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Populisten Paroli bieten – Correctiv-Autor Marcus Bensmann referierte und diskutierte über Umgang mit AfD

Von Falk Sinß, Foto privat.

Der Journalist und Buchautor Marcus Bensmann zeigte bei der jüngsten Veranstaltung der Initiative „Moment mal – Aktion für eine offene Gesellschaft“ im Hilde-Müller-Haus Ansätze, wie die Taktik der AfD, alle Themen ins Völkische zu wenden, durchkreuzt werden kann. Er nahm so wohl konservative wie linke Parteien in die Pflicht.

„Die AfD will eine völkische-rechtsradikale Partei sein, die dieses parlamentarische System als solches ablehnt.“ Deshalb entlarve sie sich nicht, wenn ihr Vorsitzender Alexander Gauland die Naziherrschaft als „Vogelschiss“ bezeichne, sondern sie zeige einmal mehr, dass sie genau das ist. So die für die AfD wenig schmeichelhafte Einschätzung des Reporters Marcus Bensmann gleich zu Beginn seines Vortrags „Schwarzbuch AfD – Fakten, Figuren, Hintergründe“, den die Wiesbadener Initiative „Moment Mal“ im Hilde-Müller-Haus  am Wallufer Platz veranstaltet hatte. Als Beleg führte er unter anderem den gescheiterten Versuch des Parteivorstands der AfD an, Björn Höcke aus der Partei auszuschließen. Dieser war in der Vergangenheit durch eine Vielzahl rassistischer, völkischer und den Nationalsozialismus verharmlosende Äußerungen aufgefallen. Die AfD sei damit eine „vom eigenen Vorstand zertifizierte Partei mit NPD-Nähe“.

Absurde Diskussion über angeblichen „Großen Austausch“

Das zeige sich auch in der absurden Diskussion über den angeblichen „Großen Austausch“, also dass Deutschland durch Zuwanderer islamisiert werden solle. „Der „Große Austausch“ der von der AfD immer beschrieben wird, ist so ein bisschen das Waldsterben der Rechten, die Apokalypse. Wenn ich aber eine politische Idee mit einer Apokalypse verbinde, dann mache ich auch jeden Diskurs tot“, erklärte Bensmann. Wer dagegen argumentiere, sei kein politischer Opponent, sondern ein Feind des Volkes, da er den Untergang sogar noch befördere.

Nicht auf jede absurde AfD-Äußerung stürzen

Aus diesem Grund bringe es nichts, sich über einzelne Äußerungen zu empören. Man dürfe der Partei solche Äußerungen zwar nicht durchgehen lassen, aber man müsse auch feststellen: Sich nur auf solche Äußerungen zu stürzen, habe der AfD bislang nicht geschadet. Stattdessen müsse man die AfD inhaltlich stellen und sich nicht auf jede noch so absurde Äußerung stürzen und ausdiskutieren.

Bislang reagierten Parteien und Gesellschaft zu defensiv. Begriffen wie „Staatsversagen“ oder „Kanzlerdiktatur“ würde nicht nur zu selten widersprochen, sondern teilweise sogar übernommen in Diskussionen. „Im Grunde sind solche Aussagen ein Misstrauensvotum gegen unsere Demokratie. Die Exekutive hat eine Entscheidung getroffen, das Parlament hat diese Entscheidung nicht korrigiert, es ist also überhaupt kein Rechtsbruch vorhanden. Aber man lässt diese Schlüsselworte durchsickern, man widerstrebt dem nicht“, so Bensmann, der Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv und Herausgeber des „Schwarzbuch AfD“ ist.

Simple Rechnungen gehen nicht auf

Gleiches gelte für die oft getätigte Aussage, in Ländern, die Flüchtlinge aufgenommen haben, würde es mehr Terroranschläge geben. Das sei falsch. In Österreich, Italien und Griechenland, die europäischen Länder, die mit Deutschland am meisten Flüchtlinge aufgenommen haben, habe es keinen einzigen Terroranschläge gegeben. In Deutschland seien Anschläge von einzelnen Personen verübt worden. „Diese großen organisierten Gruppenattacken, die hat es in Frankreich, in England, in Belgien und in Spanien gegeben. Die haben gar keine Flüchtlinge aufgenommen.“ Die simple Rechnung der AfD geht also nicht auf. Im Gegenteil: Viele Anschläge würden hierzulande durch Hinweise von syrischen Flüchtlingen im Vorfeld vereitelt, wie Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen der Deutschen Welle vorigen Oktober sagte.

