Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos).
Zum ganz überwiegenden Teil waren es Genossen, die den Raum im Hotel Oranien (über)füllten, als dort am Montagmorgen Heiko Maas, Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz, einschwebte – zum gemeinsamen Frühstück mit dem und für den Wiesbadener SPD-Bundestagskandidat Simon Rottloff. Schade eigentlich, denn auch parteiferne Interessierte wären zur vorab angekündigten Veranstaltung durchaus willkommen gewesen. „Ich verstehe nicht, warum man sich nicht auch mal die andere Seite anhört“, meinte an einem der reichlich gedeckten runden Frühstückstische einer der wenigen im Raum, der politisch eher zu einer anderen Seite tendieren schien. So blieb das kurze Werbereferat des Ministers für sein höchst umstrittenes Netzwerkdurchsetzungsgesetz weitgehend unwidersprochen. Und auch sonst brauchte der Gast aus Saarlouis, wo er herstammt und an diesem Morgen (verspätet) herkam, respektive Berlin, wo er am großkoalitionären Kabinettstisch von Kanzlerin Merkel sitzt, in diesem Kreis von etwa 60 Zuhörern keine allzu heftige Kritik bei der Fragerunde befürchten. Seine gut neunzig Minuten in Wiesbaden konnte er entsprechend recht entspannt und gut gelaunt absolvieren.
Mit der Feststellung „Die Vorwürfe gehen am Thema vorbei“ stellte Heiko Maas von vornherein klar, dass die Kritik an „seinem“ Gesetz gegen Hetze und Fake News in sozialen Medien an ihm abprallt. Das Gesetz verpflichtet Betreiber von Online-Netzwerken wie Facebook, YouTube oder Twitter, „offenkundig strafbare Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Sonst drohen Geldstrafen. „Die schlechteste aller Alternativen wäre gewesen, nichts zu tun“, befand Maas und verwies darauf, dass laut einer Umfrage es 72% für richtig hielten, dass „etwas“ gegen Hass im Internet getan werde. Gut, zu dieser Grundaussage würde man eigentlich gar 100% Zustimmung erwarten oder sich zumindest erhoffen, die entscheidende Frage ist natürlich, was getan wird. Und genau hier gehen die Meinungen auseinander. Dass er selbst das, was nun getan wird, für absolut richtig hält, daran ließ Maas keinen Zweifel. Man habe „im Guten versucht“, die Unternehmen dazu zu bewegen, Hasskommentare und illegale Inhalte auf ihren Plattformen zu löschen – ohne Erfolg.
Twitter löschte nur 1% der strafbaren Inhalte
Zwar habe YouTube eine respektable „Löschquote“ von 90% Prozent, bei Facebook liege diese aber nur bei 39%, bei Twitter gar nur bei 1%. „Wir können uns nicht weiter vertrösten lassen“, erklärte der Minister seine Motivation, verwahrte sich gegen das Internet als rechtsfreiem Raum – „Die von Facebook nehmen uns nicht für voll, die glauben, sie stehen über dem Gesetz. Das geht gar nicht.“ – und stellte einen direkten Zusammenhang von Worten und Taten her: „Gewalt beginnt im Kopf. Die verbale Entgleisung im Netz ist Grundlage für politisch motivierte Gewalttaten“.
Bei weiteren Themen des morgendlichen Austauschs zeigte sich der Justiz- und Verbraucherschutzminister bei aller Ernsthaftigkeit in der Sache auch zu Scherzen aufgelegt. Als Eva-Maria Winckelmann, die Geschäftsführerin des Mieterbunds Wiesbaden (und gleichzeitig Direktorin des Mieterbunds Hessen) Heiko Maas fragte, was er denn in Sachen Mietpreisbremse zu tun gedenke, sollte er nach der Bundestagswahl im Amt bleiben, antwortete er: „Ein Mietpreisbremsendurchsetzungsgesetz.“ Über den Scherz hinaus gestand er ein, dass die Mietpreisbremse noch nicht funktioniere, was vor allem an der vermieterorientierten Union liege, und erklärte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SPD in eine Koalition geht, in der nicht die Mietpreisbremse wirklich scharf gestellt wird.“
„Wir leben in einer Zeit der Handyglotzer“
Das Thema Digitalisierung wurde an dem recht kurzweiligen Morgen auch nochmal aufs Frühstücksbrot geschmiert. „Wir leben in einer Zeit der Handyglotzer“, beklagte sich der Minister und plauderte über seine Fahrt durch Wiesbaden: „Auf dem Weg heute hierher ist mir sogar so ein Wahlplakat aufgefallen. Ich kannte den Mann nicht, habe mich aber aufklären lassen. Er ist von der CDU.“ Gelächter, Pause. „Ich hätte meinen Wahlkampfmanager sofort rausgeschmissen, wenn der es wagen würde, solche Bilder von mir in der Stadt aufzuhängen.“ Der Bundesjustizminister meinte mit seinen Lästereien das zentrale Plakatmotiv des CDU-Bundestagskandidaten Ingmar Jung, Simon Rottloffs Kontrahent im Kampf um das Wiesbadener Direktmandat. Das Plakatmotiv des FDP-Spitzenkandidaten Christian Lindner hat Heiko Maas offenbar noch nicht entdeckt. Dieser glotzt nicht nur auf sein Handy, sondern hat sich mit Knöpfen im Ohr gleich komplett von der Außenwelt abgeschottet.
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