Von Anja Baumgart-Pietsch. Foto Yannic Pöpperling.
Noch bollert das Gas-Öfchen bei unserem Besuch im Vespa-Lädchen Krafroller von Jens Haker. Doch der Frühling ist definitiv im Anrollen, und damit beginnt auch wieder die Motorroller-Saison. Jens Haker brennt schon selbst darauf, seine Oldie-Roller wieder in Gang zu setzen. Der leidenschaftliche Schrauber hat im Wiesbadener Westend einen richtigen Treff für Roller-Freaks auf die Beine gestellt. In einem Eckladen, einer ehemaligen Metzgerei, bastelt, schraubt und tüftelt Haker, im Hauptberuf Mitarbeiter einer Hausverwaltung, an den italienischen Rollern, bei denen es keine Schraube gibt, die er nicht kennt.
Jeden Abend und samstags ist er hier anzutreffen – meist nicht allein, denn die Fans der Vintage-Vespas wissen, dass sie hier alles finden, was sie für ihre Schätzchen brauchen. „Ich bin Mitglied in Clubs und fahre viel auf entsprechende Treffen“, sagt Haker, eigentlich ausgebildeter Koch. Den Laden darf er weder Handel noch Werkstatt nennen, aber es ist auch keins von beiden: Eher ein Treffpunkt für Freaks wie ihn, die auf die italienischen Roller stehen.
Die kann man ohne Motorrad-Führerschein fahren, für viele sind sie angesichts steigender Benzin- und Parkhauspreise mittlerweile wieder eine echte Alternative zum Auto. Und sie sind einfach cool: „Bei mir wurde die Begeisterung vom Film „Quadrophenia“ ausgelöst“, erzählt Jens Haker. Filmfotos und –plakate dekorieren daher auch die Wände bei „Kraftroller.com“, wie das Geschäft offiziell heißt. In dem Spielfilm, der 1979 gedreht wurde, spielt unter anderem Rockstar Sting mit, die Musik kommt von „The Who“.
Im Zentrum des Films steht der junge Jimmy Cooper, der Mitte der 1960er Jahre in London einer Clique von Mods angehört. Im Gegensatz zu den Rockern, die in Lederkleidung auf schweren Motorrädern in der Stadt unterwegs sind, bevorzugen Mods Anzüge und als Gegensatz hierzu alte Militärparka mit entsprechenden militärischen Abzeichen. Anstelle der Motorräder fahren die Mods häufig getunte Motorroller mit haufenweise Spiegeln – hauptsächlich der Marke Lambretta oder vereinzelt Vespa. Das fand Jens Haker cool.
„Eigentlich ist die Haupt-Szene sowieso in England“, sagt Haker, der demnächst auch wieder mal selbst hinfährt. In Italien ist die Vespa eher ein Alltags-Gefährt, in England Kult. Und genau zwischen diesen beiden Polen bewegt sich auch Jens Haker mit seinem kleinen Lädchen. Dort gibt es übrigens auch jede Menge Vespa-Devotionalien. Von der Kaffeetasse über den Schlüsselanhänger, das Feuerzeug und die Mini-Spielzeugvespa: Lauter niedliche Kleinigkeiten, die gerne verschenkt werden.
Viele Wiesbadener Italiener gehen bei Haker übrigens auch ein und aus. Sie wissen, dass der versierte Schrauber nicht nur alle technischen Probleme lösen kann, sondern auch weiß, wo es bestimmte Ersatzteile gibt. Und Sonderwünsche erfüllt Jens Haker sowieso gerne. „Ich mach Ihnen so viele Spiegel dran, wie Sie wollen – bis das Ding umfällt!“, grinst der freundliche Rollerfreak, der selbstredend auch mehrere Modelle sein eigen nennt, darunter auch eine absolute Seltenheit: Ein kleines Auto namens „Vespa 400“, „davon gibt’s in Deutschland nur noch 20 Stück“, sagt Haker. Seines ist giftgrün und wird nur zu besonderen Anlässen „ausgeführt“.
Eher ist er selbst auch auf zwei Rädern unterwegs, die „Kutte“ seines Clubs hängt ebenfalls im Laden. Dort stehen Vespas aller möglichen Jahrgänge – ein liebenswertes Chaos, das nach Benzin riecht. Sattler, Lackierer und andere Spezialisten hat er selbstverständlich an der Hand, „nichts ist unmöglich“ zitiert Haker einen Werbespruch der Konkurrenz. Er kennt alle Modelle und findet, dass die älteren am zuverlässigsten sind. „Die kann man problemlos immer wieder reparieren“. Und egal ob entspanntes Cruisen, weitere Reisefahrten oder sogar Rennen – es gibt eine Scooter-Renn-Szene auch in Deutschland – das Ziel des Besitzers sind: Jens Haker weiß Rat. „Das Schöne ist eben, dass ich meine Leidenschaft auch beruflich ausleben kann“ – der Roller-Treffpunkt ist aber nicht nur Anlaufstelle für Vespa-Freaks, sondern auch andere Bewohner nehmen gerne mal auf der Bank vor dem Eckladen in der Bertramstraße Platz.