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Editorial April-sensor: Kunst wohin man schaut, Raumnot wohin man hört

Kunst wohin man schaut, Raumnot wohin man hört,

liebe sensor-Leser:innen. Sicher ist eine Ladung selektive Wahrnehmung im Spiel, schließlich bin ich sensibilisiert, wir reden von unserem aktuellen Titelthema. Aber wenn ich mich so durch Wiesbaden bewege, begegnet mir und sehe ich gefühlt überall und jederzeit: Kunst.

Da jagt schon mal eine Vernissage die nächste, es gibt Pop-up-Events mit Kunst in unterschiedlichen Locations, in angesagten Bars hängen inspirierende Gemälde und Fotografien, Insta quillt über mit Werken made in Wiesbaden. Und jetzt im April war gerade wieder „Kurze Nacht“ mit Kunst bis Mitternacht (Foto). Wiesbaden eine Stadt der Kunst also? Mindestens eine Stadt der Künstler:innen.

Der hohen Produktivität künstlerisch tätiger Menschen in der Stadt stehen überschaubare Möglichkeiten gegenüber, in als angemessen empfundenen Umständen künstlerisch tätig zu sein. Der Ruf nach Raum schallt durch diese Stadt – nach Raum zum Präsentieren der Kunst, wobei Wiesbaden diesbezüglich gar nicht so schlecht aufgestellt ist, siehe die Schilderung oben, mehr aber noch nach Raum zum Produzieren der Kunst.

Die Raumnot der Kreativen, der Bedarf an Ateliers, ist gewiss kein Wiesbaden-spezifisches Problem. Der Umgang mit der Raumnot erscheint aber mitunter Wiesbaden-spezifisch behäbig, gleichgültig, dringend verbesserungswürdig.

Spricht man mit Künstler:innen, spürt man ein Unbehagen darüber, dass hier – Stichwort zum Beispiel Zwischennutzungen – vieles nicht geht, was anderswo geht. Dass man der Stadt egal sei. Und dieses Unbehagen resultiert dann irgendwann in Überlegungen, ob man als Kreative:r dieser Stadt nicht besser den Rücken kehrt. Und genau das sollte sich die Landeshauptstadt Wiesbaden nicht leisten, genau das kann sie sich nicht leisten. Weil Kunst und Künstler:innen elementar wichtig sind für eine Stadt, für eine Landeshauptstadt allemal.

Der Appell, der sich daraus ableitet, kann nur lauten: Liebe Stadt Wiesbaden, bitte gib´ „deinen“ Künstler:innen so viel Raum, wie es nur geht. Und vor allem: Gib´ ihnen den Raum so unkompliziert, wie es nur geht. Kunst braucht nicht zwingend durchsanierten (und entsprechend teuren) Raum, Kunst kann einfachen, offenen, funktionalen und unfertigen Raum gebrauchen – und gestalten. Und Kunst erobert sich Raum. Dabei sollte man sie, wenn man sie schon nicht aktiv fördern kann oder will, mindestens nicht behindern. Gerne dürfen sich von dem Appell auch Eigentümer und Vermieter von Räumen angesprochen fühlen. Kulturrendite? Unbezahlbar! Mit Gewinn für alle.

Das Gesamtkunstwerk sensor wird mit dieser Ausgabe 12 Jahre alt. Wir feiern mit einer besonders dicken, und wie ich, völlig unvoreingenommen natürlich, finde – dickes Danke an alle Beteiligten – besonders starken Ausgabe. Und irgendwann bestimmt auch mal wieder mit ´ner Party.

Wenn Sie uns wissen lassen wollen, was Ihnen zu 12 Jahren sensor einfällt, was Ihnen an sensor gefällt oder vielleicht auch nicht, was sensor Ihnen persönlich und vielleicht auch der Stadt bedeutet, freuen wir uns über Ihre Zeilen an hallo@sensor-wiesbaden.de. Und danken auch Ihnen für 12 Jahre Interesse an dem Stadtmagazin, das wir Monat für Monat mit einem sensationell großartigen Team machen – mit Leidenschaft und mit Herzblut, für Sie und für Wiesbaden.

Dirk Fellinghauer, sensor-Künstler