Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Mary Goldfinger.
Ein Strandkorb im Wohnzimmer? Warum nicht. Bei Silvia Lang geht alles. Für die Visitenkarte ihres Ladens „Das etwas andere Wohnzimmer“ wurden schließlich auch Birne und Erdbeere per Photoshop zu einer Superfrucht vereinigt. Das drückt gut aus, was die Ladenbesitzerin und ihre Familie hier seit neun Jahren machen: In gemütlicher Atmosphäre leckeres, frisches Essen verkaufen, und das in einem äußerst kommunikationsfördernden Ambiente. Biebrich ist dafür prädestiniert, denn hier pulsiert das Leben wie in wenigen Vororten Wiesbadens.
„Wir hatten eigentlich damals was ganz Anderes vor“, erzählt Silvia Lang beim Kaffee im Strandkorb. Vor zehn Jahren wurde ihr winziger Geschenkartikelladen um die Ecke zu klein, das frei werdende Geschäftslokal in der Rathausstraße war da fast ein Fingerzeig des Schicksals. „Mein Mann ist Elektromeister, wir hatten gute Kontakte zu einem Installateur und zu einem Schreiner – zuerst wollten wir also diese drei handwerklichen Sparten mit meinem Faible für Inneneinrichtung und Dekoration zusammenführen. Daher auch der Name mit dem Wohnzimmer“, erinnert sich Silvia Lang. Das klappte auch zunächst.
Dann kamen die Eier …
„Aber dann kamen die Eier“, sagt die Inhaberin. Ein Kunde fragte an, ob man hier Eier aus heimischer Produktion verkaufen könne. Warum nicht, dachte Silvia Lang: „Dann kam der Spargel, dann die Kartoffeln, dann der Salat….“ Mittlerweile ist das Wohnzimmer hauptsächlich zu einem Obst-Gemüse- und Feinkost-Laden mutiert, der sich sogar in der Nachbarschaft eines großen Supermarktes mühelos behaupten kann. „Unsere Sachen werden richtig schön präsentiert, darauf legen wir Wert“, sagt Silvia Lang. Deshalb gilt auch: keine Selbstbedienung. Eine Kühltheke mit Wurst und Käse ist längst mit im Geschäft, Spezialitäten wie eingelegte Oliven oder Schafskäse und Salate stellt die Chefin selbst her. Seit neuestem gibt es zum „Wohnzimmer“ auch eine Küche. Die befindet sich im hinteren Teil des Ladens, wo künftig eine „etwas andere Mittagspause“ möglich sein soll. „Einen Eintopf werde ich täglich kochen, und auch andere kleine warme Gerichte“, stellt sich Silvia Lang vor und denkt dabei an viele Büroarbeiter aus der Umgebung, die hier einen ruhigen, kulinarischen Lunch zu sich nehmen können.
Spezialitäten aus Österreich
Ein weiterer Pluspunkt der „Wohnzimmer“-Belegschaft, zu der außer dem Ehepaar Lang noch den Sohn, dessen Freundin und eine Teilzeitkraft gehören: Spezialitäten aus Österreich. Eduard Lang stammt aus Kärnten und fährt öfter mal in seine Heimat. „Da bringen wir immer einen Kofferraum voll mit tollen Sachen mit: Käse, Wurst, Speck, Wein, Kürbiskernöl…“ schwärmt Silvia Lang. Das gibt es nicht in unbegrenzter Menge – „wenn alles weg ist, müssen die Kunden eben auf unsere nächste Reise warten“. Aber auch zwischendurch verfügt die „Wohnzimmer-Belegschaft“ über tolle Bezugsquellen, bietet beispielsweise Käse aus der „Bergkäse-Station“ an. Künftig könnte der Nachschub aus Österreich etwas angekurbelt werden. Eduard und Silvia Lang möchten sich nach und nach aus dem Geschäft zurückziehen und der jüngeren Generation die Regie über das „Wohnzimmer“ überlassen. „Und dann fahren wir bestimmt viel öfter nach Kärnten“, freut sich Silvia Lang bereits. Noch aber stehen alle täglich im Laden, dekorieren, verkaufen und kochen. Zu gucken gibt es viel. „Wenn mir jemand etwas von der Dekoration abkaufen will, bin ich nicht abgeneigt, aber wir sind ganz klar in erster Linie kein Trödel-Shop, sondern ein Lebensmittelgeschäft“, stellt Silvia Lang klar – übrigens ist das „Wohnzimmer“ sogar ein Ausbildungsbetrieb. Was im Ambiente übrigens noch fehlt: Ein schönes, altes, möglichst verschnörkelt-nostalgisches Sofa. Denn das gehört ins Wohnzimmer – zwischen Strandkorb, Knoblauchzöpfe, Weinregal, uraltem Piano und Achtziger-Jahre-Stereoanlage.