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„Rassismus hat viele Gesichter“ – Eröffnungsrede „WI(R) gegen Rassismus“ im Wortlaut: „Wir sind die Mehrheit“

Text und Foto: Dirk Fellinghauer. Redetext: Hendrik Harteman.

Alle Sitzplätze waren besetzt, einige Menschen saßen auf den Böden, andere lehnten an den Wänden – volles Haus zur Eröffnung der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ am Montagabend. Ein gutes Zeichen, das vom Rathaus der Landeshauptstadt Wiesbaden ausging. Und gute Reden, die im vollbesetzten Rathaus-Foyer, auch mit OB Sven Gerich als aufmerksamem Zuhörer, gehalten wurden – von Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel, von Integrationsdezernent Christoph Manjura, vom YouTuber EinMalig. Und von Hendrik Harteman von der Jugendinitative Spiegelbild, die in Wiesbaden die „Wochen gegen Rassismus“ maßgeblich organisiert und koordiniert. Seine Rede über die vielen Gesichter des Rassismus und die Notwendigkeit und die Möglichkeiten, sich zu positionieren und Haltung zu zeigen, veröffentlichen wir im Wortlaut.

„Rassismus hat viele Gesichter. „WI(R) gegen Rassismus“ ist unser lokales Motto der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Wiesbaden in diesem Jahr.

Wir laden ein! Dabei bieten wir Auseinandersetzungsmöglichkeiten mit verschiedenen Formen des Rassismus, möchten junge wie alte Menschen sensibilisieren und für die Empathie mit Betroffenen werben. Es geht uns auch darum, Zeichen zu setzen und Position zu beziehen. Das heißt für uns, die Organisator*innen der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Wiesbaden: Sagen, was Rassismus ist, wo er vorkommt und Vorschläge machen, wie wir gemeinsam damit umgehen können.

M*Wort und N*Wort haben im öffentlichen Sprachraum nichts zu suchen

Gerade jetzt, am 12.03.2018,  findet zum Beispiel eine Stadtverordnetensitzung in Frankfurt statt, bei der ein Antrag der Kommunalen Ausländer- und Ausländerinnenvertretung diskutiert wird,  Apotheken doch bitte von rassistischen Bezeichnungen zu befreien. Die Kampagne heißt: „Kein Rassismus im Stadtbild“. Wir erklären uns solidarisch mit dieser Kampagne  und wünschen uns eine wertschätzende Diskussion über diese Betroffenheit.

Das M*Wort und das N*Wort haben im öffentlichen Sprachraum nichts zu suchen. Sie sind verletzend und erinnern an koloniale Strukturen, nicht etwa an Errungenschaften des „orientalischen Medizinsystems“ wie es bei Diskussionen in Frankfurt laut wurde. Das Symbol, und das Wort sind erniedrigend und machen Menschen klein. Auch wenn das heute von den allermeisten nicht beabsichtigt ist, ist die Wirkung trotzdem da!

Keine rationalen Argumente für diskriminierende Bilder im Stadtbild

Es ist notwendig, dass Überlieferungen, die an rassistische Strukturen erinnern, hinterfragt werden. Sie haben nichts mehr im Stadtbild zu suchen. Es gibt keine rationalen Argumente dafür, warum man diskriminierende Bilder weiterhin tolerieren müsste.

Der Journalist Wolfgang  Degen hat es gut gemacht, er hat die Menschenverachtung einer Homepage im Wiesbadener Kurier angeprangert. Wir fordern: SchlechteWitze.de darf nicht mehr online sein! Wir müssen benennen, was antisemitisch und was rassistisch ist. Es geht darum, klar zu machen, wie bestimmte Witze, bestimmte Namen, aber auch bestimmte Handlungen wirken. Das heißt noch nicht, dass jede, die die SchlechteWitze-Seite besucht,  Rassistin oder Antisemitin ist. Aber auch hier gilt: Die menschenverachtende Wirkung muss benannt werden und wo es notwendig ist, auch angezeigt werden.

Es gibt auch ein weiteres Gesicht von Rassismus, das uns in den letzten Jahren offenbart wurde. Die Tagesschau berichtete am 11.03.2018, dass es am vorangegangenen Wochenende fünf Anschläge auf türkische Einrichtungen in Deutschland gegeben hat. Spätestens seit der Terrorserie  des NSU wissen wir, dass die Behörden rassistische Tatmotive nicht ausschließen dürfen, so wie sie es damals getan haben.

