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Kolumne: Falk Fatal teilt gerne

„Sharing ist caring“, heißt es ja gerne. Besonders jetzt zu dieser Jahreszeit – zwischen Sankt Martin und Weihnachten – wird das Teilen viel gefeiert. Schade nur, dass vor allem die Menschen, die das christlich-jüdische Abendland verteidigen wollen, gerade diese christliche Eigenschaft gerne vergessen. Denn grundsätzlich ist Teilen schwer angesagt. Besonders bei gewissen altruistisch veranlagten Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen wollen, damit die kleinen Blagen ihre Masern schön mit den anderen Kindern aus der Kita teilen. Die können doch sonst keine Antikörper bilden. Sharing ist schließlich caring!

Aber es werden auch ganz praktische Dinge geteilt. Ausgelatschte Opa-Lederschuhe, Deichmann-Sneaker und mundbemalte Seidenschals aus der Behindertenwerkstatt. Diese liegen dann tagelang vor Mehrfamilien-Altbauten im Westend in alten Pappkartons, auf deren Laschen mit Edding „Zum Mitnehmen“ geschmiert ist.

Auch Bücher findet man oft. Dann und wann muss schließlich auch der Dichter und Denker sein Regal aufräumen, und da Bücher wegschmeißen irgendwie falsch wirkt, stellt man den Bums halt auf die Gass‘. Konsalik, Elisabeth George oder Ken Follet finden so neue Leser*innen. Außerdem lernt man seine Nachbarschaft besser kennen.

Was macht zum Beispiel die Person, die sich vom „BASIC Programming: A Structured Approach“ getrennt hat, heute? Programmiert sie nun in C++ oder Phyton? Oder hat sie die Coderei an den Nagel gehängt? Oder warum trennt sich jemand von seinem „Kochen mit Innereien“-Kochbuch? Hat Attila Hildmann Jumbo Schreiner als persönlichen Ernährungspapst abgelöst? Oder ist die Sorge um das Tierwohl so groß, dass nun Tofu statt Niere auf dem Teller landet? Und wer ist der Typ, der eine Original-VHS-Kassette von „Liebesgrüße aus der Lederhose“ verschenkt? Und vor allem warum? Hat es sich ausgejodelt in der Lederhose? Es gibt aber auch immer wieder interessante Bücher zu entdecken. Zum Beispiel weiß ich jetzt, dass Hitler 1945 keinen Selbstmord in seinem Führerbunker beging, sondern nach Argentinien floh und dort nicht nur Rinderwirt wurde, sondern auch Diego Armando Maradona zeugte. Okay, Letzteres habe ich mir ausgedacht. Das davor stand wirklich in „Hitler überlebte in Argentinien“.

Manchmal treibt das Teilen jedoch seltsame Blüten. Neulich stand doch tatsächlich ein kompletter Unterfahrschutz eines Fiat Panda am Straßenrand. Darauf ein gelbes Post-it: „Zum Mitnehmen“. Tags drauf war das Ding trotzdem weg. Sharing ist caring: Den einen schafft es Platz im Keller, die anderen können es gebrauchen. Schade, dass wir dieses Prinzip meistens nur auf unseren Müll anwenden und nicht generell in unserem Leben.

Kommt gut ins neue Jahr!

Mehr Falk Fatal: „Im Sarg ist man wenigstens allein“, Edition Subkultur, ISBN 978-3-943412-85-7.

(Illustration: Marc “King Low” Hegemann)