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Falk Fatal verfolgt die Trinkerszene

Neulich hatte sich spontaner Besuch zum Essen angekündigt. Es war ein Sonntag. Für mich kein Problem. Mit einem gut gefüllten Kühlschrank lässt sich immer etwas Leckeres kredenzen und so fing ich an die Zwiebeln zu schneiden, das Gemüse zu waschen und das Wasser aufzusetzen. Ein passender Wein musste her. Doch im Weinregal nur gähnende Leere. Also schnell die Treppen runter und rüber zum Kiosk am Platz der Deutschen Einheit.
Dort stand ich etwas ratlos vor dem Weinregal. Im Zweifel soll man sich ja etwas empfehlen lassen. Das tat ich. Lachend kam der Kioskbesitzer hinter seiner Theke hervor und griff zu einem Rotwein im Tetrapak. „Meine Stammkundschaft schwört auf den hier“, sagte er grinsend und empfahl mir dann einen Pinot Noir. Das Essen war gerettet.

Seine Stammkundschaft trifft der Kioskbesitzer seit einigen Jahren seltener auf dem Platz der Deutschen Einheit an. Seit September 2008 gilt dort ein Alkoholverbot. Die Trinker haben sich in die Seitengassen verzogen, die nicht mehr zur Verbotszone zählen. Das untere Westend zeigt das andere Gesicht Wiesbadens. Nicht nur die Schickeria ist hier zu Hause, sondern auch Armut und soziales Elend. Betrunkene und Junkies, die in Hauseingängen liegen und ihren Rausch ausschlafen, sind dort keine Seltenheit, sondern traurige Realität. Ein wirksames Rezept dagegen hat die Stadt nicht. Das ist auch zu viel verlangt. Dafür sind ihre Möglichkeiten zu klein. Doch ob es hilft, einfach ein Verbot zu erlassen und die Betroffenen von diesem auf einen anderen Platz zu vertreiben, sei ebenso dahingestellt. Verbote und Strafen ändern das Verhalten nur beschränkt. So ist es Rauchern in Wiesbaden seit 2003 verboten, ihre Zigarettenstummel auf den Boden zu werfen. Mit 20,- Euro wird dieses Vergehen geahndet – sofern man auf frischer Tat ertappt wird. Die Stummel landen trotzdem auf dem Boden. Hundebesitzer müssen mindestens 100,- Euro löhnen, wenn sie den Kot ihrer Vierbeiner auf Gehwegen liegen lassen. Weniger sind die Tretminen dennoch nicht geworden.

Zurück zum Platz der Deutschen Einheit. Das Alkoholverbot scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Seit ein paar Wochen hängen rund um den Platz kleine Verbotsschilder, auf denen jeweils ein Cocktailglas und Bierkrug zu sehen ist. Ein international gebräuchliches Piktogramm für Alkoholverbote aller Art sei das, sagt die Stadt. Es soll vor allem dazu dienen, ausländische Gäste darauf aufmerksam zu machen, dass dort der Genuss von Alkohol verboten ist. Bisher mit Erfolg: Die ausschweifenden Cocktailpartys, die sonst während der Maifestspiele und dem Pfingstturnier auf dem Platz der Deutschen Einheit stattfinden, sind bislang ausgeblieben. Immerhin. In den Seitengassen der Bleichstraße vegetiert das Elend derweil weiter vor sich hin.

falkfatal.posterous.com

Illustration: Marc „King Low“ Hegemann