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Lebenswege: Stefan Heyde – Der Ausprobierer, der einfach Menschen mag

Von Nico Lange. Fotos Kai Pelka.

Stefan Heyde hat einen sicheren Job in der Automobilbranche aufgegeben und findet nun anderswo Erfüllung. Zum Beispiel am Beckenrand und im Tierpark.

Schon lange bevor der erste Badegast ins kühle Nass springt, ist er bereits da. Stefan Heyde, 61 Jahre, Statur Supersportler, blond, muskulös, Sonnenbrille im Haar. Ein Paradebeispiel für einen Rettungsschwimmer. Soweit zu dem, was alle von außen sehen können. Doch Stefan ist so viel mehr als ein „Bademeister“. Schon im letzten Sommer, als ich morgens meine Runden im Kleinfeldchen ziehe, fällt mir auf, dass er irgendwie anders ist. In seinem weißen Mattiaqua-Shirt mit „Lifeguard“-Aufschrift auf dem Rücken dreht er zwar, genau wie seine Kollegen, seine Runden um den Beckenrand. Passt auf, dass nur da gesprungen wird, wo es erlaubt ist und hat das Geschehen rund um die 50-Meter-Bahn fest im Blick. Aber irgendwas ist doch anders.

Drei kleine Jobs statt einem großen

Als ich ihn in diesem Jahr wieder am Beckenrad sehe, spreche ich ihn an und möchte mehr erfahren. Als erstes lerne ich von dem ausgebildeten DLRG-Rettungsschwimmer: „Den klassischen Bademeister gibt es in dieser Funktion gar nicht mehr.“ Er selbst ist nur an sechseinhalb Stunden pro Woche in den Bädern der Mattiaqua anzutreffen. Denn das hier, verrät er mir, sei nur einer seiner Jobs. Wenn er nicht hier ist, dann ist er als Trainer für Fahrsicherheitstrainings beim ADAC unterwegs. Und sein aktuell dritter Job führt ihn in die Wiesbadener Fasanerie, wo er mit Kindern und Jugendlichen das Revier erkundet.

Er mag einfach Menschen

Er mag das Team und seine Kollegen bei der Mattiaqua genauso wie die unterschiedlichen Menschen, auf die er hier und in allen seinen Jobs trifft. In seiner mittlerweile vierten Saison am Becken freut er sich jeden Morgen darauf, Badegäste vom letzten Jahr wieder zu treffen und mit ihnen zu sprechen. „Ich mag die Interaktion mit den Badegästen und die Vielfalt“, schwärmt er: „Vom Schüler über den Sportler, die Senioren, vom einfachen Angestellten bis hin zum Bankdirektor ist einfach alles vertreten.“ Und Stefan kann mit jeder und jedem gut umgehen.

In gewisser Weise bestimmt er auch die Atmosphäre am Beckenrand mit. Besonders auf die Teenager aus den unterschiedlichsten Kulturen geht er gern zu und spricht mit ihnen, gibt ihnen kleine Wettkampfaufgaben, Tipps und vor allem Zeit, um sich auszutauschen. Und für diese offene Art bekommt er häufiger mal Komplimente. Sätze wie „Sie haben mir doch letztes Jahr die Rollwende beigebracht, schauen Sie mal, jetzt kann ich sie …“ freuen Stefan Heyde ungemein.

Ausstieg mit 52

Als er mit 52 den Ausstieg wagt, liegen hinter dem studierten Maschinenbauer dreißig Jahre Erfahrung in der Automobilbranche. „Ich hatte alles, was ich zum Leben brauchte, warum also nicht aufhören und nur noch ein paar kleine Jobs machen, in denen ich mich ausprobieren und auch etwas zurückgeben kann“, sagt er grinsend: „Es musste ja nur fürs Grundrauschen reichen.“ Er habe seitdem schon viele Bereiche ausprobiert und immer mal wieder ein, zwei Jobs aufgegeben, um einen weiteren schönen Einsatzort für sich zu finden.

Und den hat er auch in den anderen beiden Bereichen gefunden. Ob er den Kindern die Tierwelt erklärt und mit aktuellen Themen auf sie eingeht  – wie zum Beispiel, ob der Wolf für die Menschen gefährlich ist – , oder ob er im Auto mit Menschen spricht, die vielleicht sogar ein Trauma von Autounfällen zu bearbeiten haben – für Stefan ist eines immer klar: Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Empathie sind die Dinge, die ihm dabei helfen.

Was braucht es wirklich zum Leben?

Was man als zweifacher Familienvater brauche, um aus der klassischen Berufsmühle auszusteigen, will ich noch wissen. Und auch da begeistert er mich mit dem klaren Blick auf die Dinge. Entspannt und dennoch konzentriert sagt er: „Statusdenken hilft dabei wenig.“ Der Lebensstandard müsse abgesichert sein, und finanzielle Flexibilität sei wichtig. Aber vor allem stehe die Frage im Raum, wieviel Geld man zum Leben den wirklich brauche. Stefan hat das Statussymbol Sportwagen definitiv gegen ein Lebensgefühl eingetauscht. Denn auf meine letzte Frage, was ihn am meisten motiviere antwortet er: „Wenn morgens um 6 Uhr im Sommer die Sonne über der Stadt aufgeht und sich im Wasser spiegelt, dann geht mir das Herz auf.“ Ausprobieren kann so glücklich machen.

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