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„Der stolzeste Satz, den man 2015 sagen kann: Ich bin weltoffen und bunt“ Schüler begeistert No-Pegida-Demo

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 Text und Fotos: Dirk Fellinghauer

Ein Wiesbadener hatte die Idee, einige Wiesbadener sorgten für die Umsetzung der Idee, Tausende Wiesbadener machten die Idee und ihre Umsetzung zu einem eindrucksvollen Erfolg. Der No-Pegida-Spaziergang „Für Offenheit, Toleranz, Demokratie und Solidarität“ am Montagabend geriet zu einem der größten im ganzen Land, die Teilnehmerzahl übertraf mit 8000 bis 10.000 selbst kühnste Erwartungen. Zehn Wiesbadener – Initiator Lex Hoogstad, OB Sven Gerich, der seine Rede heute hier veröffentlicht hat, DGB-Chef Philipp Jacks und Vertreter verschiedener Religionen und Organisationen – hielten an drei Stationen Reden. Alle sagten Kluges und Gutes, Richtiges und Wichtiges. Einer von ihnen hinterließ bei der Abschlusskundgebung vor dem Rathaus besonderen Eindruck, sorgte mit dem, was er sagte, und damit, wie er es sagte, für besonders großen Jubel. Es war der letzte und der jüngste Redner des Abends. Es war der 17-jährige Henri Johna. Wir veröffentlichen seine komplette Rede im Wortlaut.

Der am 1. Juli 1997 in Osnabrück geborene Wiesbadener, der die Grundschule in Kiedrich und das Gymnasium in Eltville besuchte und anschließend ein High-School-Jahr auf der Trinity High School in Stamford bei New York absolvierte, besucht seit 2012 die Leibnizschule Wiesbaden. Er ist stellvertretender Stadtschülersprecher von Wiesbaden.

„Am Donnerstag haben wir als Vorstand des Stadtschülerrats beschlossen, dass ich die Rede halten werde“, erzählte er uns heute, wie – und wie kurzfristig – er zu seinem Auftritt vor der eindrucksvollen Kulisse des mit einer bunten Menschenmenge gefüllten Schlossplatzes kam: „Daraufhin habe ich mich am Freitag hingesetzt und zunächst mit der Hilfe meiner Vorstandskollegen festgelegt, welche generellen Themen ich in meiner Rede ansprechen soll und möchte. Mit diesen Themen als Wegweiser habe ich dann die Thesen und Forderungen für die Rede zunächst in Stichpunkten festgehalten und sie dann einfach ausgeschrieben.“  Der auch als DJ aktive Henri Johna sorgte mit historischen Referenzen und einem starken Statement für einen besonderen Schlusspunkt: „Zu meinem Schlussteil wurde ich durch den Song „Klanga“ von Gostan inspiriert, in dem die berühmte Rede von John F. Kennedy gesamplet wird.“

Die Rede von Henri Johna, gehalten bei der Abschlusskundgebung des No-Pegida-Spaziergangs in Wiesbaden am 19. Januar bei Eiseskälte auf dem vollbesetzten Schlossplatz, im Wortlaut: 

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„Hallo, mein Name ist Henri Johna, und ich vertrete heute den Stadtschülerrat. In diesem Gremium wurde uns von einem Wiesbadener Schüler folgendes berichtet. Wörtlich sagte er: „Ich wurde als Muslime schon im Unterricht gefragt ob ich gedenke, mich dem IS anzuschließen“. Und glauben sie mir, so etwas hört man öfter in den Klassenräumen und auf den Pausenhöfen der Wiesbadener Schulen. Aber ich wurde als Katholik noch nie gefragt, ob ich mich dem Ku-Klux-Klan anschließen will, weder in der Schule noch sonst wo.

Es geht also nicht um eine allgemeine Angst vor religiösem Fanatismus. Viele unterstellen einseitig den Muslimen, sie seien gefährlich,  was nicht ferner von der Realität sein könnte. Hier spielen diffuse Abgrenzungswünsche und noch diffusere Ängste eine große Rolle.

Die beste Maßnahme gegen Extremismus und Ängste ist Wissen

Die beste Maßnahme sowohl gegen Extremismus als auch gegen unberechtigte Ängste ist Wissen. Wissen um die positiven Einflüsse die eine Pluralität in der Gesellschaft mit sich bringt. Wissen um die Gründe die Asylanten aus ihrem Land vertreiben. Wissen vertreibt Vorurteile und unberechtigte Ängste.

Eine Bildungsoffensive, die nicht nur Faktenwissen vermittelt, wie zum Beispiel, dass im Jahre 2012 die 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass 22 Milliarden Euro mehr in den deutschen Haushalt eingezahlt haben als sie aus ihm bezogen haben, sondern insgesamt die Menschen zu mehr Weltoffenheit und selbständigem Denken anregt.

Eine Bildungsoffensive, die allen zeigt, dass wir als Gesellschaft friedlich und ohne Vorurteile zusammen leben können und allen zeigt, dass jeder hier in Deutschland und in unserer Gesellschaft willkommen ist, egal welche Hautfarbe die Person hat, egal welche Religion sie hat, egal ob Immigrant oder Person mit Migrations-Hintergrund, egal ob jung oder alt, egal ob körperlich oder gesellschaftlich benachteiligt und egal ob homo- oder heterosexuell.

Pegida ist das Gegenteil von Weltoffenheit

Das ist eine weltoffene Gesellschaft und das wollen auch die Wiesbadener Schüler, die ich heute vertrete. PEGIDA ist das Gegenteil von Weltoffenheit, es geht dieser Bewegung nicht um Integration, sondern um Verhinderung von den von ihnen erfundenen Parallelgesellschaften nach dem Motto: ihr müsst genauso wie wir sein oder Ausweisung. Und beide dieser Varianten sind abscheulich, menschenverachtend, und haben nichts mit den Werten zu tun, die das von der PEGIDA propagierte Abendland doch seine eigenen nennt.

„ Ich bin weltoffen, ich bin bunt, und PEGIDA hat hier nichts zu suchen“

Jemand hat 1963 mal gesagt, dass vor 2000 Jahren der stolzeste Satz „civis Romanus sum“ war und dass 1963 der stolzeste Satz „ich bin ein Berliner“ war. Im Angesicht der PEGIDA Demos die durch die Städte ziehen und verzweifelt eine nette Artikulierung von „Ausländer raus“ suchen kann ich euch sagen: der stolzeste Satz den man 2015 sagen kann, ist „ Ich bin weltoffen, ich bin bunt, und PEGIDA hat hier nichts zu suchen“.