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Das große 2×5-Interview: Prof. Dr. Detlev Reymann, Präsident Hochschule RheinMain, 56 Jahre, 2 Töchter

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Interview Dirk Fellinghauer. Foto Simon Hegenberg.

Mit wem konkurriert die Hochschule RheinMain – und wie?

Ich glaube, hier in Wiesbaden sind wir mit unserem Angebot konkurrenzlos. Ansonsten wissen wir, dass die Studenten üblicherweise aus einem Umkreis von 150 bis 200 Kilometern kommen. Da fallen allerdings ein paar Studiengänge raus. Kommunikationsdesign ist sicher ein Studiengang, der bundesweite Ausstrahlung hat. Unser Leitmotto ist relativ deutlich. Wir haben einen Satz gefunden, der das sehr schön auf den Punkt bringt: „Wir coachen die Studierenden zum Studien- und Berufserfolg“.

Ärgert es Sie, Präsident einer Hochschule zu sein, die in der eigenen Stadt kaum wahrgenommen wird?

Der Ärger ist mittlerweile verflogen. Das war am Anfang so, dass ich mich sehr geärgert habe über eine fast ignorante Haltung uns gegenüber. Das haben auch viele Kollegen so empfunden. Ich glaube, dass sich inzwischen viel getan hat.

Was fordern Sie, damit die Hochschule noch sichtbarer wird?

Wir sind dazu übergegangen, dass wir nicht sagen, wir fordern was von der Stadt, sondern wir bieten unsere aktive Mitarbeit in der Stadtcommunity an. Das Netzwerk der Wissenschaften wird jetzt wirksam. Wir haben uns aktiv in das Thema Radverkehr eingebracht. Wo ich mir noch mehr wünschen würde, ist Ausschilderung in der Stadt. In jeder Popelstadt wird man schon an der Autobahn drauf hingewiesen, an welcher Abfahrt man runter muss. Wir haben im Moment zwei Straßenschilder, die unmittelbar an die Hochschule RheinMain verweisen. Die sind am Kurt-Schumacher-Ring! Wo wir noch etwas tun können, gemeinsam mit der Stadt, ist das Thema Start-Ups. Da ist noch Potenzial. Das wäre auch zum Nutzen der Stadt.

Was sehen Sie als größte Herausforderung, die Sie als Hochschulpräsident meistern müssen?

Im Moment ist es einfach diese Überlast, die wir haben. Wir haben aufgrund des Wachstums pro Studierenden sinkende Finanzierungsbeiträge des Landes. Die Summen sind kontinuierlich runtergegangen. Unter diesen Bedingungen eine vernünftige Qualität des Studiums hinzukriegen, ist mit Sicherheit für die kommenden Jahre die größte Herausforderung. Ansonsten ist eine Hochschule ja ein ganz spannendes Gebilde. Das meine ich so, wie ich es sage. Das ist eine Ansammlung von hochspezialisierten Experten. Im Verhältnis zu einem normalen Unternehmen ist die Leitung eines solchen Ladens schon eine Herausforderung. Wir haben auf Lebenszeit verbeamtete Professoren, die Experten in ihrem Gebiet sind, die sich erstmal fachlich und auch grundgesetzlich geschützt nichts sagen lassen müssen. Sie leiten so eine Hochschule nur, wenn es Ihnen gelingt, Leute zu überzeugen. Ich finde, das ist eine riesen Herausforderung, die aber auch Spaß macht.

Wie steht es um das Verhältnis zur EBS: Sehen Sie hier eine Perspektive für mehr Kooperation anstatt Konfrontation?

Auf der persönlichen Ebene hat es nie eine Konfrontation gegeben. Wir haben auch schon Gespräche gehabt und arbeiten zusammen.  Da habe ich überhaupt keine Berührungsängste. Ich habe auch überhaupt kein Problem mit einer privaten Hochschule an sich, das gehört zum System dazu. Was mich aber immer gestört hat und was ich nach wie vor für falsch halte, ist dieser Ansatz der Finanzierung, der da gelaufen ist. Den Streit muss man aushalten können. Ich will da nicht nachtreten, aber die Entwicklungen der letzten Jahre haben eigentlich all das bestätigt, was ich von Anfang an kritisiert habe. Wenn Sie im Kopf haben, dass die Zusage der 25 Millionen vom Land passiert sind zu einem Zeitpunkt, als im selben Jahr bei den staatlichen Hochschulen 30 Millionen gekürzt worden sind, ist das schon extrem und für mich nicht nachzuvollziehen.

