600 Arme hooooch für PULSE OF EUROPE Wiesbaden – auch zur zweiten Veranstaltung der Deutschland-und-darüber-hinaus-weiten neuen Bürgerbewegung für den Erhalt eines offenen, demokratischen, toleranten Europas kamen bei wechselhaftem Wetter etwa 300 ganz unterschiedliche Menschen auf dem Dern´schen Gelände zusammen. Sie lauschten drei Reden und redeten, moderiert von Hauptinitiator und -organisator Dirk Vielmeyer, miteinander, fassten sich zum Abschluss im riesigen Kreis rund um den Platz an den Händen und sangen zusammen die Europahymne. Außerdem füllten die Teilnehmer rund 200 gelbe „Europa ist mir wichtig, weil …“-Zettel aus, alle Statements sollen abgetippt und veröffentlicht werden. Am nächsten Sonntag, 12.03., um 2 geht es weiter. Die Beiträge auf der Bühne kamen heute von Felicitas Stoll von der Grünen Jugend, Susanne Seulberger, die sich wegen ihres privaten Engements in der Flüchtlingshilfe als „Brotschmiererin“ bezeichnet und Stadtschulsprecher Jakob Kirfel, der als Vorsitzender des Stadtschülerrats 30.000 Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen in Wiesbaden vertritt. Die Rede des 18-jährigen veröffentlichen wir, wie beim Auftakt die von Kris Kunst, im Wortlaut. Hatte dieser „eine neue, soziale Seele“ für Europa gefordert, so befand Jakob Kirfel: „Der EU fehlt ein Leitmotiv“.
„Europa befindet sich zurzeit leider in ihrer schwersten Krise seit dem Ende des kalten Krieges. Rund 20% der Parlamentarier im EU-Parlament wollen die EU als solche abschaffen, wir beobachten antidemokratische Tendenzen in Polen und Ungarn, der Schengenraum ist in Gefahr, und nicht zuletzt der Brexit beweist, wie schlecht es momentan um die Europäische Union bestellt ist.
Dieses Jahr wird ein wegweisendes Jahr für die EU. Wenn Frankreich und die Niederlanden die Union verlassen, dann ist der Zerfall der EU nicht mehr aufzuhalten. Ein Ende der europäischen Idee bedeutet ein Europa der Grenzen und Nationalstaaten. Anstelle von Wirtschaftswachstum und Wohlstandsgewinn werden die Bürgerinnen und Bürger in allen Staaten der EU zu den Verlierern gehören. Nicht zu vergessen, würde mit der Europäischen Union ein Stabilitätsanker in der Welt wegfallen.
Frieden ist nicht selbstverständlich
Was der EU fehlt, ist ein Leitmotiv mit dem sich die Bürgerinnen und Bürger identifizieren können:
Über Jahre hinweg war das Leitmotiv der Frieden in Europa. Dieses scheint mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten. Uns muss vor Augen geführt werden, dass der Frieden nicht selbstverständlich ist, wie wir leider schmerzlich in unserer direkten Umgebung feststellen müssen. Im Osten der Ukraine tobt ein Krieg, unter dem grade die Zivilbevölkerung vor Ort leidet. Auf der anderen Seite des Mittelmeeres leidet die Zivilbevölkerung unter dem Terror, Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht.
Was bedeutet die EU für die einzelnen Mitgliedsstaaten:
– Zum einen den wirtschaftliche Aufschwung, grade auch durch die Gemeinschaftswährung Euro
– Stärke, denn die EU ermöglicht es, mit Großmächten wie den USA, China und Russland auf Augenhöhe zu verhandeln
– Freiheit: der freie Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr beflügelt unsere Wirtschaft und der freie Personenverkehr ermöglicht eine in Europa bis dato noch nie dagewesene Freiheit für jeden einzelnen Bürger der EU
-Letztlich bedeutet die Europäische Union auch Sicherheit, denn dieser Zusammenschluss europäischer Länder ist die richtige Antwort auf einen neuen internationalen Terrorismus.
Parteien müssen Populismus widerstehen
In diesem Jahr müssen demokratische Parteien wie auch wir Bürgerinnen und Bürger zusammenstehen und Europa gegen EU-feindliche Tendenzen verteidigen, gerade die Parteien sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, dem Populismus zu widerstehen und bei einer unvergleichlichen Hetzkampagne gegen die Institutionen der EU standhaft zu bleiben. Gemeinsam sollten wir eine klare Sprache gegen antidemokratische und antieuropäische Strömungen in der EU finden.
Einheit für EU wichtiger als Größe
Allerdings muss sich die EU auch verändern: Die europäische Union definiert sich nicht nur durch Größe, sondern vielmehr durch Einheit. Wenn also fundamentale Werte der EU nicht mitgetragen werden, muss darüber nachgedacht werden, ob die EU verkleinert werden muss. Antidemokratische Strömungen in Polen und Ungarn dürfen nicht toleriert werden, denn gemeinsam errungene Werte dürfen nicht der Größe der EU zum Opfer fallen.
Bei aller berechtigten Kritik an der EU darf nicht vergessen werden, wie fatal das Ende der EU wäre. Wir alle, besonders wir junge Menschen, müssen unsere Stimme lauter erheben und für die EU und ihre Errungenschaften werben, denn die Debatte darf nicht von den Kritikern und Populisten bestimmt werden. Des Weiteren müssen wir klar machen, dass die EU nicht durch rechtspopulistische Parteien sozialer, gerechter und demokratischer wird, dies wird sie einzig und allein durch Parteien der Mitte und von Links, diese brauchen unsere Unterstützung.
Erfolge feiern anstatt über längst obsolete Gurkenverordnung mäkeln
Ein ganz aktuelles Beispiel für die vielfältigen Möglichkeiten der EU ist die Abschaffung der Roaming-Gebühren. Diese führt dazu, dass wir schon bald unsere privaten Urlaubsfotos vom Strand in Italien oder Spanien direkt mit der gesamten Welt teilen können – und das ganz ohne Mehrkosten. Wo bleibt der Dank für diese Entscheidung? Stattdessen wird noch immer an der bereits längst abgeschaffte Gurkenverordnung rumgemäkelt. Es ist Zeit die EU für ihre Erfolge zu feiern, anstatt auf sie bei jeder Gelegenheit einzudreschen!
Ein Scheitern der EU hätte grade für uns junge Menschen fatale Folgen: Wir haben uns daran gewöhnt, innerhalb der EU frei reisen, studieren und arbeiten zu können. Diese grandiosen Errungenschaften der Freiheit dürfen nicht verloren gehen! Des Weiteren stellte Bundestagspräsident Lammert treffend fest, dass wir die Folgen von Nationalismus schmerzvoll im letzten Jahrhundert zu spüren bekommen haben. Geschichte darf sich nicht wiederholen, aus den Fehlern der Vergangenheit müssen wir lernen und deswegen gilt es die EU gegen nationalistische Kräfte zu verteidigen.“
„Pulse of Europe Wiesbaden“ trifft sich das nächste Mal am 12. März und bis auf Weiteres – wie in mittlerweile 27 deutschen Pulse of Europe-Städten sowie Amsterdam in den Niederlanden, Bath in Großbritannien und Lyon, Montpellier, Paris, Strasbourg und Toulouse in Frankreich – jeden Sonntag um 14 Uhr auf dem Dern´schen Gelände. Das Fotoalbum von der 2. Pulse of Europe-Veranstaltung in Wiesbaden findet ihr hier. (dif/Fotos Dirk Fellinghauer)