In „einer Stadt, in der immer Sonntagnachmittag ist“, wähnte sich Staatstheater-Intendant Uwe Eric Laufenberg kurz nach seinem Dienstantritt ob des gemütlich erscheinenden Lebensgefühls in der Landeshauptstadt. Als eine Stadt, in der immer Samstag ist, fühlt sich Wiesbaden ab heute für Buskunden von ESWE Verkehr an.
„Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass wir auch in Zukunft Menschen finden, die mit Leib und Seele einen systemrelevanten Beruf ergreifen: den des Busfahrers”, erklärt ESWE-Verkehr-Geschäftsführer Jan Görnemann zum dramatischen Hintergrund seiner jüngsten Entscheidung: Grundsätzlich fahren ab heute alle Linien montags bis freitags nach dem Samstags-Fahrplan. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Die Zahl der täglichen Verbindungen sinkt bis auf Weiteres von 3700 auf 2800.
Täglich fehlen 50 Busfahrer
ESWE Verkehr leide unter dem bundesweiten Fachkräftemangel in der ÖPNV-Branche, heißt es zu der Entscheidung: „Derzeit fehlen dem Wiesbadener Mobilitätsdienstleister täglich etwa 50 Busfahrer.“ Dies führte bereits in den vergangenen Wochen zu einzelnen Fahrtausfällen im Liniennetz – und sorgte, so ESWE Verkehr, „zurecht für Verärgerung bei den Fahrgästen“. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, habe ESWE Verkehr beschlossen, das Fahrplanangebot zu reduzieren. Das wichtigste Ziel laute, „den Fahrgästen wieder einen verlässlichen Fahrplan anbieten zu können.“
„Müssen jetzt die Reißleine ziehen“
„Wir drücken den Reset-Knopf und fahren das System langsam wieder hoch”, erklärt ESWE-Verkehr-Geschäftsführer Jan Görnemann die Maßnahme. Er ergänzt: „Wir sind uns bewusst, dass die Einschränkungen für unsere Fahrgäste gerade zum Schulstart ziemlich erheblich sind, aber wir müssen jetzt die Reißleine ziehen.”
Bis auf weiteres fahren deshalb ab heute grundsätzlich alle Busse im Liniennetz von ESWE Verkehr nach dem Samstags-Fahrplan – mit diesen Ausnahmen:
- Der komplette Schülerverkehr in Wiesbaden inklusive aller E-Linien (im Fahrplanbuch ab Seite 382 aufgeführt) fährt ganz normal und ohne Einschränkungen.
- Die Linien 9, 34, 38, 46, 49 fahren weiterhin nach dem regulären Montag-bis-Freitag-Fahrplan.
- Auf den Linien 20, 37 und 47 werden zur Entlastung zusätzlich zum Samstags-Fahrplan sogenannte Verstärker-Fahrten fest eingeplant. Diese Zusatzfahrten werden nach und nach über die Online-Fahrplanauskunft einsehbar sein.
- Die Linie 28 fährt zwar grundsätzlich nach dem Samstags-Fahrplan. Jede Fahrt wird jedoch bis zur Haltestelle „Bismarckplatz“ in Mainz durchgeführt.
- Die Linien 2 und 43 entfallen komplett.
- Im Nachtverkehr gilt folgendes: Alle Nightliner (Linien N2 bis N13) sowie die Linie 6 von und bis Mainz Hauptbahnhof fahren nach ihrem üblichen Fahrplan. Hier gibt es keine Änderungen.
An Samstagen gilt auch weiterhin der reguläre Samstags-Fahrplan ohne die oben beschriebenen Ausnahmen. An Sonntagen und Feiertagen gilt der Sonntags- und Feiertags-Fahrplan. Der Samstags-Fahrplan ist auf den Fahrplanaushängen an den Haltestellen sowie im Fahrplanbuch an der jeweiligen Spalte „Samstag“ erkennbar.
Den Fahrgästen wird empfohlen, sich über die RMV-App oder die RMV-Fahrplanauskunft unter www.eswe-verkehr.de über ihre Verbindungen zu informieren. Dort sind auch geplante Verstärkerfahrten sowie Live-Daten zu finden.
Hauptziel Verlässlichkeit
Die Fahrplananpassung versetze ESWE Verkehr in die Lage, wieder genug Reservefahrer vorzuhalten, um gezielt auf Strecken mit hoher Auslastung Zusatzfahrten anzubieten. Somit könnten Fahrer und Fahrzeuge wesentlich flexibler am tatsächlichen Bedarf orientiert eingesetzt werden. ESWE Verkehr wird außerdem ganztägig auf allen Linien alle verfügbaren Gelenkbusse einsetzen.
