Wiesbaden will mal wieder am großen Rad drehen. In Biebrich soll am alten Zollspeicher ein Riesenrad errichtet werden. Damit Wiesbadens größter Stadtteil Klein-London wird. Fluss und Schloss hat Biebrich schließlich auch.
„Ein großartiges Projekt für die Stadt“, lobt Bürgermeister und Wirtschaftsdezernent Dr. Oliver Franz die Idee. Seine CDU-Parteikollegin Daniela Georgi sieht darin gar eine „Jahrhundertchance“, den Tourismus und die heimische Wirtschaft insgesamt zu beleben. Die Attraktion würde der Stadt ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen, ist Dr. Franz überzeugt. Seitdem das Riesenrad in Eltville wieder abgebaut wurde, stimmt das sogar ein wenig – wenn man den Suchradius auf 15 Kilometer beschränkt und das Riesenrad der Mainzer Johannisnacht außen vor lässt. Andere Städte haben schließlich auch schöne Riesenräder.
Aber in Wiesbaden hätten die Riesenradler am neuen Standort dann wenigstens eine gute Aussicht. und die Passagiere müssten den Anwohnern am Mauritiusplatz nicht mehr in die Wohnzimmer blicken. Das ist eine Verbesserung. Das verstehe ich, ebenso dass sich ein erleuchtetes und abends fotografiertes Riesenrad am Rheinufer auf den Imagebroschüren der Stadt ganz gut macht.
Ich frage mich trotzdem: Warum gerade ein Riesenrad und nicht eine Achterbahn oder einen Freefalltower? Und überhaupt: Ist der Rhein nicht Attraktion genug? Wollen wir künftig wirklich singen: „Warum ist es am Rhein so schön, warum ist es am Rhein so schön, am Rhein so schön? Weil in Biebrich ein Riesenrad steht, das seine Runden dreht, darum ist es am Rhein so schön!”
Ich weiß nicht. Aber andererseits: Vielleicht ist es gar nicht verkehrt, den Tourismus und damit die Steuereinnahmen anzukurbeln. Denn ein paar Kilometer weiter in der Stadtkämmerei war das Drehen am großen Rad nicht so erfolgreich. Bis zu 20 Millionen Euro könnten durch die Pleite der Greensill Bank verloren gehen. Man kann dem Stadtkämmerer dabei gar nicht einmal einen großen Vorwurf machen. Angesichts der seit mehr als zehn Jahren andauernden Niedrigzinsphase ist es schwer geworden, das Stadtgeld gleichzeitig sicher, aber auch ertragreich anzulegen. Und einfach alles in Bitcoin investieren, geht natürlich auch nicht. Vielleicht tröstet es, dass es rund 50 weiteren Kommunen ähnlich geht.
Deshalb sollte Wiesbaden mehr Tourismus wagen und sich nicht nur mit dem RheinRad begnügen, sondern weitere Attraktionen bieten. Am Platz der Deutschen Einheit wird die Erdogan-Statue wieder aufgestellt, das schafft internationale Medienpräsenz. Die Spielbank Wiesbaden öffnet für eine Dostojewski-Woche die Kolonnaden für Twitch-Gamer und lässt das Event von Knossi präsentieren. Dann dreht Wiesbaden wirklich am Rad. Und der Verlust wiegt gar nicht mehr so schwer.
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