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Rache oder Tatsache? Geschasster WVV-Chef Schüler zeigt sich selbst an – und unterstellt OB Bestechlichkeit

Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos).

„Aus einem gemeinsamen Urlaub wird eine Racheaktion – Aus Freundschaft wird Revanche“. Es liest sich wie die Inhaltsangabe von Folge 2019 einer drittklassigen Dauer-Vorabendserie. Es ist die Betreffzeile einer Pressemitteilung, die OB Sven Gerich heute Nachmittag verschicken ließ. Inhalt: die „persönliche Erklärung von Oberbürgermeister Sven Gerich zur Berichterstattung über eine Selbstanzeige des ehemaligen WVV-Geschäftsführers Ralph Schüler“. Hintergrund: Wie heute zuerst die FAZ berichtete, hat der kürzlich auf Antrag des OBs fristlos als Geschäftsführer der stadteigenen WVV Holding entlassene Ralph Schüler Selbstanzeige bei der Staatsanwalt Wiesbaden erstattet. Im Raum steht der Vorwurf der Bestechlichkeit des Oberbürgermeisters. Dieser streitet empört ab. Die Fraktion Linke & Piraten im Rathaus sieht den Eindruck einer „Günstlingswirtschaft an der Stadtspitze“ verstärkt und fordert „schonungslose Aufklärung“.

Er habe, so Schülers Selbst-Anschuldigung , die natürlich mit mindestens gleicher Wucht auf Gerich zielt, im Sommer 2014 gemeinsam mit dem Oberbürgermeister eine sechstägige Luxusreise durch Südspanien unternommen und dabei Kosten in Höhe von „einigen Tausend Euro“ aus eigener Tasche bezahlt. Die Rede ist von teuren Hotels, Suiten, erstklassigen Restaurants und Limousinenservice.

Dem FAZ-Bericht zufolge habe man nach Schülers Bestellung zum WVV-Geschäftsführer durch den Magistrat und vor Vertragsabschluss durch den WVV-Aufsichtsrat (Vorsitz beider Gremien: Sven Gerich), bei der Rundreise „feiern und Spanien anschauen“ wollen. Laut Bericht haben Schülers Anwälte ihm zu der heute publik gewordenen Selbstanzeige geraten, die seitens der Wiesbadener Staatsanwaltschaft bestätigt wurde und deren Sachverhalt den Tatbestand der Vorteilsnahme beziehungsweise Bestechlichkeit erfüllen könnte, um nach seiner fristlosen Entlassung „reinen Tisch“ zu machen.

Sven Gerich, der am 26. Mai zur Wiederwahl als OB antreten will, streitet in seiner Stellungnahme nicht die Reise durch Andalusien ab, wohl aber die Umstände. Schüler suche „fünf Jahre nach diesen Urlauben nunmehr offenbar sein Heil darin, auf Rache aus zu sein.“ Er bedauert – „Im Nachhinein muss ich selbstkritisch feststellen, dass ein gemeinsamer Urlaub kurz nach der vom Magistrat bereits beschlossenen Besetzung und vor der Entscheidung des Aufsichtsrates formal unproblematisch, aber unsensibel war“ – und beteuert: „Und auch wenn ich in der Anfangszeit meiner Tätigkeit als OB im persönlichen Verhalten Fehler gemacht habe, etwas unbedarft an gemeinsame Urlaube oder an Freundschaften gegangen bin, so habe ich zu keinem Zeitpunkt zum Schaden der Stadt agiert.“

Linke & Piraten sehen „Sumpf“

Die Fraktion Linke & Piraten im Rathaus äußert sich alarmiert. „Immer stärker entsteht der Eindruck, dass an der Stadtspitze über Jahre hinweg eine Günstlingswirtschaft gepflegt wird. Es ist zu erwarten, dass jetzt weitere Fakten aus dem „Sumpf“ ans Tageslicht kommen und es ist zu hoffen, dass dieser Sumpf trocken gelegt wird“, heißt es in einer Pressemitteilung.  Schonungslose Aufklärung und Transparenz seien notwendige Voraussetzungen für einen Neuanfang. Dabei käme der Presse und den Strafverfolgungsbehörden eine wichtige Aufgabe zu, „aber vor allen die gewählten politischen Vertreterinnen und Vertreter müssen dazu jetzt Beiträge leisten“. Die L&P Rathausfraktion und ihre Mitglieder werden würde insbesondere das ihr zustehende Fragerecht nutzen, „um Sachverhalte aufzuklären und auch an notwendigen personellen Konsequenzen mitzuwirken“. An Oberbürgermeister Gerich sei die Frage zu richten, „ob es weitere Urlaube auf Kosten – oder Zuwendungen – von Geschäftspartnern der Stadt oder mit bzw. von Personen gab, die von den Handlungen des Oberbürgermeisters ganz persönliche Vorteile hatten“.

Der Revisionsausschuss der Stadtverordnetenversammlung tagt am Mittwoch, 16. Januar, ab 17 Uhr öffentlich im Rathaus, Raum 107, erster Stock, zusammen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Themen „Beziehung zwischen Oberbürgermeister Gerich und der Unternehmerfamilie Kuffler“, Fragen zur aktuellen Situation im Revisionsamt sowie „Ralph Schüler und Oberbürgermeister Sven Gerich – Urlaubsreise nach Spanien“.

Die persönliche Erklärung von Oberbürgermeister Sven Gerich im Wortlaut:

„Ich lerne jeden Tag dazu, wie sich Menschen verhalten können. Wahr ist, ich war im Jahr 2014 gemeinsam mit meinem Mann Helge sowie mit Herrn Schüler und seiner Lebensgefährtin für einige Tage in Andalusien im Urlaub. Und ja, wir haben – auch dies soll im Urlaub nicht ungewöhnlich sein – in guten Hotels übernachtet und gut gegessen.

