Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos).
Mit dem 14:45-Uhr-Glockenschlag der Bonifatiuskirche legte sich am Samstagnachmittag Stille über den Wiesbadener Luisenplatz. Hunderte, vielleicht tausend, Menschen verharrten die folgenden 8 Minuten und 46 Sekunden schweigend, die meisten kniend, einige mit gereckter Faust. Wie in ganz Deutschland und auf der ganzen Welt, wurde am 6. Juni auch die hessische Landeshauptstadt zum Schauplatz einer „Silent Protest“-Demonstration gegen Rassismus. 8 Minuten und 46 Sekunden, so lange lag der Afroamerikaner George Floyd vor seinem Tod durch Polizeigewalt auf dem Boden, niedergepresst von einem auf seinem Hals knienden weißen Polizisten – eine endlos erscheinende Zeit, körperlich und emotional schwer auszuhalten, auch wenn es „nur“ um Gedenken und nicht um Leben und Tod geht. Die Stille auf dem überfüllten Luisenplatz wurde zum Schrei, die Veranstaltung insgesamt war friedlich, kämpferisch, bedrückend, bewegend, überwältigend.
Die überwiegend, aber nicht ausschließlich jungen Demonstranten gedachten – unter nicht ganz einfacher, aber weitgehend eingehaltener Berücksichtigung der Covid-19-Regeln – mit der „Silent Demo“ George Floyd, der am 25. Mai in den USA durch brutale Polizeigewalt ums Leben kam. Die Trauer und das Gedenken wurde verbunden mit Protest gegen Rassismus und dem Aufruf zu Menschlichkeit und Miteinander.
Fast zwanzig Redebeiträge zeigen: Rassismus ist auch bei uns ein Problem
Immer wieder skandierte die Menge, viele trugen wie im Vorfeld erbeten ein schwarzes Oberteil, auch Rufe wie „Black Lives Matter“, „No Justice No Peace“, „Hands Up – Don´t Shoot“ oder „Say His Name: George Floyd“. Im Anschluss an die knapp neun Schweigeminuten gab es im Fortgang der fast dreistündigen Veranstaltung siebzehn unterschiedlichste Redebeiträge, die unter anderem vermittelten: Rassismus und Alltagsrassismus ist auch bei uns ein Problem, gegen das man ankämpfen muss, bei dem man nicht wegschauen darf.
18-jährige Organisatorin: „Ich habe Rassismus noch nie verstanden“
Die Veranstaltung in Wiesbaden hatte innerhalb von nur zwei Tagen äußerst spontan die Abiturientin Yana Vilgelmi organisiert. Erst am Donnerstag war die Entscheidung gefallen, sie hatte gerade ihre letzte Abiprüfung am Gutenberg-Gymnasium abgelegt. Im Anschluss äußerte die 18-Jährige sich sensor gegenüber am Samstagabend überwältigt: „Es waren so viele Menschen mehr als wir erwartet hatten. Ich bin stolz, dass Wiesbaden so etwas möglich gemacht hat.“ Weitere Aktionen seien geplant, viele hätten sich bereits bei ihr gemeldet, die dabei künftig mithelfen wollten. Sie selbst habe sich schon immer engagieren wollen und nie recht gewusst, wie sie starten soll: „Ich habe Rassismus noch nie verstanden. Warum man überhaupt einen Unterschied macht zwischen Menschen, kann ich einfach nicht nachvollziehen.“ (ausführliches Interview folgt)
Zehntausende bei „Silent Demos“ in ganz Deutschland
Bundesweit strömten am Samstag Zehntausende zu „Silent Demos“, fast überall weitaus mehr als erwartet und angemeldet waren. In Wiesbaden waren 300 Teilnehmer angemeldet, die Polizei sprach von 500 bis 600, die Organisatorin später gegenüber sensor glaubhaft von 1000 Teilnehmenden – vergleichsweise wenig, schaut man auf Angaben zu Teilnehmerzahlen nur rüber nach Mainz – 2500 -, nach Frankfurt – 8000 -, oder gar nach Hamburg – 14000 -, Berlin – 15000 – oder München – 25000 -.
Abgesehen davon, dass die Wiesbadener „Silent Demo“ die wohl am kurzfristigsten organisierte und ausschließlich über soziale Medien kommunizierte war und viele tatsächlich erst ein Stunde vorher davon erfuhren und spontan dazukamen: Die Teilnehmendenzahl ist am Ende zweitrangig. Was zählt, ist, dass auch in der Landeshauptstadt Wiesbaden ein überwältigendes Zeichen der Solidarität und gegen Rassismus gesetzt wurde.
https://www.instagram.com/silent_demo_06.06.2020/
sensor-Fotoalbum mit Impressionen von der „Silent Demo“ auf dem Luisenplatz hier.
liebes sensor team ,
wieso werden hier ungeprüft kommentare wie die von anja freigeschaltet . ? das ist pure hetze und solange das ganze geschehen nicht juristisch geklärt ist solltet ihr sowas nicht veröffentlichen .
Ok. Danke für den Hinweis.