Das Hauptziel laute, wieder Verlässlichkeit in den Fahrplan zu bekommen, erklärt der ESWE-Verkehr-Geschäftsführer. „Alle Fahrgäste sollen sicher wissen, dass der Bus, auf den sie sich verlassen, auch wirklich kommt.“ ESWE Verkehr stelle zwar das Fahrplan-Grundgerüst unter der Woche auf den Samstags-Fahrplan um, man wolle aber trotzdem deutlich mehr Fahrten anbieten. „Uns ist wichtig, dass der Schülerverkehr innerhalb Wiesbadens auch weiterhin in vollem Umfang gewährleistet ist. Darüber hinaus wollen wir jeden verfügbaren Fahrer im Liniennetz einsetzen und für Entlastung sorgen”, sagt Görnemann.
„Busfahrer arbeiten seit Monaten über dem Limit“
Fahrdienstmitarbeiter fehlten derzeit bundesweit. Fahrtausfälle wegen Personalmangel seien derzeit überall auf der Tagesordnung, so Görnemann . „Wir gehen nun den ehrlichen Schritt und sagen: Wir wollen keine Ausfälle mehr, wir wollen wieder Zuverlässigkeit im Fahrplan für unsere Kundinnen und Kunden. Gleichzeitig müssen wir aber auch unsere Mitarbeiter hinter dem Lenkrad sowie in der Personaldisposition und der Angebotsplanung entlasten. Die Kollegen arbeiten seit Monaten über dem Limit.”
Dr. Martin Pächer, bei ESWE Verkehr Geschäftsbereichsleiter Busbetrieb, ergänzt: „Die leider deutliche Fahrplanreduzierung hilft uns dabei, den Druck auf unsere Personalplanung und unser Personal rauszunehmen. Fahrer können endlich Überstunden abbauen oder ihren verdienten Urlaub nehmen. Wir haben als Arbeitgeber die Fürsorgepflicht, unsere Mitarbeiter zu schützen und ihnen wieder Luft zum Atmen zu geben.”
Fahrpersonal dringend gesucht
Seit Jahresbeginn haben nach Angaben von ESWE Verkehr 58 Fahrer das Unternehmen auf eigenen Wunsch hin verlassen, zwölf weitere sind in die Rente eingetreten. Zur gleichen Zeit sind 42 Mitarbeiter, darunter fünf Rückkehrer, ins Unternehmen gekommen. 750 Busfahrer hat ESWE Verkehr derzeit. Das reiche in der aktuellen Phase nicht, um das volle Fahrplanangebot zuverlässig anbieten zu können.
Das Verkehrsunternehmen arbeite bereits seit einiger Zeit intensiv daran, weiteres Fahrpersonal zu gewinnen. Geschäftsführer Jan Görnemann erklärt: „Wir haben zum Beispiel in diesem Jahr endlich dafür gesorgt, dass die Vorbeschäftigungszeiten von Fahrern bei vorherigen Unternehmen anerkannt werden. Dies wirkt sich positiv in der Eingruppierung in den Entgeltstufen aus.” ESWE Verkehr sei darüber eines der wenigen kommunalen Verkehrsunternehmen in der Region, das selbst Busfahrer von Grund auf ausbildet. Bis zu 60 Fahrer können pro Jahr in Wiesbaden den entsprechenden Führerschein erwerben. Klar sei aber auch: Viele Maßnahmen, die man ergreifen könne, um die Attraktivität des Berufs weiter zu steigern, bedeuteten immer auch ein Mehr auf der Ausgabenseite. (dif)
Weiterlese-Tipp: Das große 2×5-Interview mit Andrea Kuhlenschmidt, Busfahrerin bei ESWE Verkehr.
Ich frage mich nach dem Versagen der ESWE Geschäftsführer was für ein Mieserabeles Personal Management hat ESWE den bitte mich würde interessieren warum sind die Fahrer auf eigenen Wunsch dort gegangen schlechtes Unternehmen
„…Wir haben als Arbeitgeber die Fürsorgepflicht, unsere Mitarbeiter zu schützen und ihnen wieder Luft zum Atmen zu geben….“
Diese Aussage ist ja wohl der blanke Hohn! Viele Fahrer fehlen wegen eine Corona Infektion. Ist ja auch nicht verwunderlich, wenn die noch bestehende Masken Pflicht in Bussen und Bahnen von der Eswe zumindest in keinster Weise kontrolliert und durchgesetzt wird. Genau so schützt man die Mitarbeiter und „gibt ihnen Luft zum Atmen“? Ja dann braucht man sich auch nicht über hohe Krankenstände zu wundern!
in anderen Medien wird darüber berichtet, dass laut ESWE „das ganz große Chaos“ ausgeblieben sei. Na vielleicht sollten die Verantwortlichen einfach einmal selber ihr Auto stehen lassen und Busse benutzen, dann dürfte sich diese Aussage aber ganz schnell erledigt haben. Ich selber habe am Dienstag fast 1 1/2 Stunden vom Westend (Blücherstr.) bis nach Biebrich benötigt. Denn trotz des ausgedünnten Fahrplans fallen immer noch Busse aus.
Wann nimmt der Vorstand von Eswe Verkehr endlich seinen Hut und macht Platz für Leute die sich mit so was auskennen und auch zum langfristigen (Personal)planen fähig sind?