Interview Hendrik Jung. Fotos DGB, Jingming Pan, Tom Radetzki
„Go for Gold“ heißt ganz harmlos ein Kongress, der an diesem Wochenende im städtischen RMCC stattfindet. „Falsche Propheten“ versammeln sich dort, meint ein alarmiertes Bündnis.
Was man unter Werten versteht, ist individuell sehr unterschiedlich. An diesem Wochenende wird im RheinMain CongressCenter (RMCC) unter dem Titel „Go for Gold“ ein sogenannter Wertekongress ausgerichtet. Das angekündigte Spektrum der Vorträge reicht von „Wie Sie jetzt noch ihr Geld schützen können“ bis zur „Geburt einer neuen Weltordnung“ (Great Reset). Aus Sicht des Wiesbadener „Bündnis für Demokratie“ treten bei der Veranstaltung auch Referenten auf, die für die Verbreitung von Verschwörungs-Erzählungen bekannt sind. Sascha Schmidt, Sprecher des Bündnisses, erklärt im sensor-Interview, welche Gefahren damit verbunden sind.
Go for Gold – das klingt nach einem olympischen Motto. Was verbirgt sich ihrer Meinung nach hinter dem Kongress?
Mit sportlichem Wettkampf hat das leider nichts zu tun. Vielmehr verbirgt sich dahinter zunächst ein Geschäftsmodell, bei dem es um den Handel mit Gold und Fonds geht. Das ist wohl mit Werten gemeint.
Wo liegt das Problem?
Problematisch wird es aus unserer Sicht, wenn bei solchen Veranstaltungen Prophezeiungen verkündet werden, die eine Verschwörungs-ideologische Ausrichtung haben. Eine Vorhersage aus diesem tendenziell rechtslibertären Milieu lautet: Es stehe eine Finanzkrise bevor, die durch die als sozialistisch beschriebene Europäische Zentralbank bewusst herbeigeführt werde. Edelmetalle und Fonds seien dann die einzigen sicheren Anlagen, um sich zu schützen.
Können Sie die die Demokratie-feindliche Einstellung der Referenten belegen?
Was dort letztlich konkret gesagt wird, können wir heute natürlich noch nicht vorhersagen. Wir machen unsere Kritik an dem Kongress vor allem mit Blick auf die zu erwartenden Verschwörungs-Erzählungen fest. Zwei namhafte Referenten springen da ins Auge: Daniele Ganser und der Bundesvorsitzende der Werteunion Max Otte. Otte, der auch auf Pandemie-Leugner-Veranstaltungen auftrat, wird über den „Great Reset“ sprechen. Ihm hat der Antisemitismus-Beauftragte Baden-Württembergs eine Mischung aus nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Andeutungen und Verschwörungs-ideologischen Inhalten bescheinigt. Otte steht als ehemaliger Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung zudem beispielhaft für die Nähe dieses Spektrums zur AfD.
Und was kritisieren Sie an dem Redner Daniele Ganser?
Ganser, der zu den bekanntesten Verschwörungs-Erzählern im deutschsprachigen Raum zählt, wird sich dem Thema Medien widmen und dabei laut Ankündigung „hinter die Kulissen der Macht“ schauen. Mit solchen Erzählungen werden nicht nur antisemitische Denkmuster bedient, sondern auch Misstrauen in Presse und demokratische Institutionen geschürt.
In welcher Form wird das Bündnis für Demokratie über den Kongress informieren?
Es gibt unter dem Titel www.falsche-propheten.gold eine eigene Kampagnen-Seite. Dort finden sich Videos, Texte und Podcasts, die sich mit dem Kongress auseinandersetzen. Hauptakteur ist dabei die Initiative „Moment Mal!“ Wiesbaden“, die sich seit 2018 intensiv mit dem Thema Neue Rechte und deren Angriffe auf unsere offene Gesellschaft auseinandersetzt. Die Kampagne ist eine Kooperation mit den Bildungsträgern Achtsegel aus Frankfurt und unserem Bündnispartner Spiegelbild Wiesbaden.
Inwiefern wird es für das Bündnis während des Kongresses heißen: Dabei sein ist alles?
Ob und wie wir am Rande des Kongresses Flagge zeigen werden, müssen wir noch klären. Vornehmlich geht es uns um einen kritischen Austausch innerhalb der Stadtgesellschaft. Wir haben Sorge, dass durch solche Veranstaltungen die erwähnten Denkmuster salonfähig gemacht werden.
Welche Vorschläge hat das Bündnis, damit in Wiesbadens städtischen Liegenschaften Veranstaltungen wie der für den Dezember angekündigte AfD-Bundesparteitag im Dezember verhindert werden?
Wir führen Gespräche mit dem RMCC und politisch Verantwortlichen der Stadt. Es braucht Strategien im Umgang mit Veranstaltungen neuer rechter Bewegungen. Denn sie werden weiter versuchen, sich als akzeptierter Teil innerhalb der Mehrheitsgesellschaft zu etablieren und dadurch das Sagbarkeitsfeld für demokratiefeindliche Positionen erweitern. Um dies zu vermeiden, sollten auf Basis inhaltlicher Kriterien rote Linien gezogen und klare politische Zeichen gesetzt werden.
Die Entsteidung ist gefallen – AfD darf Bundesparteitag in Wiesbaden abhalten
Die „Alternative für Deutschland“ kann ihren Bundesparteitag am 11. und 12. Dezember in Wiesbaden durchführen. Die Stadt sah keine rechtliche Handhabe, den vorliegenden Mietvertrag für das RMCC (Miete 246.000 Euro plus Technik) nicht zu unterschreiben. Sofort nach Bekanntgabe der Entscheidung meldeten sich Wiesbadener Parteien zu Wort und kündigten Proteste an. CDU, SPD, Grüne, FDP wollen gemeinsam eine Gegendemo organisieren, auch VOLT ruft zum Protest auf, ebenso die Linken, die als einzige im Magistrat das „Ja“ zum Mietvertrag abgelehnt hatten.
Die Linken hatten als einzige im Magistrat das „Ja“ zum Mietvertrag abgelehnt? Heißt das,
die anderen haben alle zugestimmt, oder sich enthalten?? Man hätte es auf einen Konflikt, möglicherweise „juristisch“ geführt, ankommen lassen müssen! Oder ist das RMCC so „unabhängig“, daß dessen Manager machen können, was sie wollen? Und nun kommt auch noch die AFD!!!