MENSCH

Sie leben seit fast zwanzig Jahren in der Gegend. Haben Sie das Wesen Wiesbadens erkundet?

Das schimärenhafte, janusköpfige Wesen! Für mich ist Wiesbaden in Deutschland eine sehr einzigartige Stadt. Ich mag Wiesbaden unheimlich gerne! Auch wenn ich etwas Kritisches sage, ist das mit einer Grundsympathie verbunden. Das ist mir schon wichtig, dass ich da nicht als Wiesbaden-Basher rüberkomme. Aber es ist eben eine Stadt mit teilweise für mich extremen Widersprüchen. Wellritzstraße und Wilhelmstraße, in dieser krassen Nähe diese Unterschiedlichkeiten kenne ich das kaum aus einer anderen Stadt.  Und ich finde, dass Wiesbaden sich einfach unter Wert verkauft. Ich erlebe das sehr stark, dass ein  nennenswerter Teil der prägenden Stadtbevölkerung Wiesbaden immer noch Wiesbaden als Kurstadt sieht. Ich halte das für eine Katastrophe. Für mich ist Wiesbaden die Stadt der kreativen Köpfe oder der klugen Köpfe. Und dann haben wir dieses altbackene Image. Ich verzweifle da manchmal dran. Das Selbstbewusstsein ist im Wesentlichen entstanden durch: Der Kaiser geht hier baden. Das prägt kein Selbstbewusstsein. Zumal der Kaiser nicht mehr kommt! Da würde ich mir so eine Offensive wünschen und uns in einer wichtigen Rolle sehen.

Sie sind gelernter, studierter und promovierter Gärtner. Was halten Sie von Urban Gardening?

Toll! Überhaupt keine Frage. Ich halte das für eine kluge Geschichte. Das ist ein wichtiges Thema, auch um eine gewisse Autarkie hinzukriegen. Wir haben ja langfristig ein echtes Ernährungsproblem. Das wird mit Sicherheit so sein, das sage ich jetzt nicht nur als Gärtner, sondern auch aus ökologischer Sicht, dass dieser Fleischverbrauch nicht funktionieren wird. Alleine aus diesem Grunde muss Gemüse, Getreide und was weiß ich nicht alles  eine größere Rolle spielen. Schauen wir mal, was daraus wird. Aber ich habe da viel Sympathien für.

Wie sieht Ihr eigener Garten aus?

Ich habe in Geisenheim einen ganz kleinen am Haus, das ist ein Handtuchgarten. Der fällt ein bisschen aus dem Rahmen, weil die Heckenpflanzen zu den Nachbarn Beerenobststräucher sind. Wir haben zusätzlich noch einen Kleingarten in der Nähe, wo ein bisschen mehr Obst und Gemüse steht. Ich habe leider kaum noch Zeit,  mich drum zu kümmern. Und dann bin ich noch Besitzer von ein paar Olivenbäumen in Italien. Nächste Woche bin ich zum Ernten dort.

Haben Sie eine Lieblingspflanze?

Da ich Baumschulgärtner bin, sind es eher Bäume. Ein wunderbarer Baum, den ich sehr liebe, ist der Ginkgo Biloba. Botanisch gesehen ist der spannend, weil er am Übergang zwischen Nadel- und Laubbäumen steht entwicklungshistorisch. Es ist ein Nacktsamer, aber schon ein Laubbaum. Aber das geht jetzt sehr ins Botanische.

Mögen Sie Studentenfutter?

Zum Essen nicht wirklich, da ich eine Allergie gegen Nüsse habe. Wenn es auf dem Tisch liegt, esse ich nur die Rosinen. Die gleichnamige Aktion finde ich prima, weil sie für mich zum Ausdruck bringt, dass die Stadt endlich endlich nach außen zeigt, dass Studierende willkommen sind in der Stadt.