Von Andrzej Klamt. Illustration Jan Pieper.
Leider kennt Donald Trump nicht unsere schöne Landeshauptstadt. Wir sollten ihn hierher einladen und ihm die Zustände zeigen, die hier herrschen. Sie könnten ihm gefallen.
Am besten laden wir ihn zum nächsten Stadtfest ein. Unser schöner Schlossplatz ist dann nicht voller Menschen, sondern mit Autos gefüllt. Sie stehen dort glänzend poliert in voller Pracht und Markenvielfalt, sogar Modelle seiner eigenen Autobauer. Besonders geschätzt sind die wuchtigen, Sicherheit und Wohlstand signalisierenden SUV. Und die Bürger gehen andächtig um sie herum, staunen und lächeln zufrieden. Ja, auch Mr. President würde zustimmend nicken.
Dann führt ihn unser gastfreundlicher Oberbürgermeister an eine wunderbare Ring-Allee mit grandiosen Bauten aus der Zeit des Historismus, die seit Jahrzehnten zu einer Art Stadtautobahn umfunktioniert wurde. Bei der Durchfahrt über den ersten Ring wird Mr. President sicher zu seinem Missfallen bemerken, dass es zwei bis drei lästige Fußgänger-Ampeln den fließenden Autoverkehr stark behindern und ab der Mittagszeit diese Verkehrsader unangenehm verstopfen.
Seine deutschen Begleiter aus den Parteien der bürgerlichen Mitte werden an dieser Stelle sicher Verständnis zeigen. Sie werden Halt an der wunderbaren Ringkirche einlegen. Dort wird Mr. President die Diesel und Benzin durchtränkte Luft tief in sich einatmen und klarstellen, dass der Klimawandel ein natürliches Wetter-Phänomen ist. Er wird sich erkundigen, warum die große rote Digitaltafel dort kürzlich über Monate die schöne Kirchenfassade verschandelt hat und die Bürger unnötig ärgerte.
Beim Schlendern durch das ebenfalls in schönster Architektur der späten Kaiserzeit geprägte Rheingauviertel wird ihm positiv auffallen, dass dort Fußgänger und Radfahrer zu einer wenig auffälligen Minderheit gehören. Fahrende und haufenweise parkende Autos beherrschen das Quartier. Einen deren Blickfeld trübenden Störstreifen, wie einen Radweg, wird er dort nicht entdecken. Sicher wird sich der Präsident darüber amüsieren, dass gelbe Plakate ausgerechnet hier für frische Luft werben.
Wenn der mächtigste Mann der Welt dann zum schönen Rhein nach Biebrich gefahren wird, schwebt er wieder durch eine wunderbare Autoschneise unter schönen Linden entlang. Es wird ihm nicht entgehen, dass mutige Bürger viele große Transparente vor ihren wertvollen Immobilien aufgehängt haben und ihre Rechte einfordern. Beruhigt wird er erfahren, dass diese Bürger lediglich ihre freie Autotrasse verteidigen gegen einen sozialistischen Frontalangriff auf neuverlegten Schienen. Das Klimaabkommen kann eben nur wirksam bekämpft werden, wenn Tausende von Pendlern aus dem Taunus und aus Mainz weiterhin tagtäglich mit ihren Autos die Stadt fluten und nicht zum Umstieg auf eine Straßenbahn gewissermaßen gezwungen werden sollen.
So hegt der Präsident natürlich volles Verständnis für die Wiesbadener Wutbürger und geißelt bei der Gelegenheit das vermutlich von geschäftstüchtigen Chinesen gesteuerte Vorhaben, emissionsfreie Verkehrsmittel anzuschaffen und die freie Fahrt des Individualfahrers einzuschränken. Zum Abschied wirkt Mr. Trump zufrieden und gelassen. Sein unnachahmliches charmantes Lächeln strahlt heute besonders. ‘Weiter so Wiesbaden‘ sind seine Abschiedsworte.
Andrzej Klamt, Jahrgang 1964, seit 23 Jahren in Wiesbaden, ist Filmregisseur und Geschäftsführer der von ihm 1994 gegründeten Halbtotal Filmproduktion. Bereits vor ziemlich genau einem Jahr veröffentlichte er einen Gastbeitrag zur gleichen Thematik im sensor.
Andrzej, Du sprichst mir „aus der Seele“ und hast die Wunder der Stadt gut auf den Punkt gebracht!!!
Vielen Dank.