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Rhein schwappt über: Hochwasser-Flutungen in Schierstein und Kostheim erwartet / Vorkehrungen laufen

Der Rhein ist bei Wiesbaden kurz vorm Überschwappen. Ein Wasserstand von bis zu 6,40 Metern wird am für Wiesbaden relevanten Pegel Mainz erwartet. Eine Entspannung der Situation ist noch nicht in Sicht. In Absprache mit dem für Hochwasserlagen zuständigen Umweltamt  der Landeshauptstadt Wiesbaden laufen Maßnahmen zum Hochwasserschutz durch Einsatzkräfte der Feuerwehr Wiesbaden. Auch Anlieger wie Vereine sind in Sachen Schutzmaßnahmen aktiv. Am Pegel Mainz wurde in der Nacht zum heutigen Sonntag die hessische Meldestufe I (500 cm) überschritten, im Verlaufe des heutigen Tages ist mit Überschreiten der Meldestufe II (580 cm) zu rechnen. Der Wellenscheitel wird dort am Montag bei etwa 640 cm erwartet.

Am Samstagnachmittag wurden in Schierstein und Kostheim mobile Hochwasserschutzwände errichtet. Hierzu wurden die Freiwilligen Feuerwehren dieser Ortsteile eingesetzt und durch Sonderfahrzeuge der Berufsfeuerwehr unterstützt. Das Sperrwerk des Lindenbaches am Zulauf in den Schiersteiner Hafen wurde geschlossen, um einen Rückstau des Baches zu verhindern. Hier wurden auch zwei leistungsfähige Pumpen in Betrieb genommen, um den Wasserspiegel des Baches abzusenken. Im Mittel können so 18.000 Liter Wasser pro Minute übergeleitet werden. In Kostheim wurde am Bruchbach ein entsprechender Schieber geschlossen.

OB informiert und bedankt sich: Gut vorbereitet auf Scheitelwelle

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende machte sich vor Ort einen Eindruck von den zu treffenden Maßnahmen und sprach den Einsatzkräften seinen Dank aus. Mit den Erkenntnissen der letzten Jahre und der vor drei Jahren mit dem Umweltamt abgestimmten, erweiterten Ausstattung der Feuerwehr sei man sehr gut vorbereitet, die diesmalige Scheitelwelle gut meistern zu können. ,

Da auch die Parkplätze im Uferbereich kurz vor der Flutung stehen, werden die betroffenen Fahrzeughalter gebeten, die Hochwasserlage weiter zu beobachten und ihre Fahrzeuge möglichst frühzeitig auf sicheren Plätzen abzustellen. Durch die Stadt- und Verkehrspolizei werden Kontrollfahrten durchgeführt. Im Gefahrenbereich befindliche Fahrzeuge werden entfernt.

Aktuelle Messwerte und Hochwasservorhersagen sind laufend aktualisiert unter https://www.hochwasser-hessen.de einzusehen. Soweit verfügbar sind dort auch die Messwerte und Vorhersagen der Nachbarbundesländer verlinkt.

Hochwasser aus Vereinssicht: Schutzmaßnahmen nach Plan

Der Wassersport-Verein Schierstein schildert die Lage aus seiner Sicht: Rhein-Hochwasser, 48-Stunden-Vorhersage: 605-640 cm, „Tendenz steigend“ (Wasserstand Pegel Mainz, 30.01.2021, 18:30 Uhr). Nach dieser Vorhersage würde man in zwei Tagen (Montag/Dienstag) die Bootshalle und das Vereinsgebäude des Wassersport-Vereins Schierstein 1921 e.V. vielleicht nicht mehr trockenen Fußes erreichen. Doch dort sind Hochwasser-Schutzmaßnahmen inzwischen längst nach einem detaillierten Plan im Verein angelaufen.

Auf dem Vereinsgelände des WVS am Westufer des Schiersteiner Hafens lagern hochwertige Boote und Ausrüstung. Schon am frühen Freitagvormittag alarmiert deshalb eine E-Mail des WVS-Vorsitzenden Edgar Hartung die Abteilungsleiter der Bootsstege und des Campingplatzes. Sie müssen umgehend Campingplatz und Wiese des Vereins räumen. Zwar dürfte Wasser den Booten und ihren Trailern nichts ausmachen. Sie sind ja schließlich für das Eintauchen ins nasse Element gebaut, doch nicht für das Einsinken in einer aufgeweichten Wiese, auf der die Boote auf ihren Trailern den Winter über geparkt sind. „In so einer Schlammlandschaft lässt sich dann kaum noch etwas bewegen“, erklärt Hartung. „Schäden wären nicht nur an den Fahrzeugen, sondern auch an der Wiese nicht mehr zu vermeiden“.

Schon am Samstag, 14 Uhr (Pegel Mainz: 488-497 cm), vermerkt Edgar Hartung vor Ort zufrieden: „Winterlager und Campingplatz geräumt, Trailer mit den Booten sicher auf der Straße, Vorbereitungen für Hochwasserschutz am Gebäude abgeschlossen“.

Die Räumung der Wiese, auf der die Wassersportler sonst ihre Übungen an Land absolvieren, ist allerdings nur der erste Schritt im Hochwasser-Notfallplan des WVS. Dort ist genau verzeichnet, was bei welchem Wasserstand (Pegel Mainz) auf dem Vereinsgelände zu sehen und zu tun ist:

4,75 cm (Hochwassermarke I), das Wasser schwappt in Höhe von Steg 1 etwa auf halber Höhe der Uferböschung gegen die Steinblöcke der Uferbefestigung: Noch keine Maßnahmen erforderlich.

550 cm bis 575 cm, Zugang zum Steg 2 unter Wasser: Wiese räumen, Bodenbereich in den Bootshallen räumen, Absperrverkleidungen für die Eingangstüren vorbereiten.

600 cm: Weitere Maßnahmen, unter anderem die Rechner und Akten im Geschäftszimmer sichern, Tauchwasserpumpe und Notstromaggregat prüfen und für den Notfall vorbereiten.

630 cm und mehr (Hochwassermarke II), das Wasser bedeckt den Vorplatz und erreicht ab 670 cm die Tür zum Umkleide- und Hantelraum: Türen mit Bohlen und Silikon abdichten, externe Stromkästen abschalten, Nachtwachen für die Kontrolle der Tauchpumpen aufstellen und mehr. Natürlich sollten vorher schon Umzugskisten für Akten und Büromaterial bereitgestellt und alle Räume im Erdgeschoss und Keller leergeräumt worden sein.

WVS-Erfahrungen aus Hochwasser früherer Jahre

Dieser sorgfältig ausgetüftelte WVS-Maßnahmenplan basiert auf, teilweise leidvollen, Erfahrungen: Auf einem Foto vom 27. März 1988 sieht man beispielsweise, wie auf der WVS-Wiese Trailer mit Booten unter ihren Winterplanen voll im Wasser stehen. Das Hochwasser von 1988 nimmt in den Top Ten des Pegels Mainz mit 770 cm immerhin den dritten Platz ein (Platz 1: 795 cm am 28.11.1882, Platz 2: 793 cm am 05.01.1983). Am 4. Juni 2013 musste wegen Hochwassers (Pegel Mainz 678 cm) sogar die Große Wiesbadener Kanuregatta abgesagt werden – die Kajaks waren schon direkt vor der Bootshalle aufgeschwommen.

Jetzt, so Hartung, werde das Hochwasser vermutlich nicht mehr derartige Höhen erreichen. Die Vorhersage für den Pegel Mannheim, gut 73 Flusskilometer stromaufwärts, zeigt für die 48-Stunden-Tendenz schon wieder fallende Wasserstände (Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz). „Der Pegel Mannheim ist wichtig für unsere vorbereitenden Maßnahmen“, erläutert er. „Denn dann wissen wir, was noch auf uns zukommen wird und haben noch einige Stunden Zeit, bis die Welle bei uns angekommen ist. Bis dahin muss im Notfall alles gesichert sein. Der Pegel Mainz dagegen bestätigt nur in Zentimetern, was wir gerade selbst im Hafen leibhaftig beobachten.“ (dif/Fotos Feuerwehr Wiesbaden/WSV Wiesbaden)