Von Sebastian Wenzel. Fotos Arne Landwehr.
Bei den Designtagen Access All Areas zeigte die Stadt in den letzten Tagen mal wieder, dass sie vor Kreativität nur so strotzt. Für Designhotels ist Wiesbaden nicht bekannt. Noch nicht.
Wer durch das Hotel Klemm läuft, fühlt sich wie Alice im Wunderland. Hinter fast jeder der 63 weißen Türen verbirgt sich eine andere Welt. Die individuellen Zimmer begeistern die Gäste. Sie freuen sich über ausgefallene Tapeten und originelle Tische, Schränke und Stühle. Heike und Jan Lowell, die Inhaber des Hauses, freuen sich auch. Sie profitieren seit der Modernisierung der Zimmer laut eigener Aussage von einer gestiegenen Auslastung. Früher schliefen in dem Hotel Garni in der Kapellenstraße vor allem männliche Geschäftsleute. „Wir haben gemerkt, dass immer mehr Frauen beruflich unterwegs sind. Sie stellen andere Ansprüche an das Ambiente eines Hotelzimmers als Männer“, beschreibt Heike Lowell, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Und noch etwas ist der Unternehmerin aufgefallen. „Egal ob Männer oder Frauen: Geschäftsreisende sehnen sich nach Individualität. Hotelzimmer sehen aber leider oft ähnlich aus.“ Ein Umbau hat das im Hotel Klemm geändert. Vor etwa zweieinhalb Jahren begannen die Arbeiten – bei laufendem Betrieb. Inzwischen sind 47 Zimmer modernisiert. Die restlichen Räume sollen folgen.
Beim Gang durch den Hotelflur stoppt die Unternehmerin Lowell vor der Tür mit der Nummer 305 und öffnet das Zimmer. Eine gelbe Tapete dominiert den Raum. Wer genauer hinschaut, entdeckt darauf Schmetterlinge, Libellen und bunte Vögel. Die Decke auf dem Holzbett ist bedruckt mit rosa Blumen und leeren Vogelkäfigen. „Zimmer 305 ist eindeutig ein Raum für Frauen. Die Möbel und Farben erinnern viele weibliche Gäste an ihre Kindheit“, sagt Sylvia Hackhausen. Die Interieur Designerin hat zusammen mit ihrer Schwester Heike Lowell sämtliche Hotelzimmer gestaltet, auch das Männerzimmer hinter der Tür 109. Hackhausen orientierte sich dabei an den Vorlieben eines Stammgastes. Er ist Architekt und mag unbunte Farben. Also dominieren in dem Raum graue und schwarze Töne. In der Ecke steht ein Barcelona-Sessel aus Leder, an der Wand hängt ein Flachbildschirm. Auf dem weißen Schreibtisch steht ein weißes Telefon, darunter ein weißer Mülleimer.
Rezeptions-Psychologie
So unterschiedlich die Zimmer, so unterschiedlich sind inzwischen die Gäste. Anders als früher übernachten nicht nur Geschäftsreisende in dem Haus, sondern auch Künstler und Familien. Das neue Konzept kommt anscheinend gut an. „Wir haben einen 15-prozentigen Zuwachs bei den Buchungsraten“, sagt Lowell. Auf dem Internetportal HRS äußern sich die meisten Gäste ebenfalls positiv. Einige Stammgäste haben feste Lieblingsräume und bestehen darauf, in diesen zu übernachten. Andere probieren immer wieder unterschiedliche Zimmer aus. Und wenn ein neuer Gast an der Rezeption steht, ist die Psychologin in Lowell gefragt. „Wenn ich die Präferenzen eines Gastes noch nicht kenne, überlege ich mir, welches Zimmer zu ihm passen könnte.“ Ist er ein Naturliebhaber, bevorzugt er eventuell das Waldzimmer. Ist er älter, gefällt ihm vielleicht das Zimmer im Stil der 70er-Jahre.
Eines haben alle Räume gemeinsam. In keinem stehen dekorative Gegenstände. Das hat zwei Gründe: Erstens haben die Gäste so mehr Ablagefläche für ihre Koffer, Kleider und Computer. Zweitens sollen die Zimmer für sich wirken. Ein Gegenstand allerdings „schmückt“ jedes Zimmer: eine Dockingstation für iPods und iPhones.
Mehr Design in Hotels
„Kein Zimmer gleicht dem anderen“ ist die Losung im Hotel Alexander auf der Rheinstraße, seitdem dort Innenarchitekt Bernd Becher die Räume individuell gestaltet hat. Das kleine Hotel in der Feldstraße hat seine 14 Zimmer ebenfalls alle unterschiedlich eingerichtet. Das Achat Hotel in der Mauritiusstraße nennt sich Designhotel. Auch das Hotel Crowne Plaza in der Bahnhofstraße und das Pentahotel („Jeder Raum ein Traum für sich“) in der Abraham-Lincoln-Straße gönnten ihren Häusern in letzter Zeit ästhetische und konzeptionelle Frischzellenkuren.