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Dreifache Leidenschaft: Die Buchbinderin, Fotografin und Designerin Claudia Renetzki im Porträt

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Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka.

Es gibt sie noch, die guten Dinge. Dieser Werbespruch ist natürlich nicht für Claudia Renetzki  entstanden. Aber er kommt unweigerlich in den Sinn, wenn man die 42-jährige in ihrem atmosphärischen Atelier im Hinterhof der Moritzstraße 46 besucht.

 

Spätestens, wenn man Claudia Renetzki eine Weile zuhört, spürt man die Begeisterung über ihren abwechslungsreichen Beruf. Ihr Schaffen bildet eine perfekte Synthese aus Kunst, Handwerk und Kunsthandwerk. Sie ist Buchbinderin, Fotografin und Designerin: „Am schönsten finde ich es, wenn ich bei einem Projekt alles verbinden kann: Fotografieren, daraus ein Buch entwerfen und es zum Schluss auch noch selbst herstellen“. Claudia Renetzki stammt  aus Iserlohn, ließ sich dort zunächst zur Buchbinderin ausbilden. Danach studierte sie Design  an der Mainzer FH.

Paris als Diplomthema

Der Fotografie gehört ihre große Liebe. Zweite Liebe ist Frankreich, wo sie diverse Praktika absolvierte und schließlich ihre Diplomarbeit erstellte – den kleinen, feinen Bildband „75011 Paris“. Es ist ein in ungewöhnlichem Querformat gebundenes Buch mit tiefrotem Leineneinband und zeigt 31 Ateliers von Kunsthandwerkern, teils ganz alten Herren, die im 11. Arrondissement von Paris ihrem Gewerbe nachgehen. Da gibt es einen Mützenmacher und einen Geigenbauer, einen Nähmaschinentechniker, einen Kürschner, eine Porzellanmanufaktur. Ihre Ateliers atmen den Geist vergangener Zeiten. „Manche sind jetzt natürlich längst geschlossen“, erzählt Claudia Renetzki, die noch immer viele Kontakte ins Nachbarland pflegt. Auch in ihrem eigenen Atelier kommt Frankreich vor, zum Beispiel durch ein altes, verbeultes, rotes und rautenförmiges „Tabac“-Zeichen, das sie wie zufällig in einer Ecke platziert hat.

Wertiger als Bits und Bytes

Optik und Haptik werden hier eins, und der Bildschirmmedien-Flut setzt Claudia Renetzki ihre genaue Beobachtungsgabe, ihren handwerklichen Perfektionismus und ihren Sinn fürs Schöne entgegen. Natürlich arbeitet sie als Designerin auch am Computer. Aber die Bücher, die sie repariert – nicht restauriert, denn dafür gibt es andere Fachleute – , die sie einbindet, gestaltet und mit deren Inhalt und Besitzern sie sich sorgsam auseinandersetzt, das sind Stücke, die eine ganz andere Wertigkeit als die virtuellen Bits und Bytes besitzen. Das sind Stücke voller  Leben, wie das bröckelnde Buch „fürstlicher Telegramme“, das ein Sammler ihr gerade zum Überarbeiten gegeben hat. Daneben arbeitet sie auch an einem Gästebuch für einen französischen Freund: Der Einband soll aus Papier-Mehlsäcken gestaltet werden, die aus einer Mühle der Gegend stammen: „Eine Herausforderung durch das ungewöhnliche Material.“ Im Museum Wiesbaden hat Claudia Renetzki vor kurzem sehr außergewöhnliche Fotos von den Exponaten gemacht und zu einem Bildband-Entwurf mit kühnen Blickwinkeln und gewagtem Layout gestaltet. Aber auch ein eigentlich alltägliches Gebrauchsobjekt wie eine Visitenkarte wird bei ihr zum durchdachten Kunstwerk, das man nicht einfach irgendwo einsortiert, sondern erstmal genauer betrachten muss. Strukturen und Schnörkel, Formen und Farben, Schimmerndes, Raues, Glattes und Geprägtes – ein Streifzug durch Claudia Renetzkis Arbeitsproben ist ein Fest für Augen und Hände. Das Atelier, eine ehemalige Metallwerkstatt, ist gemütlich und inspirierend. Und würde sich vielleicht auch für kleine Veranstaltungen eignen, überlegt die Besitzerin. Noch lädt sie nur die Schulklasse ihrer Tochter ein, um den Kindern zu zeigen, wie man ein Buch macht. Denn Claudia Renetzki ist nicht nur ein Designprofi, sondern auch glückliche Mutter – Nachwuchs Nummer vier wird im Frühjahr erwartet. „Das ist ein Geschenk“, strahlt sie über das ganze Gesicht. Mit ihrem Beruf kann sie die Familie gut verbinden. „Ich bin sehr froh, so arbeiten zu können, wie ich es mache“, sagt Claudia Renetzki, die „Glück, aber auch Disziplin und viel Arbeit“, als Erfolgsrezept benennt. Und Leidenschaft: Denn Designer gibt es viele. Doch Leidenschaft und Handwerkskunst bilden in dieser überlaufenen Branche die nötigen Alleinstellungsmerkmale.

www.claudiarenetzki.de