Mal klein und subtil, mal laut und polternd

Rassismus hat viele Gesichter: Die kleinen subtilen, die häufig nur die Betroffenen merken. Die lauten und polternden, die sofort auf Abwehr stoßen und die evtl. sogar strategisch eingesetzt werden, um Tabus zu brechen oder bestimmte Begriffe im öffentlichen Raum ständig zu wiederholen. Es gibt noch viele Spielarten von Rassismus, die alle die gleiche Folge haben: Die Gesellschaft zu spalten, Menschen als nicht dazugehörig zu markieren.

Dagegen möchten wir uns zur Wehr setzen. Es ist an der Zeit, auf Missstände aufmerksam zu machen, Probleme zu benennen und sie dann gemeinsam in Angriff zu nehmen. Die Internationalen Wochen gegen Rassismus sind genau die Zeit dafür. Es gibt genug Möglichkeiten zu lernen, sich zu positionieren und Haltung zu zeigen.

Viele kleine und zwei große Veranstaltungen

Ich freue mich deshalb sehr, dass so viele Organisationen mitmachen, viel mehr als in den letzten Jahren. Und … dass die allermeisten etwas zum Mitmachen anbieten.

Beispielsweise der Workshop „Rassismus in der Schule“. Ein Workshop für Jugendliche, bei dem Videos gedreht und Fotos gemacht werden können. Es wird schon beim Titel klar, dass es Rassismus in der Schule gibt. Wir brauchen nicht so zu tun, als gäbe es ihn dort nicht. Es geht darum, wie wir damit umgehen…

WIF, das Wiesbadener Internationale Frauen und Beratungs-Zentrum, macht einen Workshop für Frauen mit Kopftuch, der es in einem geschützten Rahmen ermöglicht, sich gegenseitig zu stützen, kritisch solidarisch zu sein und Empathie zu zeigen, wenn frau selbst von Rassismus betroffen ist.

Transform Your City, die Jugendgruppe von Spiegelbild, bietet zwei Angebote an, um sich mit anderen auszutauschen, Statements zu setzen und  gemeinsam zu lernen. Es wird auch einen „Workshop auf der Couch“ geben, speziell für Jugendleiter*innen und Junge Erwachsene.

Amnesty zeigt gemeinsam mit der Volkshochschule Wiesbaden eine Ausstellung und auch zwei Filme zusammen mit dem Murnau-Filmtheater. Es wird ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen geben, zwei Konzerte und eine Theateraufführung, die einladen, sich kritisch mit der eigenen Rolle auseinander zu setzen.

Wir laden auch zu den beiden Großveranstaltungen ein: Zum Lauf gegen Rassismus am 24. März und zu „MENSCHEN LESEN FÜR MENSCHEN“ am 17. und 18. März. Ein bemerkenswertes Projekt, bei dem sich viele Organisationen zusammen getan haben und sich gemeinsam 24 Stunden für Respekt und Menschenwürde engagieren. Es handelt sich um eine 24-Stunden-Lesung hier im Festsaal des Rathauses, die kommenden Samstag um 19:23 Uhr beginnt. Melden Sie sich an. Lesen Sie mit.

Achtundzwanzig Angebote gibt es insgesamt. Das finden wir herausragend!

Wir sind die Mehrheit!

Herzlichen Dank an alle, die hier mitmachen, Veranstaltungen organisieren, Werbung machen und sich solidarisch zeigen. Es ist wichtig, dass wir zusammen halten und gemeinsam zeigen, wie wir unser Wiesbaden gestalten möchten. Wir sind die Mehrheit, und das muss man auch sehen können!

Ich möchte zum Abschluss noch den Unterstützern danken, die mit Rat und Tat und auch einem Plan zur Seite stehen. Wir danken den Förderern, der Integrationsabteilung der Landeshauptstadt Wiesbaden und dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“.  Danke an  Jennifer Sowa für die wunderbare Gestaltung und Verena Delto für die Projektkoordination. Danke an Transform Your City, die Jugendgruppe von Spiegelbild, für den Ausschank der Getränke und Frau Yildiz aus dem Service des Rathauses Wiesbaden.“