Interview Dirk Fellinghauer. Foto Arne Landwehr.
BERUF
Sie wurden gerade als Vorstandsvorsitzender der ESWE Versorgungs AG für weitere fünf Jahre bestätigt. Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich denke mal, dass sich unsere Leistungsbilanz sehen lassen kann. Ich bin 2001 im Rahmen des Thüga-Einstiegs Vorstand geworden. Vorher sah es nicht so sehr gut aus bei den Stadtwerken. Der Wettbewerb hatte begonnen, und es war für ein ehemaliges Monopolunternehmen nicht einfach, sich darin erfolgreich zu bewegen. Wir haben das Ergebnis aus dem Jahr 2001 von 10 Millionen auf jetzt fast 60 Millionen Euro ausbauen können. Das ist wie immer eine Teamleistung. Aber einer muss das Team anführen, und ich glaube, das ist ganz erfolgreich gelungen. Wir haben noch viel vor, und es bleibt weiterhin spannend.
Mussten umgekehrt Sie selbst überlegen, ob Sie Ihren Arbeitgeber bestätigen?
(Lacht) Nein, das musste ich nicht. Als ich hierher kam, galten Stadtwerke als spießig, verstaubt, total unsexy, das Image war also nicht das beste. Zu dieser Zeit tauchten „E wie einfach“, Yello, Eon auf… man musste hip sein, innovativ – alles das, was Stadtwerke vor 15 Jahren gerade nicht verkörpert haben. Die waren angestaubt und von gestern. Da haben viele gesagt, Stadtwerke werden gar nicht überleben, die Zukunft gehört den großen Verbundunternehmen. Das war eine Herausforderung. Wenn man sich heute anschaut, wie bei EON und RWE die Aktienkurse fallen, da brennt echt die Hütte– während es den größten Teil der Stadtwerke noch gibt. Viele davon, unter anderem auch ESWE Versorgung, haben sich gut entwickelt und haben ein weitaus besseres Image als vor fünfzehn Jahren – zu Recht: Sie stehen für Zuverlässigkeit, für Solidität, Berechenbarkeit und auch für die Erkenntnis, dass ein großer Teil von dem, was wir als Gewinn generieren, wieder in die Stadt zurückfließt .
Sie sagen, nur noch Kilowattstunden zu verkaufen, reiche nicht aus für Ihr Unternehmen – was braucht es noch?
Wir werden in die Innovationskraft des Unternehmens in den nächsten Jahren deutlich mehr Mittel investieren müssen als in der Vergangenheit. Wir müssen neue Geschäftsfelder erschließen und ganz neu denken. Wir werden da eine Kompetenz im Hause aufbauen müssen mit Leuten, die möglicherweise gar nicht aus der Energiebranche kommen. Im klassischen Geschäft haben wir mit den Einsparverordnungen natürlich eine rückläufige Tendenz. Das müssen wir über neue Geschäftsideen ausgleichen, die vielleicht auch außerhalb dessen liegen, was man klassischerweise mit einem Stadtwerk und Energieversorger verbindet.
ESWE Versorgung hat inzwischen mehr Kunden außerhalb Wiesbadens als in Wiesbaden selbst. Wie fühlen Sie sich trotzdem noch der Stadt verpflichtet?
Wiesbaden ist natürlich unsere Heimatbasis und wird es auch immer bleiben. In Monopolzeiten waren wir der Platzhirsch. Wenn Sie mit hundert Prozent starten und gehen in den Wettbewerb, können Sie eigentlich in diesem Markt nur verlieren. Wenn wir auf Wiesbaden beschränkt geblieben wären, hätten wir jedes Jahr verkündenmüssen, ob das Ergebnis zurückgegangen ist. Von daher haben wir den Markt ausgedehnt und sind heute ein bundesweiter Player. Das war wichtig, um unser Ergebnis nicht nur zu halten, sondern sogar noch auszubauen. Unser erstes Augenmerk liegt aber weiter hier auf unserem Heimatmarkt. Wir möchten, dass unsere Kunden von uns überzeugt bleiben.