Errungenschaften der Bundesrepublik offensiver herausstellen

Gleichzeitig müssten die Errungenschaften der Bundesrepublik offensiver herausgestellt werden Zu diesen Errungenschaften zählt Bensmann die Westbindung, die europäische Integration und den Euro. Das seien Säulen, die die CDU nach dem Zweiten Weltkrieg als Regierungspartei errichtet hat und die letztendlich dafür verantwortlich waren, dass es zur deutschen Einheit gekommen sei. „Das ist der große Unterschied zwischen dem bundesrepublikanischen Konservatismus der von Adenauer bis Kohl getragen wurde, und der AfD“, so Bensmann. Es sei faszinierend, dass die AfD genau dagegen opponiere, sagte der Reporter, und verwies dann auf eine Passage aus Björn Höckes Rede, die er 2015 im extrem rechten „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda gehalten hatte. Die Rede hatte für einen Skandal gesorgt, darin hatte er unter anderem über den „afrikanischen Ausbreitungstypen“ schwadroniert.

In dieser Rede sagte Höcke auch, dass er geweint habe, als die Mauer fiel, aber nicht wegen dem Ende DDR, sondern weil nun die „jahrhundertealte Vertrauensgemeinschaft der DDR“ durch den westdeutschen Multikulturalismus zerstört werde. Passend dazu habe Höcke ja auch betont, das der 3. Oktober nicht sein Feiertag sei. „Und dass diese Partei mit den Herren Putin und Assad eine größere Geistesnähe hat, als mit der europäischen Integration, ist auch bezeichnend“, so Bensmann. Deshalb ziele der Vorwurf der AfD, die CDU habe die konservativen Werte verlassen, auch ins Leere. Die völkischen Positionen der AfD, vornehmlich die außenpolitischen Vorstellung, die Ablehnung der Westbindung und der europäischen Integration hätten mit den Inhalten des bundesdeutschen Konservatismus nichts gemein.

Sicherheit ist auch ein linkes Thema

Doch auch die Parteien links von der CDU könnten noch mehr machen. Sie sollten sich zum Beispiel nicht den Sicherheitsbegriff von den Völkischen aus den Händen nehmen lassen. „Sicherheit ist eben auch ein linkes Thema. Der Reiche kann in eine guarded community ziehen und seine Kinder auf die Privatschule schicken.“ Gleiches gelte für die soziale Frage. Da stecke die AfD voller Widersprüche: einerseits immer noch die neoliberale Professorenpartei, die die Staatsausgaben und Steuern senken will, andererseits die „national-sozialistischen Romantiker“ um Björn Höcke, die soziale Wohltaten versprechen, die so nie bezahlbar wären, wie beispielsweise jüngst das Rentenkonzept Höckes. Das sei im politischen Diskurs noch ein großer, unentdeckter Raum, den Parteien und Öffentlichkeit nutzen sollten in der Auseinandersetzung mit der AfD. „Es wäre interessant, wie die Partei dann inhaltlich mit diesem Konflikt umgeht“, so Bensmann. Natürlich müssten SPD, Bündnis90/Die Grünen und Linke aber auch programmatisch liefern. Im Anschluss des Vortrags diskutierten die rund 70 Besucherinnen und Besucher trotz hochsommerlichen Temperaturen noch eine knappe Stunde angeregt mit Bensmann.

Die nächste „Moment Mal“-Veranstaltung findet am 25. Juni um 19 Uhr im Wiesbadener Rathaus statt. Die Philosophin Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums in Potsdam, plädiert in ihrer Schrift »Widerstand der Vernunft. Ein Manifest in postfaktischen Zeiten« für Solidarität, eine Politik der Werte und für einen neuen Umgang mit Idealen. https://momentmal.org/

Marcus Bensmann im Interview mit „Moment mal“: