Schon die bloße Idee ist ein Coup: Star-Architekt Helmut Jahn aus Chicago baut das Stadtmuseum Wiesbaden. Wie es aussehen würde, wenn diese Vision Wirklichkeit wird, präsentierte der 74-jährige heute persönlich im Rathaus der Stadt, wo das Thema Stadtmuseum seit Jahren ein Politikum erster Güte ist. Heute im vollbesetzten Raum 22 eitel Sonnenschein: OB begeistert, Kulturdezernentin aus dem Häuschen, Projektentwickler und Architekt bester Dinge, Presse vorsichtig angetan. Das nächste Wort haben die Stadtverordneten. Wenn alle Beteiligten grünes Licht geben und dann alles nach Plan läuft, könnte es nach den Worten von Alois Rhiel, Geschäftsführer der Eigentümerfirma OFB Projektentwickung, richtig fix gehen: „Den Bauvorantrag können wir morgen abgeben, bei erfolgreichem Abschluss der Verhandlung noch vor der Sommerpause 2014 würden Bauantrag und Konzeptplanung folgen, Baubeginn wäre Frühjahr 2015 und zum 1. Advent 2016 könnte der Oberbürgermeister die ersten Besucher begrüßen.“ Wohlklingende Zukunftsmusik. Heute, am Tag der ersten Präsentation, der Pläne, interessiert uns erstmal: Und was sagst DU dazu, Wiesbaden? (Dirk Fellinghauer) Ihr wollt noch mehr sehen? Hier entlang.
Eigentlich denkt man zunächst, es handele sich bei der Nachricht um einen verspäteten Aprilscherz. In keiner Stadt in diesem Landes ist es möglich, dass ein Investor der Stadt einen Architekten samt Museum, ohne öffentlichen Wettbewerb präsentiert. In keiner Stadt in diesem Lande gäbe es darüber eine derart freudige Zustimmung der Politiker wie in Wiesbaden.
Liest man den Artikel in der heutigen FAZ, kommt einem die ganze Geschichte wie ein absurdes Theater vor. Der „Stararchitekt“ Jahn ist bisher noch nicht durch einen Museumsbau aufgefallen. Seine Schilderung der Anpassung seine Hauses an die Umgebung ähneln einem Splastick und sind krudes Architektengequatsche. Sein Gebäude aus Alu und Glas könnte überall stehen und hat mit dem Ort nichts zu tun. Gerade die Auswahl der Materialien, garantiert in 30 Jahren, wenn die Stadt das Haus kaufen muss, dass sie nur noch einen teueren Schrotthaufen erwerben wird.
Alles in Allem : ein Skandal erster Güte
Danke Stefan Forster für die offenen Worte! Aber eigentlich ist es noch viel schlimmer. Da wird der Siegerentwurf des durchgeführten Wettbewerbs zerredet, das Grundstück an den landeseigenen Entwickler verkauft und der präsentiert einen amerikanischen „Stararchitekten“, der bislang überwiegend Hochhäuser und Flughäfen gebaut hat. Und so sieht das dann auch aus! Eine Blechdose die den Genius loci so wenig beachtet wie ein ToiToi-Klo und dazu eine LED-Leinwand à la Times Square als Eyecatcher um von dem drittklassigen Entwurf abzulenken. Bravo!
…zum heulen dabei ist, dass so ein Entwurf Wasser auf die Mühlen derjenigen ist, die dem Historismus nachhängen und am liebsten das Kurhaus kopieren würden. Dabei gibt es gute Beispiele zeitgenössischer Museumsarchitektur genug, wie z.B. das Museum Kolumba, das Martin-Luther-Geburtshaus oder das Kunstmuseum Ravensburg.
Sie wollen doch diesen Entwurf nicht ernsthaft mit dem Kolumba in Köln vergleichen? Was hat Jahn hier abgeliefert? Es soll ein stadtgeschichtliches Museum sein. Also eigentlich eines, das vor allem Kleinteiliges präsentiert. Jahn schlägt aber zehn Meter hohe Säle vor. Vollständig untauglich. Wie wenig er von der eigentlichen Bauaufgabe verstanden hat, zeigt sich ja auch darin, dass in den Renderings Rothkos an den Wänden hängen. Übrigens wäre auch das bei den riesigen Glasfronten aus konservatorischen Gründen nicht möglich. Dann haben wir noch ein Vordach, das gar kein Dach ist, unter dem Leute an Café-Tischen im Regen sitzen, in einem Café, das im Entwurf nicht eingeplant ist, sich der Architekt aber wünscht. Und eine Medienfassade, die niemand richtig sieht, außer den Menschen, die an der Wilhelmstraße im Haus gegenüber wohnen. Und abseits von all diesen Untauglichkeiten ist ganz offensichtlich, dass Jahn diesen „Entwurf“ wohl von einer Praktikantin in seinem Büro in höchstens zwei Arbeitsstunden zusammenschrauben ließ. Es ist schlicht eine Katastrophe und Jahn war noch nie ein „Stararchitekt“ (wenn dieser dumme Ausdruck überhaupt irgendeinen Sinn macht).
Ich habe den Entwurf nicht mit dem Kolumba verglichen, sondern dieses als gutes Beispiel angeführt. Ansonsten stimme ich Ihnen in allen Punkten zu.
Da der April nun vorbei ist und der Scherz nicht aufgelöst wurde, stelle ich mal eine Theorie auf: Was wäre wenn der Entwurf absichtlich grottenschlecht ist und die inzwischen bekannte Finanzierung so hanebüchen, sodass das Projekt einen langsamen Tod stirbt und der Projektentwickler die Fläche anders verwerten kann?
Man muss sich natürlich auch fragen, wo in diesem Vorgang gerade die Presse eigentlich ist? Dass der Entwurf so nicht baubar ist liegt auf der Hand, dafür bräuchte es noch nicht einmal einen Journalisten mit architektonischem Fachwissen. Dass die gesamte Finanzierungskonstruktion hochproblematisch und hart an der Grenze zum Skandal ist, ist ebenfalls offensichtlich. Abgefedert könnten beide Probleme durch einen vernünftigen Architekturwettbewerb werden. Auch Projektentwickler können sowas machen. Und wenn die Presse nicht artig das „Stararchitekten“-Liedchen trällern würde, sondern einfach mal etwas zur Sache schriebe, wäre ganz schnell der Druck so groß, dass hier noch einmal von vorne nachgedacht wird.
Ich glaube, dass es hier kein „zurück auf Anfang“ gibt. Das Grundstück ist ohne Bedingungen verkauft worden. Das heißt doch: Sollte sich jetzt Widerstand regen, hätte der Projektentwickler seine „moralische“ Pflicht mit dem Angebot erfüllt und wäre fein raus.