Sie hatten eine spannende frühe berufliche Station bei der Treuhandanstalt. Was haben Sie von dort mitgenommen?
Da habe ich ein sehr hohes Maß an Pragmatismus, Belastbarkeit, Kreativität und auch Flexibilität mitgebracht. Es war eine komplexe Aufgabe – in kürzester Zeit ein sozialistisches Land zu reprivatisieren. Als Jurist stand ich vor schwierigen Herausforderungen, als wir Rechtsverhältnisse vorfanden, die es unserem Verständnis nach gar nicht gab, rechtliche Konstellationen, die man mit unseren Gesetzen nicht handlen konnte.
MENSCH
Mit einem Jahresgehalt von knapp 350000 Euro sind Sie der Spitzenverdiener unter den Chefs der städtischen Gesellschaften. Was leisten Sie sich davon, was sich andere nicht leisten können?
Man muss das im Vergleich zu den anderen städtischen Gesellschaften etwas relativieren. Wir haben annähernd eine halbe Milliarde Umsatz. Wenn es aufgrund von Rankings heißt, der Schodlok verdient so viel, sollte man den Verdienst auch immer in Bezug zur Leistung setzen. Was leiste ich mir von meinem Gehalt? Drei alte Cabrios, die ich in der Garage stehen habe – ein 93er 3er BMW, die letzte Baureihe vom BMW Z3 von 2001 und einen Mercedes SL 500 von 1993, die kosten alle drei zusammen weniger als ein gebrauchter Porsche. Und noch eine Vespa. Alle Fahrzeuge in grün. Sonst habe ich nicht viele Dinge, für die ich übermäßig Geld ausgebe.
Spüren Sie Neid?
Ich finde es schade, wenn ein gewisser Rechtfertigungszwang entsteht. Zum Beispiel, wenn die Beteiligungsberichte der Stadt veröffentlicht werden, in denen die Bezüge stehen. Was viele Menschen daran am meisten interessiert, sind die Gehälter. Ja, es gibt viele, die weniger verdienen als ich. Dafür muss ich aber auch alle fünf Jahre um meine Wiederbestellung kämpfen und Ergebnisse abliefern. Mein Gehalt ist zum großen Teil leistungsorientiert, diesen Betrag habe ich nicht fix.
Wie schaffen Sie sich mit Ihrem Terminkalender Raum für Privatleben? Sind bestimmte Zeiten fest geblockt?
Eigentlich nicht. Da meine Frau als Journalistin in Berlin arbeitet und man sich die ganze Woche oder auch zwei Wochen lang nicht sieht, versuche ich allerdings schon, das Wochenende freizuhalten oder sie zumindest mit einzubeziehen.
Sie haben überraschend eine Stunde zur freien Verfügung. Was fangen Sie damit an?
Das Cabrio nehmen und in den Rheingau fahren oder hinten raus in den Taunus.
Sie sind Mitglied einer schlagenden Verbindung. Wie stehen Sie heute dazu?
Es ist eine Gemeinschaft, bei der man die Verbindung ein Leben lang hält, weil man einen gemeinsamen Anlaufpunkt hat. Ich hatte auch sonst viele Freunde während des Studiums in Würzburg, aber da verliert man irgendwann den Kontakt. Man hat dort gelernt, wie ein Gemeinwesen organisiert ist. Ich stehe nach wie vor sehr positiv dazu, auch wenn ich weiß, dass es nicht jedermanns Sache ist. Es gibt unterschiedliche schlagende Verbindungen, es gibt Corps, Burschenschaften, Landsmannschaften. In der Öffentlichkeit wird das manchmal alles in die rechte Ecke gestellt. Das ist nicht gerechtfertigt.
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Die ESWE Versorgungs AG feiert am Samstag, 5. September, ab 15 Uhr ihr 85-jähriges Bestehen mit einem großen Jubiläumsfest für alle Wiesbadener.