Ich habe seinerzeit Wert darauf gelegt, dass wir die Kosten teilen, daher habe ich Herrn Schüler aus meiner Sicht offene Gelder in bar ausgehändigt. Mit Blick darauf, dass eine Selbstanzeige von Herrn Schüler vorliegt und die Staatsanwaltschaft sich mit diesem wie auch anderen Vorgängen befassen wird, bitte ich um Verständnis, dass ich mich schon aus Respekt vor der Justiz zunächst dieser gegenüber äußern werde.

Ralf Schüler und ich waren seinerzeit miteinander befreundet, haben zum Beispiel auch ein verlängertes Wochenende in Österreich verbracht.

Anfang 2014 drang unser Koalitionspartner CDU darauf, die  zweite Geschäftsführerposition  in der städtischen WVV-Holding, für die sie ein Vorschlagsrecht hatte,  mit Stadtrat Schüler zu besetzen. Eine Trennung der Verantwortlichkeiten war vorgesehen, auf der einen Seite Verkehr, Versorgung, Finanzen, auf der anderen Seite Immobilien. Insofern sprach nichts gegen eine solche Besetzung. Der Vorschlag zur Bestellung von Herrn Schüler kam somit unabhängig von meiner persönlichen Beziehung zu Herrn Schüler zu Stande – genauso wie im Übrigen im vergangenen Dezember auch die Abberufung von Herrn Schüler.

Die Bestellung als Geschäftsführer erfolgte dann durch Beschluss des Magistrates vom 15.04.2014.In der damaligen Koalition herrschte Einigkeit, dem Wunsch der CDU zu entsprechen. Der Magistrat beauftragte seinerzeit die fachliche zuständige Kämmerei (Beteiligungsverwaltung) einen Arbeitsvertrag mit Herrn Schüler auszuhandeln; der Arbeitsvertrag sollte abschließend dem Aufsichtsrat der WVV zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Kämmerei kam diesem Auftrag nach; die Kämmerei unterbreitete dem Aufsichtsrat am 06.05.2014 eine entsprechende Beschlussvorlage. Dieser wurde am 21.05.2014 durch den Aufsichtsrat zugestimmt.

Im Nachhinein muss ich selbstkritisch feststellen, dass ein gemeinsamer Urlaub kurz nach der vom Magistrat bereits beschlossenen Besetzung und vor der Entscheidung des Aufsichtsrates formal unproblematisch, aber unsensibel war.

In den ersten Monaten nach der Übernahme des Oberbürgermeister-Amtes  war ich mit Blick auf die Pflege privater  Freundschaften zu anderen Persönlichkeiten der kommunalen Politik sicher noch blauäugig und würde in diesem Punkt heute anders verfahren. Ich muss damit leben, dass Herr Schüler fünf Jahre nach diesen Urlauben nunmehr offenbar sein Heil darin sucht, auf Rache aus zu sein. Ich bitte um Verständnis, dass ich dieses Verhalten nicht bewerten werde.

Ich  habe mich in meiner Arbeit für unsere Stadt immer am Wohl dieser und ihrer Bürgerinnen und Bürger orientiert. Das galt auch und besonders in den vergangenen, nicht einfachen Monaten, in denen es immer offensichtlicher wurde, dass Ralph Schüler nicht länger Geschäftsführer der städtischen Holding bleiben kann. Ich habe hier unabhängig von einer gemeinsamen Vergangenheit, unabhängig von einer von mir als vertrauensvoll und aufrichtig bewerteten Freundschaft gehandelt. Ich habe das getan, was aufgrund der Faktenlage aus meiner Sicht für die Stadt das Beste war.

Ich übe mein Amt nach bestem Wissen und Gewissen aus. Und auch wenn ich in der Anfangszeit meiner Tätigkeit als OB im persönlichen Verhalten Fehler gemacht habe, etwas unbedarft an gemeinsame Urlaube oder an Freundschaften gegangen bin, so habe ich zu keinem Zeitpunkt zum Schaden der Stadt agiert.

Bezüglich meines persönlichen Verhaltens „habe ich verstanden“ und daraus schon vor längerer Zeit meine Schlüsse gezogen. Dass ich der Staatsanwaltschaft Wiesbaden jederzeit für die notwendige Aufklärung von Sachverhalten zur Verfügung stehe, versteht sich von selbst.

Ich bedaure sehr, welches Bild die Wiesbadener Kommunalpolitik derzeit in der Öffentlichkeit bietet. Ich weiß, dass ich daran – siehe oben – nicht unschuldig bin.

Zugleich appelliere ich an uns alle in der Kommunalpolitik, uns um die Themen zu kümmern, für die wir gewählt sind. Und dies in einer Art, die unseren Ämtern angemessen ist. Ich werde alles in meiner Kraft stehende tun, um dazu meinen Beitrag zu leisten.“

 

2 responses to “Rache oder Tatsache? Geschasster WVV-Chef Schüler zeigt sich selbst an – und unterstellt OB Bestechlichkeit

  1. Dazu fällt mir noch der Spruch von Alfred Tetzlaff ein :
    „Der Sozi ist nicht grundsätzlich dumm, er hat nur sehr viel Pech beim nachdenken.“

  2. Meinen Beitrag von eben würde ich noch mal voranstellen:
    Da zeigt sich auch das Weisheit „nur Bares ist wahres“ nicht immer richtig sein muss !

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