungen ein Eingriff in Grundrechte verbunden sei. „Wenn wir hier Spielräume nicht nutzen, wäre dies fahrlässig“, so Professor Gottschalk, der Spahn eine „bundesdeutsche Sicht“ zubilligte.

Warum 1000er-Obergrenze? Keine Ahnung!

Wie der Bundesminister ausgerechnet auf die Obergrenze von 1000 Personen kam, konnte er nicht erklären: „Infektologisch habe ich dazu keine Info.“ Ratsam sei ein Blick auf die Zielgruppen, Vorsicht sei am ehesten bei Veranstaltungen in Zelten ohne Luftzirkulation sowie bei „Risikogruppen“ wie etwa älteren oder gesundheitlich vorbelasteten und immungeschwächten Menschen geboten. „Wer selbst erkältet ist, sollte zurzeit mit der Omma vielleicht lieber telefonieren anstatt sie zu besuchen,“ riet Minister Klose, der in Hessen bislang „epidemische Cluster“ ausmacht und weiterhin auf eine „Containmentstrategie“ setzt. Ab diesem Dienstag werde es zudem in Hessen „flächendeckend“ Testzentren geben, die Hausarztpraxen und auch fälschlicherweise angesteuerte Notaufnahmen entlasten sollen.

Absage an „Corona-Ferien“

Nur mühsam verbergen konnten die Experten ihr Unverständnis über die schlagzeilenträchtigen „Corona-Ferien“-Forderungen des  Virologen  Alexander Kekulé. „Virologen sollten sich um ihre Viren kümmern, Ärzte öffentlicher Gesundheitsämter um die öffentliche Gesundheit“, meinte süffisant Gesundheitsamtleiter René Gottschalk mit Verweis auf die zugedachte Aufgabenverteilung. „Man soll ja nicht schlecht über Kollegen reden …“, leitete Sandra Ciesek ihre klare Absage an die Forderungen ihres Kollegen Kekulé ein.

Das grundsätzliche „Ja“ des Ministers und der ihn beratenden Experten zur Durchführung von Veranstaltungen dürfte buchstäblich Musik in den Ohren von etwa Kultureinrichtungen und Konzert- und Tourneeveranstaltern sein. So meldete sich heute der Konzertort der Landeshauptstadt, das Kulturzentrum Schlachthof, mit einer eindeutigen Erklärung zu Wort, die ihrerseits schnell großen Applaus in den sozialen Medien bekam.

Weit mehr Besucher als die „Spahn-Tausend“ lockte die österreichische Band Wanda am Montagabend in den Schlachthof. Foto: Universal Music

„Hinsichtlich des Corona Virus folgen wir der weiterhin bestehenden Expertise der zuständigen lokalen Behörden und ihren Fachleuten, weder unsere oder vergleichbare Veranstaltungen zu untersagen“, erklärte der Schlachthof heute – an dem Tag, wo mit einem ausverkauften  Konzert der Band Wanda (Foto) in der großen Halle und einem Hardrock-Konzert im Kesselhaus Veranstaltungen wie geplant durchgeführt wurden, die ein Vielfaches der „Spahn-Tausend“ anlockten. „Die Genehmigungslage mag sich in nächster Zeit ändern, in diesem Falle informieren wir euch umgehend“, zeigt sich der „Schlachti“ veranwortungsbewusst, aber, so die gute Nachricht: „Bis dahin finden alle Veranstaltungen statt wie geplant.“ In diesem Sinne bestehe aktuell auch kein Anlass zur Rückgabe von Vorverkaufstickets. In speziellen Härtefallen bestehe jedoch die Möglichkeit, diesbezüglich Kontakt aufzunehmen. Selbstredend bittet der Schlachthof seine Konzert- und Veranstaltugnsgäste, „auf die hinreichend bekannte Hygiene Etikette zu achten und ansonsten den gesunden Menschenverstand und  Verantwortungsgefühl walten zu lassen“.  Wer ein Konzert besucht, sollte sich dieser Tage vielleicht warm anziehen: „Unsere Lüftungsanlagen sind aktuell auf hohe Leistung eingestellt, um beschleunigt die Luft in unseren Venues auszutauschen. Das kann zur Folge haben, dass es etwas kühler ist als üblich.“

Informationen statt Panikmache? Hier:

Bürgerinnen und Bürger, die Fragen rund um das Coronavirus haben, erreichen täglich von 8 bis 20 Uhr unter der (0611) 318080 das Infotelefon der Stadt. Unter (0800) 5554666 ist zudem täglich von 8 bis 20 Uhr die hessenweite Hotline des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration erreichbar. Stadt und Feuerwehr bitten darum, nicht die 112 bei Fragen zum Coronavirus anzurufen.  Neben dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt Wiesbaden liefern auch das Hessische Sozialministerium und das Robert Koch-Institut auf ihren Websites aktuelle Informationen: www.wiesbaden.de, www.soziales.hessen.de und www.rki.de.

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