Von Selma Unglaube. Fotos Heinrich Völkel und Andrea Diefenbach.
Viele Wiesbadener kennen das außergewöhnlichste Haus der Schwalbacher Straße vom Vorbeifahren. Mariana Wiesner lebt darin. Im Internet hatte die Friseurmeisterin nur Fotos der Hausfassade gesehen. Das reichte schon, um die Wohnung unbedingt haben zu wollen. Verständlich. Denn das 2003 von den an der selben Adresse ansässigen a–z Architekten konzipierte und erbaute Gebäude sticht nicht nur durch seine moderne und für Wiesbaden einzigartige Architektur aus seiner Umgebung heraus, sondern ist Deutschlands erstes Wohn- und Bürohaus in Passivbauweise.
Schon beim Öffnen der Haustür wird klar: ökologisches und modernes Leben müssen sich nicht ausschließen. Der stegartige, mit Aluminiumsprossen verkleidete Boden des Hausflurs gibt durch die gläserne Fassade einen Blick auf den begrünten Innenhof frei, bevor es links ins Treppenhaus aus Waschbeton geht. Dort wird die Aufmerksamkeit der Besucher gleich auf eine überdimensionierte, gelbe Kiste im Hof sowie die Beschriftungen einzelner Stufen gelenkt. Später stellt sich heraus: Die gelbe Kiste im Hof dient den Mietern als Kellerersatz.
Jeder Platz optimal genutzt in der Oase in der Stadt
Seit drei Jahren bewohnt Mariana Wiesner mit ihren beiden Kindern die 83 qm große Wohnung, in der jeder Platz optimal genutzt wird: „Ich fand’s toll, dass es hier so hell und offen ist. Das hat auch meinen Kindern sofort gefallen. Ausschlaggebend war jedoch die Architektur und die Aufteilung mit den zwei Kinderzimmern.“ Da stört nicht einmal, dass die Küche genau genommen nur eine kleine, wenn auch gelungene, Einbuchtung in der Wand ist. In die Schlafzimmer der dreigeteilten Wohnung gelangt man durch Schiebetüren, die vom offenen, schlauchartigen Wohn- und Essbereich ausgehen. Ein Zimmer befindet sich an der hinteren Fensterfassade zum Hof, die beiden anderen Zimmer liegen an der großen Fensterfront zur Straßenseite, mit Blick ins Grüne. Durch die Isolierung dringen von Außen kaum Geräusche ins Haus. „Für mich ist es eine Oase in der Stadt“, schwärmt Wiesner von Ihrem Domizil.
Steigende Heizkosten lassen Familie Wiesner kalt
Im Gegensatz zur vorherigen Altbauwohnung muss Familie Wiesner in ihrem neuen Zuhause im Winter weder frieren noch eine saftige Heizkostennachzahlung erwarten. Dank der Passivbauweise hält sich die Temperatur im Haus fast das ganze Jahr konstant. Lediglich bei Minustemperaturen nutzt die Familie für wenige Stunden am Tag einen der beiden Heizkörper, die zusätzlich in der Wohnung angebracht sind. Sowohl die Heizkörper als auch die Warmwasserbereitung erfolgen über eine Wärmepumpe und somit über Strom. Laut Wiesner sei der Verbrauch jedoch vergleichsweise gering, so dass bisher noch nie eine Nachzahlung fällig wurde. Auch die Luft im Haus ist besser. Dank eingebauter Luftfilter wird die Luft alle paar Stunden ausgetauscht. Eine zusätzliche Lüftung über die Fenster ist daher eigentlich unnötig. Dennoch lässt es sich Mariana Wiesner nicht nehmen, manchmal für ein paar Minuten ein Fenster zu öffnen. „Nur im Winter muss man aufpassen, weil es sonst schnell auskühlt“, sagt sie.
„Es hat Spaß gemacht, die Wohnung einzurichten“
In der reduziert eingerichteten Herberge der Familie Wiesner fühlen sich Besucher sofort wohl. Viel Raum zum Überladen bietet die Wohnung ohnehin nicht. „Es hat Spaß gemacht, die Wohnung einzurichten. Sonst sieht man diese Wohnungen ja nur in Zeitschriften. Aber man muss sich schon trennen können“, kommentiert Mariana Wiesner schmunzelnd die minimalistische Einrichtung und mangelnde Stellfläche der Wohnung. Dennoch oder gerade deswegen hat die Wohnung in Kombination mit dem Einrichtungsstil einen unwiderstehlichen Charme. Am liebsten möchte man den ganzen Tag an der massiven Holztafel mit den obligatorischen Eames-Stühlen verbringen, etwas essen, trinken, quatschen und sich später gemütlich auf eines der Ledersofas fläzen, Musik hören, Zeitschriften blättern. Oder besser noch: Gleich selber einziehen.