Direkt zum Inhalt wechseln
|

Stell dir vor, es ist Stadtradeln, und keiner erfährt´s – Klimaschutzaktion startet morgen fast heimlich

Stadtradeln

 

Von Dirk Fellinghauer.

Morgen startet die Aktion „Stadtradeln 2015“ in Wiesbaden. Schon gewusst? Wahrscheinlich nicht. Denn auch wenn sich die stellvertretende Leiterin des für die Aktion federführenden Tiefbauamtes neulich in einem Zeitungsbericht mit dem Hinweis „Wir rühren noch kräftig die Werbetrommel“ zitieren ließ, wurde nach unserer Wahrnehmung seitens der Stadt nicht viel mehr als gar nichts unternommen, um die Wiesbadener von der Aktion wissen zu lassen – geschweige denn, sie dafür zu begeistern und zum Mitmachen zu animieren. Gerade mal 221 „Stadtradler“ haben sich bis einen Tag vor dem Start der Aktion angemeldet.

Dabei ist genau dies – Begeisterung auslösen, zum Mitmachen animieren – eigentlich Sinn der Sache. Die „Stadtradeln“-Idee ist einfach und wird vom Klima-Bündnis in der bereits achten Auflage bundesweit in und mit etwa 300 Teilnehmerkommunen umgesetzt: Bürger werden aufgerufen, drei Wochen lang aufs Rad umzusteigen, Kommunalpolitiker gehen mit gutem Beispiel voran. Teilnehmer radeln um die Wette und sammeln Radkilometer für den Klimaschutz und für eine verstärkte Radverkehrsförderung in ihrer Heimatkommune – wo sonst würde dieses Anliegen mehr Sinn machen als in Wiesbaden, der laut ADFC-Studie „fahrradunfreundlichsten Stadt Deutschlands“?

Dass beim Auftakt in unserer Stadt letztes Jahr gerade mal 206 Wiesbadener mitmachten, während anderswo mit Engagement, Spaß und guten Ideen ganze Mengen mobilisiert werden, konnte man noch im Premierenjahr noch mit Anlaufschwierigkeiten entschuldigen. Und in diesem Jahr? Fast das gleiche Bild – trotz  diesmal ausreichender Vorbereitungszeit, trotz einer hauptamtlichen „Radverkehrskoordinatorin“, die mittlerweile ihren Dienst bei der Stadt angetreten hat. Was könnte man Tolles machen aus einer solchen Aktion? Firmen, Vereine, Studierende, natürlich auch Einzelpersonen mobilisieren und ein „Stadtradeln-Fieber“ in der Stadt auslösen. Muss gar nicht so schwer sein. Wenn man denn will.

Vor allem „die üblichen Verdächtigen“ machen mit

Stattdessen in Wiesbaden: ein verlorenes Plakat im Rathaus, eine Pressemitteilung fünf Tage vor dem „Startschuss“ – wer will da noch in Ruhe ein Team bilden und mobilisieren für das Gemeinschaftserlebnis „Stadtradeln“? Die Wiesbadener Schulen immerhin wurden gezielt angesprochen. Sie haben alle Teams angemeldet, die allerdings fast alle noch keinerlei Teilnehmer haben. Angemeldet haben sich vor allem die „üblichen Verdächtigen“ – Ämter, Behörden, Parteien, Radfahrclubs und -aktivisten. Das ist ja schon mal super, reicht aber nicht, wenn „Stadtradeln“ wirklich etwas bewirken soll.

Verkehrsdezernentin Sigrid Möricke, auf deren Initiative und unter deren Ägide das „Stadtradeln“ im Tiefbauamt organisiert wird, oder besser gesagt organisiert werden sollte, wird als „Stadtradler-Star“  am Sonntag wieder ihren Dienstwagen für drei Wochen PR-trächtig einmotten und aufs Fahrrad umsteigen*. Das ist schön und gut und löblich. Und deckt noch nur einen Part, das gute Voranfahren der Vorbilder, ab. Die andere, eigentlich viel wichtigere Idee des „Stadtradelns“, in der breiten Bevölkerung Bewusstsein und Begeisterung fürs Radfahren zu entfachen und Anregungen zum Umdenken zu geben – und damit wiederum den Kommunalpolitikern wichtige Zeichen zu geben, dass der Radverkehr mehr Raum in der Stadt braucht -, bekommt Wiesbaden auch im zweiten Jahr nicht auf die Kette. So präsentiert sich die „radfahrunfreundlichste“ Stadt auch wieder als wohl „Stadtradeln-unfähigste“ Stadt Deutschlands. Das ist nicht nur schade,  sondern ärgerlich. Und verdirbt den Spaß an der eigentlich super Aktion schon, bevor es losgeht**.

* „Der Startschuss zur Kampagne Stadtradeln erfolgt am Sonntag, 31. Mai, um 9.30 Uhr auf dem Elsässer Platz. Sigrid Möricke wird die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßen, anschließend werden die Pkw der sogenannten „Stadtradler-Stars“ unter einer Plane verhüllt.“ (Pressemitteilung vom 26.05.2015)

**HINWEIS Auch sensor hatte wie im letzten Jahr ein Team für das Stadtradeln 2015 angemeldet. Unter den beschriebenen Umständen verzichten wir aber in diesem Jahr – also bitte nicht als Teilnehmer für dieses Team eintragen – und hoffen auf, aller guten Dinge sind ja vielleicht drei, bessere Startbedingungen im nächsten Jahr, um dann wieder ein- und aufzusteigen.